Montag, 4. April 2011

Necronos - Tower of Doom

Lassen wir doch mal etwas die Zahlen sprechen. Für diese deutsche Independent- bzw. Amateur-Produktion hat man zwei Monate für den Location-Check gebraucht, der Aufbau der Kulissen hat nochmal einen Monat mehr gedauert. Was einem bei dem Film erwartet, sagen folgende Zahlen. Den benötigten 500 Gramm künstlichen Spinnweben stehen 100 Meter (künstliche) Gedärme und mehr als 300 Liter Kunstblut gegenüber, die für die Produktion gebraucht wurden. Zwei Burgen, eine Burgruine, unterschiedliche Stellen am ansonsten so friedlichen Rheinufer und einige Wohnungen mussten als Drehorte herhalten. Dabei sollte man sich immer vor Augen halten, dass es sich bei Necronos wie Eingangs schon erwähnt um eine Low Budget-Produktion ohne professionellen Hintergrund handelt. Abwertend von einigen immer als "Wald und Wiesen-Horror" bezeichnet, um das ganze aufzuwerten kann man es eben Indie-Horror nennen oder so neutral wie möglich einen Fan- oder auch eben Amateurfilm.

Es ist dabei ja sehr verständlich, dass so manche Fans nicht einfach nur mehr den alten und neuen Horrorstoff, der da so monatlich auf den Markt schwappt, goutieren wollen. Dass sie der Tatendrang packt und auch mal einen Film machen wollen. Dieser Umstand besteht ja fast schon so lange wie das Medium Film selbst. Trotzdem sieht es nach all den Jahren in Deutschland, anders als vielleicht in den USA, immer noch sehr mau mit dem filmischen (Fan-)Nachwuchs aus. Da kam in den 80ern der zwischen Splatter, tiefsten Underground und Autorenfilm pendelnde Jörg Buttgereit mit Nekromantik (1987) und einigen anderen Werken um die Ecke, der immer noch recht alleine für sich steht und die Kollegen meilenweit hinter sich läßt. Irgendwann kam dann die zweite Garde, die heute noch Filme macht aber von den Fans der Szene entweder geliebt oder gehasst werden, egal ob diese Olaf Ittenbach, Timo Rose, Andreas Bethmann, Andreas Schnaas oder Jochen Taubert heißen. Wobei den letzten zwei weitgehend von jedem jegliches Talent abgesprochen wird. Der Nachwuchs dieser germanischen Splatter-Veteranen steht allerdings schon in den Startlöchern.

Einer davon heißt Marc Rohnstock, welcher mit Necronos - Tower of Doom seinen dritten Langfilm fertiggestellt hat. Die Anfangs ausgepackten Zahlen lassen ja schon mal staunen, mit welcher Sorgfalt und welchem Fleiß man hier versucht hat, den großen kleinen Streifen bzw. deren Machern aus dem Filmdschungel nachzueifern. Das Problem der deutschen Low Budget-Szeneproduktionen ist allerdings, dass ihnen jegliche Innovation und auch meist das Gespür für das Genre fehlt. Bis auf einige Ausnahmen hat man es vornehmlich mit Dämonen und/oder Zombies zu tun. Zweite sehr kostengünstige Variante einen eigenen Film zu drehen, ist das Slashergenre. Sicherlich, viele Ideen scheitern auch am mangelnden oder auch begrenzten Geld, doch vor zwanzig Jahren war es dem durch die Herr der Ringe-Verfilmung bekannt gewordenen Peter Jackson noch möglich, mit einigen Freunden am Wochenende in einem Zeitraum von gut drei Jahren sein Debüt Bad Taste zu realisieren. Da fragt man sich, wieso sowas in Deutschland eigentlich nicht möglich ist? So stellt man doch schon etwas gelangweilt fest, dass auch Necronos im Dämonen/Zombie-Einheitsbrei rumschwimmt.

Der titelgebende Hexenmeister wütete einst im finsteren Mittelalter, schloss einen Pakt mit dem Leibhaftigen und opfterte diesem in grausamen Ritualen so manche unschuldige Seele, um eine Armee von Untoten zu schaffen um somit die Menschheit zu unterjochen. Auf der Gegenseite stand ein dadurch nicht gerade erfreuter König, der einige seiner tapfersten Recken losschickte, um Necronos einzufangen. Dies gelang ihnen auch und ihm blühte die gerechte Strafe: seine zerstückelten Überreste wurden verbrannt und er somit für immer gebannt. Pustekuchen! In unserer Zeit hat er sich mit Hilfe von Goran, einem Blutdämonen, in einer Burg gemütlich gemacht und arbeitet daran für seinen Meister, wieder der Beelzebub persönlich, eine Armee von Untoten zu erstellen um die Macht über die Menschen zu erlangen. Um aber eine wirklich starke Streitmacht für die Umsetzung des Plans bereitstehen zu haben, sucht Necronos mit der Hilfe einer Hexe nach einer "Auserwählten": einer Jungfrau, die ebenfalls eine Hexe ist und in deren Blut besonders starke Kräfte innewohnen, mit denen dem diabolischen Gespann der Sieg über die Menschheit gewiss zu sein scheint.

