Credits

Sonntag, 31. Januar 2010

Mad Foxes


Immer frisch geföhnt braust Hal mit seinem schnittigen Stingray durch die Straßen und schleppt so ein Mädel nach dem anderen ab. Als er gerade mit seiner Freundin Babsy an ihrem 18. Geburtstag auf dem Weg in die Disco ist, wird er an der Ampel von einigen schmierigen Motorradrockern dumm von der Seite angemacht. Einer der verwegenen Recken zieht beim Rennen mit Hal den kürzeren, wummst gegen einen parkendes Auto und katapultiert sich geradeaus über den Jordan. Das können seine Kumpels natürlich nicht auf sich sitzen lassen und schwören Rache. Sie lauern ihm und seiner Freundin nach der Disco auf, verprügeln Hal und vergewaltigen Babsy. Hal schlägt zurück, als er mit den Schülern seines Kumpels, welcher eine Karateschule betreibt, die Rocker aufsucht und übel aufmischt. Doch damit ist noch lange nicht genug. Mit dieser Aktion hat Hal die verfeindeten Motorradrüpel noch mehr verärgert, welche nun zu einem grausamen Gegenschlag ausholen...

Und wer nun gedacht hat, dass die Schweiz ein so braves und biederes Land war und ist, der hat sich mächtig geschnitten. Auch wenn man beim Stichwort "Schweizer Film" bestimmt zuerst an sowas wie Heile Welt-Heimatschmonzetten, wie sie auch in hiesigen Produktionsstudios in den 50ern und 60ern hergestellt wurden, vorstellt, so täuscht man sich gewaltig. Es ist vielleicht nicht zu vergleichen mit dem immensen Output aus Italien, Spanien oder auch Großbritannien, doch auch der deutschsprachige Raum - darunter eben auch das Ländle der Eidgenossen - hat so einige exploitative Filmleichen im Keller liegen. Selbst vor nekrophilen Anspielungen machten die schweizer "Schmuddelfilmer" nicht halt und das in einer Zeit, in der Jörg Buttgereit noch nicht im Traum daran dachte, Filme wie Nekromantik zu drehen. In Mosquito - Der Schänder (1976) ist es ein auf Taubstumm getrimmter Werner Pochath, der seinen seltsamen Fantasien freien Lauf läßt und fröhlich mit einem Glasröhrchen an frischen Frauenleichen nuckelt. Guru der schweizer Exploitationszene ist allerdings der Produzent, Darsteller, Regisseur und Autor Erwin C. Dietrich. Seit Mitte der 50er widmete er sich zum größten Teil dem produzieren neuester filmischer Werke, sprang dabei unter anderem auch auf die Welle von Softsex-Filmen auf und hatte mit Die Nichten der Frau Oberst (1968) einen großen Kassenschlager vorzuweisen. Auch wenn er somit etwas in der Schmuddelecke festsaß, konnte es sich Dietrich - der unter anderem auch mit dem spanischen Vielfilmer Jess Franco zusammenarbeitete - dort sehr gemütlich machen und produzierte bis in die späten 90er Jahre weiter Filme.

Anfang der 80er wurde auch durch so manche Sleazebombe aus Übersee oder aus dem Mittelmeer-Raum (sprich: Italien) der Ton in den Bahnhofskinos zwischen Flensburg und Garmisch ruppiger und die Gewalt graphischer. Klar, dass Dietrich dem nicht wort- und tatenlos zusehen konnte. Schon die von Franco gedrehten Filme - sofern sie wie dessen Jack The Ripper: Der Dirnenmörder von London (1976) ins Horrorgenre eingeordnet werden konnten - waren etwas offener beim zur Schau stellen von äußerst ekeligem Kunstbluteinsatz. Fünf Jahre später war dann ein gar unglaublicher Action-/Thriller-Mischmasch mit noch unglaublicheren Rockern der neueste Scheiß, den man gesehen haben musste. Die Mad Foxes knatterten mit ihren Boliden in die Lichtspielhäuser und ließen mit Sicherheit den ein oder anderen Zuschauer recht verstört nach dem Filmvergnügen zurück. Denn so ein oberflächliches Stück Film mit solch selbstzweckhaften Szenerien hatte es schon lange nicht mehr aus dem deutschsprachigen Raum gegeben. Der Erwin wusste halt, wo der Hammer hängt und wie man viele Leute ins Kino locken konnte.

