Montag, 4. Juli 2016

Turbo Kid

Neue Filmproduktionen wirken zu lassen, als würden sie aus den 70ern oder noch besser den 80ern stammen, ist en vogue. Wenn letztgenanntes Jahrzehnt von den Schöpfern auserkoren wurde, ist ein mehr oder weniger spürbares Augenzwinkern eine nette Dreingabe. Oder man übertreibt von Beginn an, wie die Hommage an den Actionfilm Kung Fury, der in seinen knapp dreißig Minuten mit der Wucht eines Vorschlaghammers auf Teufel komm raus parodiert und persifliert. Ganz ohne Übertreibungen kommt auch der kanadisch-neuseeländische Turbo Kid nicht aus. Dafür lässt er zur Abwechslung den ironischen Blick auf das Kultjahrzehnt vor der Tür.

Der von den drei (!) Regisseuren Francois Simard, Anouk Whissell und Yoann-Karl Whsisell geschaffene Film nimmt sich dem in den 80ern populär gewordenen Endzeitfilm an und lässt ihn in "naher Zukunft" spielen: 1997 ist die Erde vom Krieg und sauren Regen zerstört. Im Ödland herrschen Despote wie Zeus mit seinem Gefolge, welches er mit Schaukämpfen zwischen von ihnen entführten Gefangenen bespaßt. Protagonist ist der Jugendliche Kid, der auf seinem BMX-Rad durch die unwirtliche Gegend fährt, nach verwertbaren Gegenständen sucht und alleine in einer unterirdischen Behausung unterkommt. Sein einsames Leben ändert sich, als er das liebenswert durchgeknallte Mädchen Apple kennenlernt. Nach anfänglichem Argwohn freundet sich Kid mit ihr an und zögert keine Minute sie zu befreien, als sie von den Schergen Zeus' gefangen genommen wird, um in deren Arena zu kämpfen. Dabei hilft ihm ein zufällig gefundener Kampfanzug, der dem seines liebsten Comichelden "Turbo Ranger" ähnelt und ein Cowboy Namens Frederic.

Oliver Nöding hat in seinem Review Turbo Kid als Fanboy-Film bezeichnet, was man eigentlich schon stehen lassen kann. Die drei Regisseure sind merkbar Fans solcher Filme wie Mad Max 2 oder auch italienischen Vertretern des Genres á la Metropolis 2000. Die Geschichte wird aus vielen kleinen Versatzstücken bekannter Klassiker einem Mosaik gleich zusammengesetzt. Da finden sich auch Zitate und Ideen aus Blade Runner, ein bisschen Terminator oder auch Soylent Green. Durch das BMX-Rad des Protagonisten muss man dazu auch noch grob an den Teenie-Film Die BMX-Bande denken. Das Zusammenspiel dieser vielen kleinen Stücke als "neues" Ganzes macht durchweg Laune. Turbo Kid ist ein rasanter Film, der allerdings mit fortschreitender Laufzeit noch einige lustige Ideen bietet, ihm da aber auch merklich die Puste ausgeht. Das reine bunte feiern und zitieren reicht nicht dazu aus, dass der Film zum "Instant Classic" wird.

Er bleibt eher der sympathische kleine Streifen, der vieles an Potenzial mitbringt, auch einiges richtig macht, aber diese eine Stufe zum Status eines komplett runden dann nicht erklimmen kann, weil sie zu groß ist. Die Zeichnung von Kid und dessen Freundschaft zu Apple hätte man vertiefen können; beinahe wäre Turbo Kid somit wohl zum ersten dystopischen Action-Coming of Age-Film oder sowas ähnlichem geworden. Hier eifert man lieber dem Story Telling von Teeniefilmen nach oder bricht aufkommende emotionale Szenen mit Humor. Dieser ist an und für sich ganz fein, kommt an diesen Stellen aber einfach unpassend. Trotzdem kann man Turbo Kid ziemlich lieb haben. Wegen der beiden Hauptdarsteller Munro Chambers und Laurence Leboeuf und deren toller Chemie zusammen, den übertriebenen aber handgemachten Effekten oder dem tollen Synthie-Soundtrack, der wie direkt aus den 80ern importiert anmutet.

Die Action, das Spektakel und die vielen kleinen Ideen sind allerdings eben nicht ausreichend genug, dass ich fünf Saltos schlage. Der Film kann gut amüsieren, die Langzeitwirkung wage ich zu bezweifeln. Mit einigen anderen Wegen - eben gerade bei dem großen Potenzial was Kid, dessen Werdung zum Helden und seine Beziehung zu Apple mit sich bringt - wäre Turbo Kid ein richtig außergewöhnlicher Film. Es bleibt ein spaßiger Popcorn Flick, bei dem man das nerdige Sein der Macher ständig spürt. Seine Ideen und Huldigung der Filme aus den zum Kultjahrzent aufgestiegenen 80ern sind vielleicht eine Ecke sympathischer als die ähnlicher Werke. Ich persönlich finde ihn auch ganz angenehm im Bezug der Regisseure auf die von ihnen gefeierten Vorbilder aus den 80ern. Viel zu oft bringen solche Fanboy-Filme einen Tick zu viel Ironie mit sich. Er besitzt trotz der genannten Schwächen einen Charme, dem man sich nicht verwehren kann und einen guten Unterhaltungswert bezüglich einiger Ideen. Den gewissen Leerlauf gegen Ende zum Trotz. Vor allem - und das sei abschließend auch wohlwollend erwähnt - gibt er sich bei allen Huldigungen der zu Kultfilmen aufgestiegenen Vorbilder nie so, als wäre er das "Next Big Thing" oder schon jetzt einfach Kult.
Share: