Donnerstag, 5. August 2010

Ohne Dollar keinen Sarg

Dem gemeingefährlichen Banditen José Gomez steht der Transport in das Hochsicherheitsgefängnis nach Yuma bevor. Doch der schon einmal beinahe geflohene Ganove nutzt bei einer Rast an einem Hof die Gelegenheit und türmt durch die Hilfe einer hübschen Dame und seiner alten Kumpels abermals und richtet dabei die Gesetzeshüter aufs brutalste hin. Allerdings hat Gomez nicht die Rechnung mit Luke Chilson gemacht. Dieser ist ein entschlossen auftretender Kopfgeldjäger, der nur zu gerne die 3.000$, die auf Gomez ausgeschrieben sind, einstreichen würde. Bei dem Hinweis, dass eine junge Frau die Helferin war, fällt ihm Jean wieder ein, welche in einem fast verlassenen Nest einen Gasthof betreibt, wo er vor einigen Tagen schon einmal eingekehrt ist. Sein Gespür scheint ihn auch nicht zu trüben, doch die Leute auf dem Hof haben ein sehr verklärtes Bild von Gomez. So stößt Chilson auf breiteste Ablehnung und hat alle Hände voll zu tun, den gerissenen Verbrecher dingfest zu machen.

Auch wenn man es hier mit einem waschechten Italowestern zu tun hat, ist diese italienisch-spanische Co-Produktion im großen und ganzen hinter den Kulissen in den Händen der Iberer gewesen. Allen voran der 1925 geborene Regisseur Eugenio Martin, der hier - der besseren internationalen Vermarktung wegen - auch ab und zu unter dem Pseudonym Gene Martin genannt wird. Nach seinem Debüt Unter der Flagge der Freibeuter (1960) verweilte der Spanier im Abenteuer-Genre bis es ihn zu den Italowestern zog. Diese waren Mitte der 60er eben angesagt und der auch als The Bounty Killer bekannte Ohne Dollar keinen Sarg stellt den Einstand in das staubige Subgenre dar. Es folgten Requiem für Django (1968) den er zusammen mit José Luis Merino inszenierte sowie Drei Halleluja für vier heiße Colts (1972) und dem 1971 enstandenen Matalo (1971) den man allerdings nicht mit einem anderen, gleichnamigen Film der in Deutschland als Willkommen in der Hölle bekannt ist, verwechseln darf. Martins bekanntester Streifen dürfte der Horrorfilm Horror-Express (1974) mit den Stars Christopher Lee, Peter Cushing und Telly Savalas zählen. Martin machte noch den ein oder anderen Film, bis er sich Anfang der 80er sehr aus dem Geschäft zurück zog bevor er 1996 mit La sal de la vita einen weiteren Eintrag in seine Filmographie hinzufügte.

Neben Martins Einstand in das Italowestern-Genre war Ohne Dollar keinen Sarg dies auch für den gebürtig aus Kuba stammenden Mimen Tomas Milian. Der wandelbare Schauspieler ist es dann auch, der diesen Film trägt und übrigens im gleichen Jahr auch noch in Sollimas Klassiker Der Gehetzte der Sierra Madre brillierte. Auch wenn man diesen Begriff nicht überstrapazieren sollte, so könnte man ihn auch ruhigen Gewissens bei vorliegendem Werk benutzen. Von der ersten Minute an versteht es der Kubaner, seiner Figur eine gewisse Scheißegal-Attitüde zu implizieren, die sich ganz locker und gelassen gibt. Gomez ist allerdings auch eine allseits bekannte Zeichnung des Antagonisten. Nicht allein wegen der smarten Befreiungsaktion scheint er sich mehr als auf der sicheren Seite zu wähnen. Ein typischer Größenwahnsinn scheint ihn da zu befallen, so dass er seine üblen Pläne auf die leichte Schulter nimmt und es auch als selbstverständlich ansieht, einfach mal eine Bank zu überfallen. So rechtfertigt er sich auch bei den Bewohnern bzw. Besitzern des Gasthofes, auf dem er unterkommt. Er bezahlt sie und auch die Verpflegung und andere Dinge, die er und seine Kumpanen benötigen. Da reitet man mal eben über die nicht weit entfernte mexikanische Grenze und plündert eine Bank. Dies sei eine seiner leichtesten Übungen.

Das er trotz seines mehr als rüpelhaften Verhaltens von den Leuten dort geduldet wird, liegt auch an seiner Vergangenheit. Diese und gerade auch die weibliche Hauptfigur, die von Halina Zalewska dargestellte Jean, kennt Jose noch als armen Jungen, dem das Schicksal schrecklich mitgespielt hat. Da wird auch dessen Mord damit heruntergespielt, dass er schließlich von einem betrunkenen Yankee provoziert wurde. Das Bild ist verklärt doch die Ernüchterung kehrt mit der Ankunft Joses bei den dort Ansässigen ein. Schnell bemerkt man eine gewisse Skepsis unter den weiteren Figuren, einzig und allein Jean hält an ihrem Jose fest. Doch Tomas Milian legt eine schöne Leistung hin wenn es darum geht, zu zeigen, wie unschuldig er doch eigentlich ist. Da kommt ihm natürlich auch der Kopfgeldjäger Luke Chilson recht. Schon bei seinem ersten Auftritt auf dem Hof, der neben dem bergigen Umland übrigens die einzigste Location im gesamten Film ist, kommt er nicht gerade sympathisch rüber. Seine entschlossene Art ist sogar für den Zuschauer auf den ersten Blick sogar etwas nervig. Bei seinem zweiten Auftauchen hat er natürlich dann sämtliche Sympathien gegen sich, da ja noch das Bild des "armen" Jose-Büblein vorherrscht. Dies nutzt dann der Gesuchte gnadenlos auf und hetzt wo es nur geht gegen seinen Jäger. Dieser wird von Richard Wyler mit ziemlich stoischer Mine dargestellt. Bekannt wurde der Brite durch die TV-Serie Der Mann von Interpol bevor er dann in einigen Italowestern vor der Kamera stand. Sein limitiertes Spiel kommt ihm hier sogar noch etwas zu Gute, paßt es doch wirklich gut zu dem markigen Auftreten seiner Figur. Trotzdem bleibt er allerdings auch im Vergleich zu manchen Nebendarstellern eher schwach.