Dabei ist das Rezept in diesem Fall äußerst simpel: harte Kerle, röhrende Rockmusik der schweizer Hardrock-Kombo Krokus, fesche Frauen und ein ebenso geil anzuschauendes Vehikel. Fertig ist damit die Grundbasis von Mad Foxes, die mit einer ordentlichen Portion Bad Taste gewürzt wurde. Trash as trash can lautet da die Devise und von den ersten Momenten an, die sich da nach den Credits auf der heimischen Mattscheibe anbahnen, weiß der Gourmet, dass dieses Süppchen hier äußerst deftig ausfallen und bei wohlerzogenen Cineasten für rote Ohren sorgen wird. Sonnyboy Hal ist da gerade noch am Schmusen an der roten Ampel, als auch schon die Rockerbande angeknattert kommt und einige Sprüche zum Besten geben. Dabei verliert man Gott sei Dank nicht allzu viel Zeit und kurz darauf später haben wir auch schon den Grund, weswegen nun die Gewalt das Zepter in die Hand nimmt. Beim Rennen mit dem schnittigen Stingray reagiert eine der Rockergurken nicht ganz so schnell und donnert gegen ein Auto, befördert sich ins Jenseits während seine Mühle zu einem spontanen Lagerfeuer explodiert. Gut ausgearbeitet muss hier das Skript auch gar nicht sein, immerhin wollen wir kein minutenlanges, nur die Füße einschlafen lassendes Geblubber, sondern immer derbes Haudrauf-Kino der schundigsten Art.

Dies bekommt man bei Mad Foxes auch mit Sicherheit geboten. Bei der folgenden Prügelei und Vergewaltigung wird der Film schon äußerst asozial und schafft es immer wieder locker, zu diesem Niveau zurückzukehren. Selbstzweckhaft und ohne großen, anmahnenden Hintergedanken zelebriert man hier ja schon fast das, was die "niederen Instinke" des durchschnittlichen Zuschauers ansprechen soll. Es spricht aber auch den Freund an trashigen Filmchen an, der bei solch filmgewordenem Schundroman freudigst Pipi in die Augen bekommt. Tränen vergießt der Filmfreund wohl bei der Qual, sich sowas weiterhin anzuschauen während ein nicht gerade geringes Klientel Mad Foxes frenetisch abfeiert. Perfektionistischer Sleaze, schludrig in der Ausführung und zweifelhaft im Aufbau der ach so dünnen Geschichte, die allerdings mit immer neuen Unglaublichkeiten aufwartet. Die vergewaltigte Freundin vergißt Hal schnell wieder, immerhin kann er mit seiner hübschen Schnute und seinem vierrädrigen Penisersatz immer wieder heiße Mietzen mitnehmen. Darunter auch Sally, die mit ihrer Bekanntschaft durch die Lande trampt, diese aber beim verführerischen Angebot Hals diese aber prompt auf der Landstraße stehen läßt. Wenn so ein Geschoß um die Ecke biegt, kann man ruhig auch mal ganz oberflächlich werden und dem glitzernden Pomp verfallen. Regisseur Paul Grau, ohnehin wohl nur eines der vielen Pseudonyme von Dietrich, versteht es dabei wirklich gut, zügig durch die Story zu brettern um so die Langeweile abzuhängen.

