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Mittwoch, 30. November 2016

Die 36 Kammern der Shaolin

Selbst wenn sich jemand nicht groß für Eastern bzw. Martial Arts-Filme begeistern kann, von den 36 KAMMERN DER SHAOLIN dürfte man zumindest dem Hörensagen nach schon einmal etwas gehört haben. Dem Film eilt ein gewisser Ruf voraus und gilt beinahe als Legende des Kung Fu-Films. Bei mir selbst stand der Film auch jahrelang auf der "Will ich mal sehen"-Liste, eine erste Auswertung auf DVD wurde mir madig gemacht, da der Film eine neue Synchronisation erhielt. Mit der jüngst erschienenen Blu Ray/DVD-Kombo von filmArt kann man den Film auch mit der alten Kinosynchro genießen.

Richtig komplex ist die Handlung von DIE 36 KAMMERN DER SHAOLIN nicht. Sie folgt einem einfachen Muster, dass schon bei seinem Kinostart den Freunden des Genres vertraut war. Die Mandschu-Regierung führt das Land mit eiserner Hand. Eine Gruppe von Rebellen, geführt von Ho, einem Lehrer an der Universität von Kanton, fliegt beim Transport geheimer Nachrichten auf. Unter den Rebellen befinden sich auch einige von Hos Schülern. Einer davon, Liu Yu-Te, kann sich in ein nahe gelegenes Shaolin-Kloster retten und möchte dort deren Kampfkunst erlernen, um die erlernten Fähigkeiten im Kampf gegen die Regierung einzusetzen. Die neutralen Mönche lehnen erst ab. Der Abt gibt ihm allerdings eine Chance.

Nachdem Liu Yu-Te sich zuerst als Küchenkraft verdingen musste, darf er die 35 Kammern (bzw. Stufen der Ausbildung) durchlaufen und schafft dies mit Bravour. Er verlässt das Kloster, weil man seinen Vorschlag eine 36. Kammer einzurichten, um dort dem Volk einfache Kenntnisse im Kung Fu zu lehren, ablehnt. Als Bettelmönch trifft er auf den Mandschu-General Tien Ta, der damals für die Zerschlagung der Aufständigen und dabei auch den Mord an Liu Yu-Tes Eltern zuständig war. Der Shaolin schart einige lernwillige Patrioten um sich, um endgültig die Mandschus zu stürzen.

Auch wenn das Konzept der Ausbildung des Protagonisten zum Kung Fu-Kämpfer, um mit den erlangten Fähigkeiten gegen einen oder mehrere Bösewichte zu brillieren, bekannt ist: DIE 36 KAMMERN DER SHAOLIN schafft es, seine simple Geschichte, die sich dazu über knapp zwei Stunden erstreckt, für den Zuschauer faszinierend zu erzählen. Angefangen bei den opulenten Szenen zu Beginn, die in bester Shaw Brothers-Manier eine die Augen schmeichelnde Kostümorgie darstellen bis hin zu Liu Yu-Tes Ausbildung. Diese nimmt die meiste Zeit des Films in Beschlag, zeigt ausführlich den Weg des Protagonisten durch die verschiedenen Stufen des Trainings und wird trotz des redundanten Ablaufs der einzelnen Szenen nicht einmal hier langweilig.

Das liegt zum einen an Hauptdarsteller Gordon Liu (Liu Chia-Hui), der die Verbissen- und Entschlossenheit seiner Figur sehr gut darstellen kann, als auch an der Wahl des Regisseurs. Liu Chia-Liang war nicht nur für die Regie, sondern auch für die Choreographie des Trainings und der Kämpfe zuständig. Der meist immer gleiche Weg, wie die manchmal zuerst unlösbar wirkenden Aufgabe doch bewältigt wird, ist im Verlauf der Trainingsszenen mit gutem Gespür zusammengefasst. Der Film ist hier angenehm on-point im erzählerischen Tempo und seiner Montage. Er versteht es, von narrativen Schwächen mit diesen mitreißenden Szenen abzulenken, während das Drehbuch im Ansatz auch versucht, dem Zuschauer die Philosophie der Shaolin-Mönche zu transportieren.

Ausgiebig bzw. besonders tiefgründig, wie es zum Beispiel auch ein King Hu versucht hat, wird es bei DIE 36 KAMMERN DER SHAOLIN nicht. Beinahe könnte man bei all den lobenswerten Punkten übersehen, dass der Film nach Liu Yu-Tes Ausscheiden aus dem Kloster etwas verloren wirkt. Das sich berappeln hat zur Folge, dass die Handlung sehr hastig erzählt wirkt. Es scheint wie ein Versuch, die bisher episch anmutende Art des Films abzuschütteln um dem Publikum auch einige Fights nach dem langen Training zu präsentieren. Diese folgen Schlag auf Schlag, das übermäßig angezogene Erzähltempo möchte jedoch nicht zum bisher eingeschlagenen Weg passen. Die finale Konfrontation zwischen Liu Yu-Te und dem von Lo Lieh grundsolide böse dargestellten Tien Ta ist sogar enttäuschend kurz ausgefallen. Im Ganzen gesehen, ist dies nur ein kleiner Abzug in der B-Note. Dafür ist der Rest des Films ein tolles Beispiel dafür, wie selbst zur Entstehung abgestanden wirkende Stories mit gutem Gespür sehr gut umgesetzt werden kann. Der Film wird zurecht als Klassiker gehandelt.