Schwach bleibt auch der Spannungsbogen von Ohne Dollar keinen Sarg, der nie so wirklich nach oben ausreißen will. Die Geschichte ist so schon recht interessant, schafft es allerdings nicht, dass der Funke richtig überspringen will. Der eher auf zünftige Action stehende Westernfreund schaut hier ohnehin in die Röhre, bis auf ein/zwei Szenen neben dem Finale gibt es so gut wie keine Schießereien zu begutachten. Das brutale Herrschen auf dem Gut nach dem Eintreffen von Joses Helfern ist simpel ausgedrückt allerdings auch nicht von schlechten Eltern. Gerade Chilson wird so manches Mal sehr übel mitgespielt. Der Film ist eher also ein psychisches wie teils auch physisches Duell zwischen Jäger und Gejagtem mit dramatischen Untertönen. Mit gemächlichem Tempo schildert er auch, wie sich die Verhältnisse zwischen den Hofbewohnern und dem Banditen-Obermufti langsam ändern und sich leichte Rebellion in deren Reihen gegen diesen bildet. Regisseur Martin gelingen so wirklich interessante Ansätze, allerdings schafft er es nicht, auch in den dialoglastigeren Szenen, den Zuschauer wirklich mitzureißen. Es bleibt eine gewisse Distanz da, auch wohl deswegen, dass wie beschrieben Protagonist Chilson irgendwo immer auch ein Unsympath bleibt. Nur zum Ende hin wendet sich langsam das Blatt und man fühlt etwas mehr mit ihm mit. Doch hier ist es leider schon etwas zu spät und kann den Film auch nicht mehr retten. Etwas mehr Pepp hätte da gut getan.

Potenzial hat der Film auch auf technischer Seite. Hinter der Kamera stand Enzo Barboni, der unter dem Pseudonym E. B. Clucher bei so einigen Terence Hill/Bud Spencer-Streifen auf dem Regiestuhl saß. Schon gleich zu Beginn zeigt uns Barboni, dass er auch ein durchaus fähiger Kameramann war. Die Kameraarbeit zeichnet sich hier durch einige gute, extreme Nahaufnahmen aus, die durch ihre Positionierung allerdings immer noch einiges an Dynamik und Plastizität mit sich bringt. So bietet Ohne Dollar keinen Sarg immerhin wirklich noch einige tolle Bilder. Dabei muss man sagen, dass auch hier das Niveau nicht komplett gehalten werden kann. Einige schöne Einstellungen und tolle Bilder zum Trotz pendelt man sich auch hier zum größten Teil auf (über-)durchschnittlicher Qualität ein. Gerade der etwas holprige und unrhythmische Schnitt ist es, der dem Film keinen großen Gefallen tut. Dieser trübt dann schon so manches Mal die Freude über so einige gelungene Einstellungen. Dafür kann allerdings Stelvio Cipriani mit einem recht gefälligen Score überzeugen. Zwar auch nicht seine beste Arbeit, aber keine große Qual für die Ohren, wenn man möchte. Das wiederkehrende Titelthema erweist sich dabei sogar als klitzekleiner Ohrwurm.

Möge man nun eine bekannte Redewendung als Urteil über Martins Werk bemühen, so kann man sagen, dass dieses weder Fisch noch Fleisch ist. Gerade das Spiel von Milian kann den Film vor dem Versinken in das teils undurchschaubare Italowestern-Mittelmaß noch etwas retten, allerdings die wohl von der heißen Wüstensonne geräderte Dynamik bleibt hier auf der Strecke und kriecht - um beim Genre und dessen Metaphorik zu bleiben - kraftlos im Staube. Hin und wieder bäumt sie sich auf, schafft es allerdings nicht, sich komplett wieder aufzuraffen. Schade möge man sagen, denn mit etwas mehr Finesse bei Eugenio Martin wäre hier noch etwas mehr drin gewesen. Da kommt auch das Finale dann etwas urplötzlich daher, obwohl man die Entwicklung natürlich - trotz gut gemeinter Ideen bleibt die Geschichte eben auch doch etwas vorhersehbar - zwischen Gomez, Chilson und Jean in manchen Teilen doch recht ansprechend umgesetzt hat. Potenzial ist vorhanden, man sollte auch durchaus mal einen kleinen oder sogar größeren Blick riskieren. Trotzdem bleibt der Film allerdings eher ein überdurchschnittlicher Italowestern, der einzig und allein von Milian und seinen teils schönen Einstellungen gerettet wird. Denn so manche tolle Idee in der Geschichte bleibt, gerade auch bei einigen Hintergründen der Nebenfiguren, leider auf der Strecke.
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