Freitag, 16. August 2013

Patrick lebt!

Ist die Rechnung des Produzenten voll aufgegangen und ist deren Film beim Publikum wie eine Bombe eingeschlagen, dann schielt man natürlich schon einmal gerne auf die Möglichkeit der Fortsetzung. Auch wenn es selbst mit dem Finale bzw. dem Plot des Ursprungsfilm vereinbar ist: winkt die Kohle, ist ein Sequel so gut wie sicher. Ein in der Filmwelt beinahe schon ausgestorbenes Kuriosum ist da die Quasi-Fortsetzung, die uns weiß machten will, dass sie der legitime Nachfolger des Blockbusters ist. Selbst, wenn dieser vielleicht gerade mal vor drei Monaten in den Kinos lief. Heute produzieren solche kleinen Indie-"Kaschemmen "wie z. B. Asylum Filme, die großen Blockbustern alleine schon vom Titel her sehr ähneln, deren Plot aber so weit abgewandelt ist, dass man nicht vom allergrößten, offensichtlichsten Plagiat reden kann. Es versteht sich von selbst, dass diese äußerst kostengünstig hergestellt werden.

Diese Quasi-Fortsetzungen wurden natürlich eben sehr günstig fortgesetzt und gerade die Italiener verstanden es sehr gut, abenteuerliche "Sequels" zu produzieren. Schnell wurden sie heruntergekurbelt, das Drehbuch mit heißer Nadel gestrickt und somit sieht man diesen Filmen noch stärker ihre stark kommerzielle Bestimmung an als anderen. Das da über die Jahrzehnte im Stiefelland so einiges zusammengekommen ist, kann man sich denken. Allerdings ist nicht jeder dieser Filme unbedingt als billig und schlecht abzustempeln. Wie überall auch gibt es qualitative Schwankungen, aber auch Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies (1979) von Lucio Fulci, der sehr wohl als einer der besten italienischen Zombiefilme angesehen werden kann, ist so ein Beispiel. Originaltitel ist nämlich Zombi 2 und sollte so als Nachzügler bzw. eben Quasi-Fortsetzung von Romeros Dawn of the Dead (1978) dargestellt werden.

Daneben gab es aus Italien zum Beispiel noch Alien - Die Saat des Grauens kehrt zurück (1980) der auf Ridley Scotts Alien (1979) abzielt, der mit Lee Majors besetzte Piranha II - Die Rache der Killerfische (1979) der vom damaligen deutschen Verleih den direkten Bezug auf Joe Dantes makaber-lustigen Knabberfischhorror verliehen bekommen hat. Die Handlung schielt stark auf das große Vorbild, im Original wurde er allerdings noch recht dezent Killer Fish benannt. Wobei dies nur zwei Beispiele sind, im Laufe der Zeit hat es da noch unzählige weitere Filme gegeben. Und auch Mario Landi hat es sich nicht nehmen lassen, so etwas mal auszuprobieren. Als im Jahre 1978 der australische Thriller Patrick über die Leinwand flimmerte, dachte man gar nicht, dass dieser einen doch recht ordentlich Erfolg darstellen sollte. Im Original aus Down Under rächt sich die titelgebende Figur, nach einem traumatischen Schock im Koma befindlich, an seinen Peinigern aus dem Klinikum, in dem er untergebracht ist. Dies geschieht, nachdem sich eine neue Schwester recht rührend um Patrick kümmert.

Bei Landi ist dies fast so ähnlich. Der italienische Patrick bekommt bei einer Autopanne aus einem vorbeifahrenden Auto heraus eine Flasche an die Murmel geworfen, hat das Gesicht blutig rot, wirft sich schreiend auf den Boden und liegt dann ebenfalls im Koma. Im Sanatorium seines Vaters wird er von diesem im Verborgenen weiter behandelt. In der Zeit zwischen den Saisons werden in dieses Personen ohne zuerst größeren Bezug zueinander eingeladen. Wie sich nach und nach herausstellt, können diese laut den Recherchen von Patricks Vater für den Unfall verantwortlich sein. Kein Wunder also, das die telekinetische Kraft von Patrick ausgenutzt wird, um sich ebenfalls an diesen Menschen recht heimtückisch und grausam zu rächen.