Montag, 28. November 2016

The Sect

Gegen Ende der 80er siechte der italienische Genrefilm schon vor sich hin; die Filmindustrie konnte ihre Auflösungserscheinungen nicht mehr verbergen. Der Sargnagel folgte 1994 mit DellaMorte DellAmore, der wie ein allerletztes Aufbäumen wirkte, bevor es endgültig zu Ende ging. Regie führte hier Michele Soavi, dieses Wunderkind des späten italienischen Genrefilms. Man wünscht sich heute immer ein wenig, dass Soavi früher hinter der Kamera Platz genommen hätte. Vorher war er Darsteller, der unter anderem in Fulcis Ein Zombie hing am Glockenseil oder Lamberto Bavas Blastfighter zu sehen ist.

Ausgerechnet der Schmier- und Schmuddelfilmer Aristide Massaccesi AKA Joe D'Amato produzierte mit seiner Produktionsfirma Filmirage Soavis feines Regiedebüt Aquarius, der auch als Stagefright bekannt ist. Es folgte der Horrorfilm The Church und damit die Zusammenarbeit mit Dario Argento. Mit diesem entstand auch The Sect, der - dies vorweggenommen - am Unvermögen krankt, die symbolische Ebene eines Filmes auch mit Inhalt bzw. Bedeutung zu füllen. Das ist eine der Schwächen vom hier als Produzent und Co-Autor in Erscheinung tretenden Argento. Soavi zufolge, versuchte dieser während der Produktion von The Sect als "väterlicher Berater" diesen zu beeinflussen.

Schlecht ist dieser Einfluss sicher nicht, führt er doch zu einigen sehr netten Szenen, Einstellungen und Kamerafahrten. Die Geschichte des Films tritt dafür zu mancher Zeit stark auf der Stelle. Beginnend mit zwei Morden, einmal an einer Hippiefamilie und an einer jungen Frau, deren Mörder in einer U-Bahn von Taschendieben deren Herz aus der Tasche gezogen bekommt (!), setzt die Story ihren Fokus auf die Lehrerin Miriam, welche einen alten, seltsam erscheinenden Mann beinahe auf der Straße anfährt. Mit dieser Begegnung und ihrem Entschluss, den sich auf einer Busreise befindlichen Herren zu sich zu nehmen, damit dieser sich ausruhen kann, beginnen in ihrem Umfeld mysteriöse Ereignisse.

Bis nun eine Brücke zu den beiden eingangs gezeigten Taten gezogen wird, braucht es fast den ganzen Film über. Manchmal scheint es so, als wären diese komplett unter den Tisch gefallen während des Schreibprozess, nur um dann diesen Faden zum Finale schnell noch einmal aufzunehmen. Richtig funktioniert das nicht, obwohl dieser Twist nicht komplett versaut wurde. Eher krankt The Sect an seinem großen Potenzial, das nicht richtig genutzt wird. Die auftretende Symbolik, richtig gut in einer Traumszene Miriams funktionierend, möchte vieles Gleichzeitig sein, bleibt aber leer und nicht greifbar. Miriams weißer Hase, das ihm hinterher rennen, die Uhr an seiner Hütte lässt offensichtlich auf eine (gewollte?) Anspielung an Lewis Carolls "Alice im Wunderland" schließen, möchte sich aber nicht mit der Geschichte vereinbaren.

Die leichte Umkehrung von Motiven der Geschichte bzw. Geburt Jesu passt durch seinen Twist, welcher einiges des übernatürlichen Boheis unnötig und als Füllmaterial erscheinen lässt. Argento hätte Soavi auch beim Buch mehr Freiheiten lassen sollen. Ich schätze diesen Mann und Großtaten wie Suspiria, allerdings kranken fast alle seiner Horrorfilme daran, dass sie sich in ihrer leeren Symbolik (wie angesprochen) und ihrer inneren, nicht immer schlüssigen Logik verzetteln. Das ist auch ein kleiner Kritikpunkt am ansonsten so wunderbar wirkenden Suspiria. In anderen Argento-(Horror-)Filmen kommt dies noch stärker zu tragen. Die eigens kreierte Logik, mag eine halluzinatorische Wirkung erschaffen und verzettelt sich in ihrem Kosmos.