Rohnstock müht sich, dieses ja durchaus bemüht fantasievoll ausgearbeitete Storykonstrukt auf insgesamt zwei Stunden zu Strecken. Doch so richtig durchdacht, feinfühlig oder sogar komplex ist die Geschichte alles andere. Der Einstieg gelingt noch recht gut mit der Erklärung der Vorgeschichte, welche mittels Texttafeln und Spielszenen dem Zuschauer nähergebracht wird. Man sollte allerdings nicht unbedingt ein großer Freund korrekter Rechtschreibung sein, findet man bei näherer Betrachtung auf den Tafeln schon den ein oder anderen Fehler. Schon hier macht der Regisseur auch klar, worum es in seinem Machwerk eigentlich geht. Drei nackte Frauen sind besudelt voller Blut an der Wand gekettet, während auf den Tischen seines Gemachs tote Leiber liegen. Einer Leiche entfernt er gerade einen Augapfel und wirft diesen in einen dampfenden Kessel. Man wartet eben nicht lange ab, und präsentiert dem Fan dass, was er auch erwartet. Eine ordentliche Schlachtplatte, Kunstblut im Minutentakt und Enthauptungen am laufenden Band. Zwischendurch ein schäbig aussehender Zombie und langsam kommt man auch auf das ganze Problem der deutschen Szene. Diese scheint immer noch im Jugendalter, scheint förmlich in ihrer pubertären Phase gefangen zu sein und dürstet so fernab jeglichen Anspruchs nach ordentlich Blut und Gekröse. Entweder traut man sich zu wenig, scheint sich nicht für anspruchsvolleren Stoff zu interessieren oder traut sich gar nicht zu, solchen umzusetzen.

So spult Rohnstock nach den Anfangscredits die übliche Leier an Dämonen, Zombies und ordentlich "Guts and Gore" ab. Wobei man ihm attestierten muss, dass dies einigermaßen routiniert geschieht. Die Technik hat man im Griff und glücklicherweise verzichtet man weitgehend darauf, die Geschichte in den angrenzenden Heimatwäldern, wie so viele Kollegen aus der Amateurszene es machen, spielen zu lassen. Mit noch etwas mehr Sorgfalt hätte man aus den Drehorten sogar noch etwas mehr rausholen können. Wie so viele andere Filme auch, krankt Necronos an dem Umstand, dass das Digitalvideo-Material in keinster Weise Atmosphäre transportieren kann. Man kann dies allerdings noch so einigermaßen umschiffen, auch wenn man der Dämonensaga die insgesamt eher kostengünstige Umsetzung ansieht. Hier wäre vielleicht weniger etwas mehr gewesen und so manches kleine Detail wächst zu einer amüsanten Unzulänglichkeit. So kann man sich schon die Frage stellen, wieso ein solch grausamer Blutdämon eigentlich die ganze Zeit einen Rollkragenpullover trägt. Im Gegenzug ist die Darstellung des Necronos ganz gut gelungen. Hier und da gelingt es dem Team um Rohnstock, aus den Gegebenheiten noch einiges rauszuholen. Doch man ermüdet den Zuschauer einfach viel zu schnell. Hartgesottene Splatterfans dürfen sich an den wiederkehrenden Kunstbluteskapaden erfreuen, wer noch etwas mehr als nur Gore erwartet, der erlebt Necronos als Geduldsprobe. Es geht halt einfach nur darum, dass der Hexenmeister entweder mit seinem Meister die Umsetzung des Plans bespricht oder seine Helferlein, Goran und eine Hexe, herumkommandiert ihm Opfer für seine Armee oder die Auserwählte zu finden.

