Mittwoch, 16. September 2009

Nightmare Beach


It's Spring Break-Time! Und so füllen sich die Strände Floridas mit abertausenden von Studenten, die mal so richtig die Sau raus lassen und feiern möchten, als gäbe es kein Morgen mehr. Ronny und Skip sind zwei davon und während Ronny schon mächtig in Partylaune ist, so hat Skip noch sichtlich an seinem Foul zu nagen, welches seinem Football-Team die Finalteilnahme in der Meisterschaft verhagelt hat. Allerdings wird Spring Break im Urlaubsort der beiden Freunde von einer schrecklichen Mordserie überschattet, bei der ein schwarz gewandeter Motorradfahrer die unzüchtigen Jugendlichen gerne mal mit einer überhöhten Voltzahl röstet. Während der Bürgermeister eher um den guten Ruf und weniger Besucher seiner Stadt besorgt ist, hat die Polizei um den rauhen Gesetzeshüter Strycher einen vagen verdächtigen: die örtliche Rockerbande, die den Tod ihres früheren Chefs auf dem elektrischen Stuhl rächen möchte. Als auch Ronny dem Killer zum Opfer fällt und der Bürgermeister diesen weiteren Todesfall vertuscht, macht sich Skip zusammen mit der Kellnerin Gail auf, selbst nach dem geheimnisvollen Mörder zu suchen.

Damit wird aber auch der Zuschauer in eine übergroße Wanne voll mit den verschiedensten Teeniefilm-Klischees der gesamten 80er Jahre geschmissen, an denen man sich in gut neunzig Minuten ergötzen kann. Am Ende dieses Jahrzehnts waren die verschiedensten Wellen an Filmen, welche eine junge Zuschauerschar anzusprechen versuchte schon längt abgeebbt, allerdings bemerkte irgendwo im südlichen Europa - genauer gesagt Europa - der bei Fans allseits beliebte (aber auch berüchtigte und viel diskutierte) Umberto Lenzi, daß er noch keinen Beitrag zu diesem Trend abgegeben hat. Da wurde als mal flüchtig zusammen mit Vittorio Rambaldi ein Drehbuch zusammen geflickt und dies dann äußerst geschickt mit Hilfe amerikanischer Finanzgeber auch sofort in den USA inszeniert. Merkt man in anderen italienischen Produktionen aus dieser Zeit, welche im Land der unbegrenzten Möglichkeiten spielen, die mediterrane Herkunft deutlich an, so schafft es Lenzi hier fast komplett alle Merkmale einer typischen italienischen Produktion gut zu kaschieren. Bemerkenswert, wenn man doch anhand der relativ dünnen Storydecke annehmen kann, daß das Buch wohl relativ hastig und flüchtig geschrieben wurde.

Eine größere Stärke italienischer Genrefilmer war es aber auch schon immer, eine noch so dürftige Handlung mit einer netten Atmosphäre und teils sehr schönen Inszenierung auszustatten, die dem Zuschauer dann trotzdem schmeckt. So auch Nightmare Beach, der mit einem außerordentlich zuckersüßen Titeltrack zu einem tumben, aber spaßigen Filmvergnügen der einfachsten Sorte einlädt. Fein herausgearbeitete Details in der Handlung oder auch bei den Figuren kann man hier nicht erwarten. Der Handwerker Lenzi, der gerade in vielen Werken aus den 70er Jahren aber auch bewiesen hat das er auch grobes Filmgut mit reichlich Qualitäten herstellen kann, präsentiert eine rustikales Filmwerk mit reichlich Plattitüden. Doch gerade hier wird es auch wieder interessant, denn in bester italienischer Manier ist dies auch wieder so übertrieben und überspitzt, was das wuselige Treiben im Film schon wieder interessant macht. Wie typisch für einen Teenie-Horrorschocker der 80er, ist das Protagonistenduo von gänzlich unterschiedlicher Natur. Ronny ist ein dauergrinsender Sonnyboy, der auch schon vor seinem Plan sich die Gehirnzellen mit reichlich Alkohol wegzuballern, wohl nicht allzu viel graue Zellen besitzt. Doch gerade sein unbekümmertes und positives herangehen an Alltagssituationen läßt den von Rawley Valverde dargestellten Charakter zu keinster Weise zu einer Strapaze für das Nervenkostüm des Zuschauers werden.