Das ganze ist dabei unheimlich schmierig und einfach runtergekurbelt worden. Mit einer gehörigen Kelle Schmuddel draufgeklatscht, wie sich bei Landi versteht. Mit gerade einmal zwei Filmen hat sich der Regisseur einen gewissen Ruf erarbeitet. Als der Giallo schon ziemlich an seinem Ende angelangt ist, schubste er mit seinem äußerst schmierigen Giallo A Venezia (1979) das Genre in sein Grab. Hier wird ohne großartigem Plot bzw. einem Gerippe von diesem ein blutiger Mord nach dem anderen zelebriert und dazwischen viel nackte Haut präsentiert. Das Grundgerüst auch vieler Gialli, nur das hier die Geschichte und die gesamte Art weit ansprechender umgesetzt worden sind. Auch wenn der Film nie einen deutschen Verleih fand, wurde er von der BPjM sogar beschlagnahmt. Auch Patrick lebt! verquickt einfach mal so nackte Haut und ordentlich Mettgut miteinander und versucht mit einer pseudointeressanten Handlung den Zuschauer bei der Stange zu halten. Das ganze mutet dann im Endeffekt sehr obskur an, was schon beim Einstieg sehr deutlich wird.

Ein Auto am Straßenrand mit offener Motorhaube und einem noch quicklebendigem Gianni Dei als Patrick, der seinem Vater gerade vermittelt, das der Schaden so nicht mehr zu beheben ist. Plötzlich rollt ein Auto an, Patrick ruft den Fahrern noch zu ob sie anhalten könnten, plötzlich fliegt die Flasche, Dei sieht rot, der Zuschauer auch (bei so vielem Kunstblut auf dem Gesicht auch kein Wunder) und dann sehen wir in schönstem Overacting die schmerzensvollen Schreie von Patrick. Dann blickt plötzlich ein Oberarzt im OP in unser Antlitz, sagt zu Doktor Herschell (Patricks Vater), dass sie alles versucht haben, aber nichts mehr zu machen ist. Das Koma ist unumweichlich. Im Hintergrund wabern Synthielines und der Vorspann beginnt. Das war im Grunde schon der ganze Aufhänger für das nun folgende.

Das Drehbuch bemüht sich zwar rühmlich, die Gesichte auszuweiten und den Figuren, die in dem Sanatorium einkommen, einen gewissen Hintergrund zu verleihen. Es geht um Termine, wie da geheimnisvoll um den eher lauwarmen Brei geredet wird. Diese müsse man einhalten und nach und nach lässt man die Hüllen der Story fallen, während gefühlt schon hundert mal diverse sekundäre Geschlechtsmerkmale weiblicher Darsteller prall durch die Kamera hüpften. Jeder hat irgendwie Dreck am Stecken, der Sohn eines Versicherungsinhabers beging nach einem Unfall Fahrerflucht, ein bekannter Politiker wird angeblich erpresst und seine zeigefreudige Gattin scheint an seiner Karriere nicht ganz unbeteiligt zu sein. Es wirkt arg bemüht, als ob man gekauten Kaugummi so lang wie möglich ziehen möchte ohne das dieser reißt.

Spannung ist da natürlich Fehlanzeige auch wenn man sich in Rahmen seiner Möglichkeiten daran versucht, den Zuschauer zu erschrecken. Die geringe bzw. gar nicht vorhandene Qualität schafft das allerdings auch, aber gruselig wird es nicht richtig. Man bemüht sich dem allseits bekannten Horror-Baukasten für Schnellschüsse und bei Freunden obskurer Rohrkrepierer rettet sich Patrick lebt! noch durch seine äußerst amüsanten Versuche, den Schrecken zu erzeugen. Da heulen die Hunde, der Wind pfeift und plötzlich erscheinen da au dem Nichts diese zwei (zu Patrick gehörenden) Glotzeaugen, die den Schrecken und den Tod ankündigen. Wenn es dazu kommt, wird ordentlich die Blutkelle ausgepackt und zugeschlagen. Die Figuren agieren hier nicht gerade logisch oder nachvollziehbar, nur ist dies auch in tausenden anderen Horrorfilmen dabei. Lustig anzuschauen ist auf jeden Fall dieser fragende, trottelige Blick mit dem Paolo Giusti den Haken anschaut, der ihm bald die Lebenslichter ausbläst.

Unter Splatterfans ist der Film durch seinen berühmt-berüchtigen Schürhaken-Tod bekannt geworden, bei dem dieser bei einem Opfer vaginal ein- und oral austritt. Sehr garstig und äußerst heftig umgesetzt, zumal das Eindringen nicht angedeutet sondern breit ausgeschlachtet und gezeigt wird. Sprichwörtlicher Hardcore-Horror. Selbstzweckhaft umgesetzt und die Anlässe, in denen die weiblichen Darsteller ihre Hüllen fallen lassen, sind beinahe schon richtig pornös umgesetzt. Zu allen möglichen und unmöglichen Zeitpunkte setzen sie ihre drallen Kurven vor die Kamera. Erotisch ist das natürlich auch nicht, aber dem voyeuristisch veranlagten Zuseher eine schöne Zugabe. Patrick lebt! versprüht einen ordentlichen Sexismus, bei dem so manche Emanze mächtig Schaum vor den Mund bekommen würde. Über allem schwebt dann diese obskure Stimmung, gerade wenn in einer Szene eine vollkommen betrunkene Dame das Abendessen sprengt, Streit mit der Politikergattin anfängt, diese sich dabei natürlich schön die Kleidung vom Leibe reißen und nur der Leiter des Sanatoriums so, als wäre das eine vollkommen ruhig-entspannte Gesellschaft, einfach weiter ißt.

