Exotische Filmländer gibt es dank der Globalisierung und auch der Expansion innerhalb der Filmwirtschaft kaum noch. Doch in den 70ern war es sicher sehr aufregend, wenn plötzlich in der von den USA und dem europäischen Umland beherrschten Kinolandschaft hiesiger Lichtspielhäuser eine Produktion aus der (damaligen) englischen Kronkolonie Hong Kong im Kino anlief. Es war am 23. Januar 1973 als mit Das Schwert des gelben Tigers der erste Actionfilm aus diesem fernen Land in den deutschen Kinos anlief. Die Lust auf das unbekannte Neue und wohl auch das bisher noch nie dagewesene bzw. gesehene Spektakel trieben das Publikum in die Kinos und blitzschnell etablierte sich nicht nur Hong Kong im Bewusstsein des deutschen Zuschauers. Dieser Film sorgte auch für eine Flut ähnlicher Werke und Martial Arts-Filme wurden das neue Zugpferd für die Verleiher.
Scotia, damaliger Verleih, hat sich allerdings auch eine wahre Perle ausgesucht um diese Art von Film dem Publikum näher zu bringen. Immerhin ist der Film von den legendären Shaw Brothers produziert worden, deren Produktionen in ihren besten Tagen mit viel Pomp protzten und epische Schlachten zeigten. Wobei Das Schwert des Gelben Tigers nicht allzu sehr überbordend ist und eine Massenkampfszene nach der anderen zeigt. Gerade seine akzentuiert eingesetzten Kampfszenen sind ein großer Pluspunkt, die in eine an und für sich simple Geschichte eingeflochten wurden. Diese handelt vom ehrenhaften Schwertkämpfer Lei Li, welcher mit einer List vom Räuberchef in ein Duell verwickelt wird und dieses verliert. Das dumme an dieser Sache: beide haben geschworen, dass sie, falls sie verlieren, sich den Arm abtrennen und nie mehr kämpfen werden.
Li Fei ist ein Mann, der zu seinem Wort steht und entledigt sich mit seiner Klinge gleich noch am Ort des Geschehens seines Arms und hängt das Schwert an den Nagel. Er beginnt zurückgezogen in einem Gasthaus zu arbeiten, unerkannt und weitab von Kampf und Gloria. Zarte Bande wird mit Pa, Tochter des örtlichen Schmiedes, geschlossen und erst als der Schwertkämpfer Feng die Szenerie betritt, wird Li aus seinen schwermütigen Erinnerungen gerissen. Feng ist ebenfalls ein ehrenwerter Mann und durch einen Zufall erfährt er auch, wer dieser voller Gram erfüllte Kellner in dem Gasthaus ist. Sie freunden sich an aber natürlich ist auch Hung immer noch Thema. Vor allem dann, als er von der Ankunft Fengs erfährt und ihn ebenfalls mit einer List dazu zwingen will, die Finger von den Schwertern zu lassen. Er läft zu einem Fest auf seinen Sitz, der Tigerburg, ein und Feng nimmt - interessiert an den Vorgängen in diesem Räubernest, an. Was sich dort dann allerdings ereignet, zwingt sogar Li Fei wieder ans Schwert.
Zeitlich ist die Geschichte eingebettet in die Zeit des historischen Chinas und nachdem Das Schwert des gelben Tigers die Kinoklassen klingeln ließen, folgten wie bereits oben angesprochen noch einige (viele) Filme, welche in der Ming-, der Qing- oder anderen Dynastien spielen. Ein guter Grund, wieso diese so gut angekommen sind beim Publikum und auch heute noch beliebt sind, ist sicherlich diese unglaublich detaillierte Ausstattungsorgie, die damit einhergeht. Die Locations, Requisiten und Kostüme der Schauspieler sind wirklich sehr liebevoll ausgesucht und hergestellt und selbst die Eigenheit der Shaws, draußen spielende Szenen im Studio und nicht vor Ort zu drehen, sind hier nicht so auffällig wie eventuell in anderen Werken. Sie sind auch hier vorhanden, fallen nicht zu sehr ins Gewicht, geben dem Film allerdings auch eine gewisse entrückte Märchenhaftigkeit. Alleine schon der Einstieg, als Li Fei an den Ort eines blutigen Raubs kommt und an den toten Kämpfern vorbeischreitet, ist stimmungsvoll in Szene gesetzt. Sie besitzt sogar surreale Qualitäten, sieht man die Kämpfer sogar teils kniend, mit ihren Waffen in der Hand am Wegesrand, als wären sie eingefroren.
