Mittwoch, 7. Juni 2017

Emanuela - Dein wilder Erdbeermund

Die Reise durch das italienische Machismus-Dickicht vergangener Jahrzehnte geht weiter. Wieder steht eine Frau im Mittelpunkt: nach Angelina ist nun Emanuela dran. Jedenfalls in der deutschen Version. Immerhin waren gerade zwei Jahre vergangen, als die Niederländerin Sylvia Kristel sich unverhüllt im Kinoerfolg Emmanuelle auf der Leinwand präsentierte. Auf den Fuß folgten einige Nachahmer, darunter auch die Black Emmanuelle-Reihe vom ungekrönten italienischen Schmuddelkönig Joe D'Amato. Die deutschen Kinoverleiher sorgten dafür, dass das deutsche Publikum noch einige weitere Emmanuelle-Filme sehen durften, obwohl diese in ihrer Ursprungsversion gar keine Hauptfigur mit diesem Namen besaßen. Emanuela - Dein wilder Erdbeermund ist ebenfalls von diesem Vorgehen betroffen. In der englischen Sprachfassung heißt die Protagonistin schlicht und ergreifend Carol.

Die verwitwete Carol bzw. Emanuela befindet sich mit ihrer jungen Sekretärin auf dem Weg nach Marokko, um das schwere Erbe ihres verstorbenen Mannes anzutreten. Auf dem Flug leiht sie sich das Feuerzeug eines Passagiers, der ihr auch im nordafrikanischen Land immer wieder über die Füße läuft. Peter Smart ist sein Name, dieser ist Programm und so darf Ivan Rassimov in seiner Hauptrolle an manchen Stellen den vor sich hindümpelnden Film allein mit seiner Präsenz retten. Der charismatische Mime reitet, fährt, raucht oder sitzt einfach nur in der Kulisse rum: die Coolness sitzt! Ihn führt der ununterdrückbare Reiz des schnöden Mammons nach Nordafrika. Von einem Freund eingeladen, nur mit seinem Smoking als Gepäck bewaffnet, ist Smart ein risikofreudiger Zocker wie er im Buche steht. Bei einem Pokerspiel ersteht er ein Rennpferd und - wie es der Zufall so will - besitzt Emanuela einen Reitstall mitsamt erfolgreicher Rennpferdezucht und ihre Wege kreuzen sich immer öfter.

An diesem Punkt wird Rassimovs Coolness ein kleines Problem. Seine Figur ist ein Kerl wie aus dem Bilderbuch: ein Traum, eine Blaupause, die beide Geschlechter ansprechen soll, allerdings vor allem das Abbild der Vorstellungen eines hundertprozentigen (Teufels-)Kerls alter Schule ist. Diese (klischeehafte) Kühlheit führt dazu, dass das Buhlen der Figur um Emanuelas Gunst sehr reserviert ist. Der Funke zwischen dem Italiener mit serbischen Wurzeln und der Französin Claudine Beccarie springt nicht über. Die unnahbar wirkende Frau, traumatisiert durch die speziellen Vorlieben und damit zusammenhängenden Geschehnisse um ihren toten Mann und rasend vor Eifersucht, als sich ihre Sekretärin und Affäre Anna einem jungen Burschen zuwendet, wirkt selbst dann noch kühl und distanziert, als sie sich im "großen" Finale Rassimov doch hingibt. Das Dein wilder Erdbeermund den Zuschauer trotz des exotischen Schauplatzes, interessanten Darstellern und der klassisch-pulpigen Geschichte kalt lässt, hat so einige Gründe. Neben der fehlenden Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern ist es Poetis sehr seichte Regie und die ereignislose Abfolge der Ereignisse.

Dem vom Fernsehen kommenden Regisseur, der seine Karriere als Regieassistent bei Ruggero Deodato begann, fehlt es an Gespür für die besonderen Momente und an Kraft. Ich zitiere Oliver Kahn: "Eier! Wir brauchen Eier!" Da es sich um eine Softcore-Produktion und einen gleichförmig mittelmäßig verlaufenden Film handelt, sieht und spürt man die vergebens. Es bleiben zwei bis drei Nebensächlichkeiten hängen, in denen man die ungehemmte Lust italienischer Filmemacher an entfesselten Unglaublichkeiten merkt. Die Rückblende, die Aufschluss über Emanuelas Trauma gibt, gehört dazu. Trotz Giancarlo Ferrando an der Kamera, immerhin Sergio Martinos Stammkameramann in dessen Gialli, ist der Film optisch ebenfalls wenig reizvoll. Hier und da blitzt ein toller Einfall auf, in der ersten Sexszene geht mit Ferrandos wirbelndem Kamerakarussell mit Close Up-Dauerschleife der Teufel durch; insgesamt ist die Fotografie dem Stil des Regisseurs gleich und sehr unauffällig und zweckdienlich.

Wild ist an Emanuela nichts. Für einen Sonntag reicht das gesehene alle mal, um im übermüdeten oder verkaterten Zustand die Zeit vergehen zu lassen. Die Erotikszenen sind - das können die Italiener wissentlich auch ganz anders - ebenfalls sehr brav ausgefallen. Selbst die damals noch weit vor ihrer politischen und Hardcore-Porno-Karriere (by the way: die hatte Hauptdarstellerin Claudine Beccarie hier schon hinter sich) stehende, junge Ilona Staller holt nichts mehr raus. Das interessanteste am Film bleibt das Frauenbild, dass er zeichnet. Die traumatisierte Emanuela, die trotz ihrer Erlebnisse bis zu einem gewissen Punkt mit Selbstbewusstsein und feministisch unabhängig dem männlichen Geschlecht gegenübersteht, wird mit ihrer nihilistischen Sicht beinahe als "FemiNazi" dargestellt und der damals immer mehr aufblühenden Feminismus abgewertet. Emanuela bewahrt sich diese Einstellung bis zum Schluss, was auch eine Erklärung für die unterkühlte Darstellung der Figur ist. Da kann dann selbst Rassimovs Übermann nicht mehr für "Heilung" sorgen und reitet gegen Ende der Dame davon, während die Brüder Maurizio und Guido de Angelis nochmal eine whiskygetränkte Männerstimme seine Liebe zu ihrem Körper über ihr anhörbares Titellied des Soundtracks wispern lassen. Der Rest ist Durchschnitt.

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