Gehöriger Trash, der nur für Hartgesottene wirklich etwas bietet. Unfreiwillige Komik in einer Umgebung völligen Unvermögens und Schwachsinns. Es gibt liebenswerteren Schwachsinn, bei Patrick lebt! geht ja selbst der Charme flöten, doch die ganze Chose ist so ein gewisses filmisches Unikum, bei dem Freunde des Bodensatzes gerne mal danach fischen können. Noch obskurer erscheint der Film ja, wenn man sich die Karriere seines Regisseurs betrachtet. Landi besuchte die Accademia dell'Arte Dramatica und schloss sie sogar mit Diplom (!) im Fach Regie ab und inszenierte im kulturellen Zirkel Diogene in Mailand etliche Stücke. Zu Beginn der 50er feierte er mit der Musikkomödie Canzoni per le strade seinen Einstand beim Film um sich dann dem TV zu widmen. Hier blühte Landi auf und inszenierte einige Klassiker, die sogar Preise einheimsten. Die Serie Le inchieste de commissario Maigret (von ihm komplett alleine inszeniert) gehört sogar selbst heute noch zu einer der erfolgreichsten italienischen TV-Serien. Im Kino wurde es arg trivialer und wie hier oder eben Giallo A Venezia arg schmuddeliger. So gehen auch einige Erotikkomödien auf sein Konto. Nach Patrick lebt! blieb er dann beim TV und verstarb 1992 in Rom.

Die über- oder gar nicht agierenden Mimen haben auch so einiges auf dem Kerbholz und gerade Sacha Pitoëff sticht hier auch heraus. Der mit stoischer Mine den überruhigen Doktor Herschell mimende Darsteller war auch in Argentos Horror Infernal (1980) zu sehen und verdingte sich in vielen TV- und Kinofilmen. Bekannt wurde er mit dem überaus hochangesehenen und superben Letztes Jahr in Marienbad (1961). Noch obskurer ist, dass er ein in seiner Heimat Frankreich hoch angesehener Theaterregisseur war und dort als Institution galt. Patrick-Darsteller Gianni Dei braucht hier ja nur stur geradeaus zu stieren, keine große Leistung. Fragt sich, ob er auch so straight singt wie er hier glotzt. Ende der 80er hat er eine Sängerkarriere eingeschlagen, nachdem er seit den 60ern im Film zu Hause war. Dabei war er auch im sehenswerten und viel zu unbekannten Poliziotescho Killer sind unsere Gäste (1974) zu sehen. Bei den weiblichen Darstellern muss man auch noch kurz Mariangela Giordano erwähnen. Die Tochter eines Journalisten war sogar mal "Miss Ligurien" was sie auch zum Film brachte.

Hier durfte sie schon recht schnell ihre weiblichen Vorzüge zur Schau stellen. Zuerst in einigen Sandalen- und Abenteuerfilmen, dann wurde sie auch in Italowestern wie dem ballerwütigen Django und Sartana, die tödlichen Zwei (1969) oder Fünf blutige Stricke (1969). Mit dem Herrn Dei war sie übrigens auch schon bei Giallo A Venezia mit am Start und 1981 durfte sie in Andrea Bianchis Zombiegaudi Die Rückkehr der Zombies die Mutter von Peter Bark darstellen und im späteren Verlauf des Films von ihrem zum Zombie gewordenen Sohn sich die Brust wortwörtlich abkauen lassen. Apropos Die Rückkehr der Zombies: auf einer Suche nach einem geeigneten Drehort muss Bianchi mit Sicherheit Landi angerufen haben und von diesem dann einen tollen Tipp bekommen haben, das Haus, in dem sich Patrick lebt! abspielt durfte dann für Bianchi auch einige Zombies beherbergen. Mit dieser Hintergrundgeschichte bzw. der von Landi (und Pitoëff) mutet Patrick lebt! noch seltsamer als ohnehin schon an. Wer unbedingt Lust auf schlechte Filme hat, kann sich hier ruhig rantrauen, alle anderen dürften mit zuckendem Daumen an der Stop-Taste den Film "genießen".
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