Meist erlebt man dann, wie der Rollkragendämon irgendwelchen armen Unschuldigen nachstellt, einfägt und entweder an Ort und Stelle um die Ecke bringt oder erstmal noch zum Unterschlupf schleppt um diese dort dann zu malträtieren. Dies ist ohnehin ein gutes Stichwort. Necronos steht unter dem Einfluss der alten Horrorschule und neueren Produktionen aus der Richtung des Tortureporns, wobei man allerdings eher ältere Produktionen zitiert. Einer jungen Frau, welche sich doch nicht als die Auserwählte herausstellt, bekommt eine Pfählung zu spüren, bei der man an eine ähnliche Szene aus dem Überkannibalenschocker Cannibal Holocaust (1980) denken muss. Wenn dann in einer anderen Szene aus einem Skelett ein sogenannter Berserker erschaffen wird, so ist hier die tricktechnik für so eine kleine Produktion nicht nur recht annehmbar umgesetzt, sondern erinnert auch noch an die Menschwerdung Franks in Clive Barkers Hellraiser (1987). Allerdings sind selbst ansprechende Effektszenen eher mangelware. Recht stumpf wird öfters ein an eine Spielzeugausgabe erinnernder Hammer oder ähnliches dazu verwendet, den männlichen und weiblichen Opfern den garaus zu machen. Bald hat man dann genug gesehen und hofft das Ende herbei. Richtig qualvoll ist der Genuss ja nicht mal, doch die Geschichte des Films, wenn man diese denn so nennen darf, läßt sich zu schnell als Aufhänger für die Effektszenen entlarven.

Wäre Necronos etwas kürzer geraten, hätte man ihn noch als recht okaye Kiste einordnen können. Doch man hält sich bei manchen Dingen zu lange auf und insgesamt bietet man von allem zu wenig, um wirklich eine Runde Sache zu präsentieren. Auch wenn es löblich ist, einen wirklichen Protagonisten - bis auf den Hexenmeister - und somit keinen richtigen Helden einzuführen um so mal etwas andere Wege zu gehen: das einführen immer neuerer Figuren und deren Abtritt ist recht grob umgesetzt. Aus einem anfänglichen Opfer wird später kurzzeitig sowas wie der Held, eine ohnehin etwas zu spät eingeführte weibliche Figur die die vermeintliche weibliche Hauptfigur darstellt, wird plötzlich aus der Geschichte genommen und die richtige Hauptperson wird viel zu spät eingeführt. Bei Leuten mit mehr Talent und Gespür für richtige Stories wäre dieser Kniff sogar noch aufgegangen, allerdings ist dies bei einem deutschen Amateursplatterstreifen nicht wirklich schön zu betrachten. Das kann man auch bei den meisten Mimen sagen, deren hobbymäßiges "Schauspiel" das Geschehen auch nicht gerade positiver gestalten kann. Das Overacting der Hexendarstellerin Manoush, auch eine Mitproduzentin des Films, macht sogar noch Spaß, die Mimen des Necronos und des Teufels sind noch recht ordentlich und auch die weibliche Hauptdarstellerin kann noch überzeugen. Dafür hat Rohnstock einige bekannte Namen aus der Szene für Gastauftritte gewinnen können. Die Regiekollegen Timo Rose, Andreas Schnaas, Marcel Walz und Jochen Taubert müssen als Opfer herhalten, die aus dem Rose-Umfeld stammenden Darsteller Thomas Kercmar und Andreas Pape geben sich als König bzw. weiteres Opfer die Ehre.

Wenn Necronos dann sein Ende, dass im Gegensatz zu anderen Filmen dieses Kalibers doch sowas wie Innovation mit sich bringt, erreicht hat, bleibt man etwas unschlüssig zurück. So ganz kurz blitzt ja hier und da das Potenzial der Macher auf, doch man geht halt doch auf Nummer sicher und bleibt auf der Blut und Gedärme-Schiene. Hierfür ist natürlich auch ein Publikum vorhanden, welches diesen Film auch dankend aufnehmen wird. Laut den Machern selbst, möchte man mit seinem jüngsten Kind noch grenzwertiger sein, noch mehr wagen als bisher. Allerdings bleibt fraglich, ob man dass mit mehr als 300 Litern Kunstblut und stumpfen abspulen einfallsloser oder mal etwas einfallsreicherer Tötungsarten sein kann. In Zeiten, in denen (nicht nur) aus Serbien Filme kommen, die mehr als nur gut umgesetzt, hintersinnig und auch noch grenzwertig sind, ist das nicht selbstverständlich. Auch wenn A Serbian Film und Necronos selbstverständlich zwei vollkommen unterschiedliche paar Schuhe sind. Wenn Rohnstock sich mal vielleicht etwas mehr trauen und mit seinen Kumpanen einen Stoff entwickeln würde, der etwas außerhalb der sehr eng gesteckten Grenzen des deutschen Amateursplatterkosmos wandeln würde, dann wäre da sicher noch mehr drin. So ist der Tower of Doom nur eine recht mittelmäßige, bluttriefende Sache.
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