Glücklicherweise (für den Zuschauer) kann Strahlemann Hal allerdings zwischen sich und seinen schlecht gelaunten Rockerbekanntschaften zwar einigen Abstand aufbauen, diese aber nie so richtig abhängen. Die wohl aus der randvollen Klischeekiste gekrabbelten Nasen versüßen mit einer ordentlichen Portion unpolitical correctness die Handlung des Exploiters dermaßen, dass es eine wahre Pracht ist. Ohne jegliche Moral rauben, vögeln, fluchen und morden die Jungs auf ihren Zweirädern durch die spanischen Locations. Auch einige Oneliner entfleuchen dabei den Mäulern der Rocker, die so nur noch mehr Sprit ins fröhlich lodernde Exploitationfeuer sprühen. Man könnte sie auch als heimliche Star des Films bezeichnen, immerhin ist deren Overacting noch eine ganze Ecke netter als das von Hauptdarsteller José Gras, der in den Credits als Robert O'Neal auftaucht. Dabei kann Gras ausführlich seine diversen Partnerinnen abschlabbern und betatschen. Die Kamera ist dabei immer mit Elan dabei und hält freudig auf die heißen Stellen drauf. Neben ordentlich nackter Haut wird Mad Foxes ordentlich garstig und spätestens bei der Tat, die Hal zur endgültigen Rache an den Rockern bewegt, lassen Regisseur und Autoren ordentlich die Sau raus. Diese scheinen nach dem goutieren der Vorbilder von Mad Foxes - einige wohl mehr oder minder kleinere und größere Schinken mit Revenge-Motiven - ordentlich beflügelt gewesen zu sein.

Trotzdem geht ihnen hier und da doch etwas die Puste aus. Auch wenn Mad Foxes ein wahrlich unglaubliches, kurzweiliges Trashfest für hartgesottene Allesglotzer ist, so kann er keinen Hehl daraus machen, dass es auch weitaus bessere (und weiterhin trashige!) Vertreter seiner Zunft gibt. Atmosphärisch und technisch ist dieser sympathische Schmu auf einem wirklich guten Level. Seinen Charme zieht er dabei nicht nur aus seinem Low Budget-Charakteristikum sondern auch aus der Tatsache, dass er sehr unperfekt bzw. ungeschliffen daher kommt. Die Logik ist nicht wirklich der größte Freund, was man Beispielsweise schon an den Armbinden der Rocker merkt. Mal ist das böse Hakenkreuz darauf zu sehen, mal nicht! Zudem bleibt der Protagonist für den Zuschauer nicht wirklich greifbar und schafft es auch nicht, die schweizer Groschenvariante von Charles Bronson und Co. zu werden. Es bleibt zu diesem eine ungeheime Distanziertheit, so dass das Rachemotiv weder wirklich gut ausgearbeitet, noch richtig intensiv die ganze Zeit über im Film schwebt. Wenn dann auch wie zum Anfang urplötzlich einige gräßlich angezogene Menschen zu fetzender Rock'n'Roll-Mucke über den Bildschirm wirbeln, weiß man, dass manche Szenen trotz der kurzen Laufzeit des Filmes wohl nur Füllmaterial sind.

Überraschend, immerhin bietet Mad Foxes zwar nichts innovatives, aber doch ordentliche Hausmannshost für den Exploitationgourmet. So ist es wirklich verwunderlich, dass im Drehbuch trotzdem einige verlegen in den Stoff eingewebte Füllszenen im auch als Stingray 2 bekannten Werk vorkommen. Auch wenn der nicht wirklich eine dichte, intellektuelle Substanz besitzt, so ist diese Art der Substanzlosigkeit doch dafür ausschlaggebend, dass er ein zwar gut anzuschauendes Werk ist, ihm aber doch irgendwie das gewisse Etwas zum wahren Trashknaller fehlt. Da wurde aus Souveränität wohl auch etwas Schludrigkeit beim Abdrehen des Films. Die Hingabe vermisst man, auch wenn Mad Foxes trotzdem gut unterhalten kann und dabei auch wirklich Spaß verbreiten an. Hätte man den Fehler gemacht und ihm noch einige Minuten geschenkt, würde er also länger gehen, so wäre das Werk wohl eher ein Griff ins Klo. Dürfte er für Puristen wohl auch sein, doch die Trash liebende Wildwutz suhlt sich gerne in solch angenehmen Filmschmodder. Der Film geht also durch und durch okay und wird wohl weiterhin seine Fans zufrieden mit einem großen Grinsen vor der Mattscheibe zurück.