Anders Nicholas De Toth als sein Kumpel Skip. Ein ruhiger, nachdenklicher junger Mann, der mit seinem braven Auftreten schon nach einigen Minuten reichlich fehl am Platze in diesem Spring Break-Narrenzirkus erscheint. Während die US-Kollegen nun die sichtliche Bedrücktheit und Niedergeschlagenheit des Charakters mit einem schweren Schicksalsschlag wie Tod eines nahen Verwandten oder ähnlichem erklären, macht sich das italienische Autorenduo einen Spaß aus diesem Klischee, daß durch etliche, verwandte Werke bekannt ist. Durch ein Foul, welches seiner Football-Mannschaft den Einzug ins Finale der Meisterschaft kostete, ist der spätere Held des Films so niedergeschlagen. De Toth agiert im übrigen auch so, als hätte er dadurch ein mittelschweres Traume davongetragen, daß selbst die weltbesten Psychoanalytiker nur schwer heilen könnten. Mit dieser ersten Unglaublichkeit präsentiert sich uns Nightmare Beach in seinen ersten Minuten vor allem als ein lauter, greller Film mit ettlichen kleinen Episode aus dem wilden Treiben des Spring Breaks. Lenzi baut hier einfach mal ein paar Running Gags auf, die er dann in gewissen Zeitabständen einfach immer wiederholt. Das beinahe schon voyeuristische dargestellte Spring Break-Treiben wird dann auch ausführlich dazu genutzt, um junge Mädels in knappen Bikinis oder sogar komplett nackig zu zeigen.

Es erscheint zwar als Füllwerk um die Laufzeit des Films etwas nach oben zu korrigieren, allerdings sind die von Lenzi eingebauten Running Gags wie etwa einem Spaßvogel, der die Menschenschar mit allerlei makabren Scherzen "erfreut", einem mächtig überdrehten Dieb oder einer blonden Schönheit, die Männer anspricht und ihnen von ihrer angeblichen Not erzählt um diese dann mit einigen Nettigkeiten etwas zu schröpfen so eingebaut, daß sie später dann Aufgrund ihrer Lasterhaftigkeit ein gefundenes Fressen für den Killer darstellen. Wie in vielen Slasherfilmen der 80er Jahre so ist auch dieser der moralisch gesteuerte Verfechter aufrichtiger Tugenden, um die Sünden der vielen Jugendlichen nicht einfach nur mit erhobenem Finger, sondern gleich mit dem Tod zu bestrafen. Anders als Michael Myers oder auch Jason Voorhees bleibt er dabei allerdings nicht der mystifizierte Boogeyman und ein Instrument eines äußerst konservativen oder auch nur das schnelle Filmgeld machen wollende Filmteams. Spätestens hier wird dann auch wieder die italienische Herkunft doch deutlich. Immerhin schufen die Italiener mit ihren herrlichen Gialli den Vorreiter der mit Carpenters Halloween oder Cunninghams Freitag, der 13. geschaffenen Slasherfilme. Ganz in der Tradition der Gialli (und einiger Slasher) wird hier am Ende die Identität des Killers aufgedeckt.

Einige Zeitgenossen bezeichnen Nightmare Beach ohnehin als einen späten Giallo aus dem Hause Lenzi. Dieser hat in früheren Jahren zum Beispiel mit dem 1974 entstandenen Spasmo, Orgasmo (1968) oder dem in Deutschland als Edgar Wallace-Verfilmung vermarkteten Das Rätsel des silbenern Halbmonds von 1971, u. a. mit "Schätzchen" Uschi Glas in einer Hauptrolle, waschechtere Gialli abgeliefert. So präsentiert sich Nightmare Beach auch Aufgrund seines gesamten Aufbaus eher als Slasher, der allerdings in den Momenten, in denen der Killer auftaucht, etwas mehr Giallo-Elemente nutzt. Alleine schon dessen Outfit - schwarze, enge Lederkluft und Motorradhelm - erinnert an zwei Kollegen: schon in dem Giallo Die Nacht der blanken Messer (1975) und dem Poliziesco/Giallo-Hybriden Der Tod trägt schwarzes Leder (1974) geht ein Mörder in Motorradkluft um. Waren deren Werkzeuge allerdings allerlei Hieb- und Stichwaffengedöns, so ist das Mordwerkzeug in Nightmare Beach gleichzeitig der fahrbahre Untersatz des schwarzen Mannes. Da die Opfer mit dem Motorrad zu überfahren für italienische Verhältniss viel zu langweilig und unspektakulär ist, hat man aus dem heißen Ofen eine Art fahrbahren elektrischen Stuhl gemacht. Der hohe Sitz und einige Elemente der Maschine sind durch einen einfachen Knopfdruck blitzschnell unter Strom geschnellt. Doch auch wenn das Motorrad nicht benutzt wird, wird den unmoralischen Opfern mit Elektrizität, Feuer oder anderem zu Leibe gerückt.