Als allerdings Hung auftaucht, wird man in den äußerst gewaltsamen Alltag eines Schwertkämpfers in diesen weit entfernten Zeiten gezogen. Doch trotz aller martialischer Charakteristika, welche die Filme eines Chang Chehs mit sich bringen, hat es der Regie-Star der Shaws auch immer verstanden, eine gewisse Ästhetik in die brutalen Kämpfe einzuflechten. Mit verkrüppelten Protagonisten kannte sich Chang Cheh übrigens gut aus, inszenierte er einige Jahre zuvor doch den Klassiker Das goldene Schwert des Königtigers (1967) mit Jimmy Wang Yu, im englischen als One-Armed Swordsman bekannt, der ebenfalls einen einarmigen Kämpfer als Hauptfigur hat. Das Schwert des gelben Tigers kann man als Ende einer Trilogie ansehen, welcher mit dem Königstigerchen begonnen wurde. Cheh, ohnehin ein Meister eines sehr Testosteron-geprägten Erzählstils, der keine Kompromisse kannte, gelangte zur Zeit des gelben Tigers an seinen Höhepunkt, schuf aber auch danach u. a. mit Ti Lung - Duell ohne Gnade (1971), Der Pirat von Shan Tung (1972) oder Die unbesiegbaren 5 (1978) weitere Klassiker. Er saß sogar bei der Shaw Brothers-/Hammer Studios-Kollaboration Die 7 goldenen Vampire (1974) auf dem Regiestuhl.
Und wenn Chang Cheh zum Fight ruft, dann geht es ordentlich zur Sache. Für die damalige Zeit schon erstaunlich grafisch wird hier einfach mal ein Arm schön sichtbar abgetrennt, diverse Leiber aufgeschlitzt oder gleich ein Mensch zweigeteilt. Die Duelle sind dabei mit viel Verve umgesetzt und viele Jahre vor John Woo wird ein wahres "Todesballett" inszeniert und getanzt, welches in Blut getränkt einen Tanz des Überlebens und Sterbens zeigt. Der Stärkste siegt, allerdings heißt das hier nicht unbedingt, dass dieser auch gesund, vollständig und gefestigt sein muss. David Chiang gibt seinen Li Fei sehr nachdenklich und ganz überraschend darf zwischen den straighten Kampfszenen, die wirklich sehr toll und ansehnlich choreographiert sind, sich auch dessen zerrissener Charakter entfalten. Das entschleunigt die Geschichte sogar so weit, dass es schon beinahe an gewissen Längen kratzt. Allerdings schafft es Chiang, seine Figur mit Leben zu erwecken. Das er mit seinem Schicksal hadert und damit nur schwer klar kommt, ist greifbar für den Zuschauer. Dafür bleiben die anderen Figuren leider eher flach, auch wenn er mit Ti Lung als Feng einen weiteren Superstar der Shaws zur Seite hat.
Ti Lung gibt seinen ehrenwerten Schwertkämpfer souverän, kann allerdings keine weiteren Akzente setzen. In den Kampfszenen glänzt er wie sein Partner sehr gut und darf dafür auch am spektakulärsten ins Gras beißen. In der Geschichte schafft er es allerdings mit seinen Ratschlägen und der offenen Bewunderung gegenüber Li, diesen aus seinem Loch zu holen. Das schafft nicht einmal die damalige Top-Darstellerin Li Ching als Pa, deren zarten Bande mit Li angedeutet, aber nicht voll ausgebreitet wird. Sie ist es jedenfalls, die Li ein Schwert, welches ihr Vater bei sich zu Hause versteckt hält, schenkt, damit er sich gegen die Demütigungen einiger Gäste wegen seiner Behinderung, wehren kann. Erst die Männerfreundschaft verschafft es. Das sehr maskulin geprägte Kino von Chang Cheh zeigt sich hier in voller Blüte, umschifft allerdings einige Machismen, die andere Filme mehr auswälzen. Durch seine Mischung aus brachialer Gewalt, verbunden mit ästhetisch sehr ansprechender Kampfchoreographie, die trotzdem nicht zu sehr stilisiert wirkt und den leiseren Tönen ist Das Schwert des gelben Tigers beinahe schon ein Actiondrama.
Um allerdings in der Tragödie zu punkten, fehlt der weitere Tiefgang. Trotzdem wirkt Chang Chehs Film sehr schön rund und kann mit seinen Stärken jeder Zeit punkten und schafft es sogar, sich anbahnende Langatmigkeit schnell zu vertreiben. Cheh versteht es eben, seine Geschichten straight zu erzählen um dann mit einem nochmal sehr ausufernden Finale es krachen zu lassen. Dies lässt so manchen Körper tot zusammensacken, wo vorher noch leise Töne über Freundschaft und deren Kraft, Menschen aufzubauen und sie zu festigen, angeschlagen wurde. Den Übergang schafft der Regisseur spielend, dank seines straffen arbeitens hinter der Kamera und der guten Unterstützung seiner Mimen. Somit kann man sogar die simpelste Story zu einem spannenden Spektakel werden lassen, wie es Das Schwert des gelben Tigers ist. Die Geschichte des Martial Arts-Films in den deutschen Kinos wurde mit einem wahrhaftigen (heutigen) Klassiker gestartet, der auch heute noch sehr gut schaubar ist.