Was Lenzi allerdings ausdrücklich vergessen hat, ist die Spannung. Nightmare Beach ist gänzlich unspektakulär, kommt ohne große und überraschende Wendungen aus und somit ist auch die Identität des Mörders relativ leicht vorauszusehen. Nur in ein bis zwei Szenen schafft es der Italiener, seinem Werk etwas Suspense zu verleihen, doch hält dies nicht lange an. Dafür schafft es der Soundtrack, die Szenen mit dem Killer aufzuwerten. Bestechen doch einige italienische Horrorfilme der 80er Jahre wie Lamberto Bavas Demoni oder Argentos Phenomena, in Spannungsmomenten Songs von damals aktuellen Metal-Bands einzusetzen, geht Lenzi hier einen anderen Weg. Während in normalen Szenen der Sound vom in den 80ern so beliebten Hair Metal von Animal, Rondinelli und anderen Bands durch die Boxen bläst, hat man dann, wenn es drauf ankommt, auf einen Routinier gesetzt: Claudio Simonetti, der Filme entweder allein oder mit seiner Band Goblin soundtechnisch mehr als nur aufgewertet hat, gibt sich auch hier mal wieder die Ehre. Dabei ist das Stück, wenn der Killer auftaucht, äußerst einfach, aber auch recht wirksam. Nicht nur das es schnell ins Ohr geht: es baut die Szenen auch in sofern aus, daß es ihnen mehr Dynamik verleiht. Allerdings wirkt es zum Ende hin doch auch etwas ermüdend aufgrund seines Dauereinsatzes, verliert allerdings nicht an Wirkung.

Wirkung hat auch Nightmare Beach, wenn es jemanden darum geht, sich den Abend mit einem gelungenen Trashfilm zu versüßen. Er ist verglichen mit seinen anderen Werken ein eher mäßiges Produkt Lenzis, welches allerdings genügend Kurzweil mit lustigen Allerlei bietet. Gerade der Umstand, daß so ziemlich jede Figur der Obrigkeit, egal ob der Bürgermeister, ein Arzt oder auch Genreveteran John Saxon als fieser Bulle Dreck am Stecken hat bzw. das Gesetz nicht so genau nimmt, sorgt für gehörig Zunder. Gerade letzterer hat so einige herrliche Szenen zu bieten. Scheint seine Rolle zu Beginn nur deshalb zu existieren, um immer genau im richtigen Moment, wenn es Ärger gibt, urplötzlich mit dem Polizeiauto vorzufahren (es zeugt von einem polizeilichen sechsten Sinn, der den Zores nur so riechen kann), so wandelt sich seine Figur des Strychers zu einem korrumpierten Bullen, der das Gesetz nach seinem Gutdünken auslegt und dabei der verlängerte Arm des nur am durch die vielen Touristen gemachten Profit interessierten Bürgermeisters ist. Die kleine Stadt bzw. deren Bedienstete scheinen versunken im Sündenpfuhl, haben so einiges schmutziges hinter der eigentlichen sauberen Fassade zu verstecken, was auch wieder ein typisches Giallo-Element darstellt. Ist es doch auch dort nicht gerade selten der Fall, daß viele Charaktere nicht gerade die brävsten sind und einige Leichen im Keller haben.

Auch Saxons Konfrontationen mit der örtlichen Rockergruppe sind übrigens kleine Highlights, sind dort doch die eigentlich eher sehr einfachen und drögen Dialoge auf einmal von allerlei seltsamen und kultigen Sprüchen durchzogen. Dabei glänzen de ganzen Darsteller der Rocker, allen voran aber Luis Valderrama als Dawg durch ein Overacting, welches einem nicht gerade selten ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Insgesamt sind die mimischen als auch die technischen Leistungen zwischen okayem und unterem Durchschnitt angesiedelt. Zwar ist Nightmare Beach ohnehin nur trashige Film-Fast Food, doch leider agiert das Protagonistenpärchen De Toth und Sarah Buxton etwas zu hölzern. Während Buxton immerhin noch ein hübscher Blickfang ist, nimmt man dem meistens nachdenklich in die Kamera schmachtenden Skip nur selten sein Heldentum abnehmen. Was wohl Herrn De Toth irgendwann dazu bewogen hat, hinter die Kamera zu wechseln und dem Schnitthandwerk zu fröhnen. Immerhin ist dieser nun unter anderem der Cutter von Big Budget-Produktionen wie Into The Blue, Underworld: Evolution oder noch recht aktuell X-Men Origins: Wolverine. Da hätte er sich mal ein Beispiel an John Saxon nehmen sollen, geht er doch in der überzogenen Rolle des ständig fies und schlecht gelaunt dreinschauenden Polizisten ziemlich gut auf.

Während wohl die Mehrheit aufgrund seiner sehr einfach gestrickten Konstruktion wohl schnell mit der weißen Fahne wedeln und aufgeben, so kann doch wenigstens der geneigte Trashfreund Lenzis Nightmare Beach einiges abgewinnen. Booze, Chicks, Sleaze and a little bit of Gore sind hier die Rezeptoren die verbunden mit einer recht dynamischen Umsetzung und einer unverkennbaren, herrlichen 80er Jahre-Atmosphäre dem Werk einige Trashqualitäten schickt. Der Film ist eine einziges 80ies Horrormovie-Best of und könnte, wenn Lenzi die Geschichte etwas spannender und nicht so relativ dröge umgesetzt hätte, sogar ein richtiger Kracher sein. So bleibt für den Italo- und B-Film-erprobten Filmfan ein grobes Stück Film für einsame oder gesellige Trashnächte.
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