Richtig schlecht macht dies The Sect nun nicht, ihm wird aber viel an Stärke durch die innere Unentschlossenheit genommen. Das langgezogene Ende tut sein übriges, den Eindruck das man mit der Geschichte zu viel (erzählen) wollte, zu untermauern. Die wenigen netten Momente mögen so nicht mehr herausstechen. Soavis Film hinterließ bei mir aber den Eindruck, dass er ein Film ist, dessen Feinheiten sich erst bei weiteren Sichtungen erschließen. Mit seinem The Church konnte ich zuerst auch nicht viel anfangen. Wenn der für mich nun eher mäßige The Sect irgendwann nochmal angesehen wird, dann allerdings besser im O-Ton mit Untertiteln. Die damalige Videosynchro grenzt nämlich an einem Verbrechen.

Montag, 21. November 2016

8MM - Acht Millimeter

Snuff. Englisch umgangssprachlich "to snuff someone out", was ins Deutsche übersetzt jemanden auslöschen bedeutet. Snuff-Filme. Die Aufzeichnung eines realen Mordes auf Film zur Unterhaltung des Zuschauers. Der Begriff Snuff geht auf einen kleinen Exploitation-Film aus dem Jahre 1976 zurpück, der für gerade einmal 30.000 US-Dollar vom Ehepaar Roberta und Michael Findlay gedreht wurde. Ursprünglich hieß der Film Slaughter, wurde 1971 gedreht und wanderte hinterher direkt in den (Gift-)Schrank des Verleihers und Produzenten Jim Shackleton. Der las 1975 in einem Artikel von Filmen, in Südamerika gedreht, in denen echte Morde begangen werden. Dies beflügelte Shackleton: er kramte Slaugher aus dem Regal und ließ Szenen nachdrehen. Diese zeigen angeblich, wie nach Ende der Dreharbeiten (dargestellt mit einem recht groben Schnitt, der vorgab, dass die Dreharbeiten zwar vorbei waren, die Kamera aber noch weiterlief) eine Filmcrew - offenbar die von Slaughter - eine der Darstellerinnen brutal umbrachte. Shackleton benannte den Film in Snuff (dt. Titel Big Snuff) um und brachte ihn nochmal in die Kinos, zusammen mit dem Gerücht um den echten Ende am Mord des Films. Selbst das Anheuern Shackletons von falschen Protestlern vor den Kinos half nichts: Variety deckte 1976 das ganze als Marketing-Gag auf.

Der Titel des Films wurde allerdings zum Sinnbild für diese Filme, in denen reale Morde dargestellt werden. Einen Nachweis, dass solche Machwerke jemals produziert wurden, gibt es nicht. Es ist eine urbane Legende oder anders ausgedrückt: Snuff-Filme existieren gar nicht. Diesen Satz hört auch Tom Welles öfters, wenn der Privatdetektiv im Auftrag seiner vermögenden Klientin Mrs. Christian sich weiter und weiter in ein durch und durch dreckiges Paralleluniversum, den tiefsten Underground, begibt, um Licht ins Dunkel um eine Filmrolle zu bringen, die sich im Nachlass des verstorbenen Mr. Christian befand. Auf dem Schmalspurfilm sieht man ein Mädchen, welches von einem Mann in Ledermaske misshandelt und brutal ermordet wird. Welles bekommt heraus, wer das Mädchen in dem Film ist und nimmt eine Spur auf, die ihn nach Los Angeles führt. Dort trifft er in einem schmierigen Pornoschuppen auf den Punk Max California, der ihn in die ensprechenden Kreise für die "besonderen Dinge" führt. Er kommt den Machern des Snuff-Films auf die Spur, bringt dabei aber Max, sich und auch seine Familie in Gefahr.

Die 90er waren ein verdammt gutes Jahrzehnt für Psychothriller. Auch wenn es bessere wie 8MM gibt, so kann man dem Film von Joel Schumacher wahrlich nicht attestieren, dass er schlecht gemacht ist, trotz einiger weniger positiv gestimmten Besprechungen. Der 1999 entstandene Film zeigt einen angenehm spielenden Nicholas Cage, weit weg von dessen mimischen Entgleisungen in späteren Jahren. Sein Tom Welles ist beinahe einer dieser Noir-Schnüffler, ein fast einsamer Wolf, der in der Geschichte von 8MM immer mehr im pornographischen Sumpft versinkt und seine Familie und die regelmäßigen Telefonate mit seiner Frau platzen lässt. Welles ist eine eigensinnige Figur, getrieben von seinem Wahn, dem Geheimnis um die Snuff-Filme auf den Grund zu gehen. Er verbeißt sich in seinen Fall und mit großer Geduld und Ausdauer lüftet er nach und nach den Vorhang. Er identifiziert das Mädchen im Film, dessen Mutter und findet eine Spur zu den Machern des Snuff-Films. Das Schicksal der Getöteten, Mary Ann Matthews, hält ihn in Beschlag. Der Familienvater leidet; und ein leidender Nicholas Cage ist in den damaligen Zeiten ein darstellerischer Garant.

Neben dem Schicksal des Mädchens, welches große Träume verfolgte, die schamlos ausgenutzt wurden, sinkt Welles gleichzeitig in diesen Morast aus Perversion und anders gearteter Sexualität. Hier schwächelt 8MM mit seiner Darstellung dieser Parallelwelt. Auf den ersten Blick ist diese faszinierend, dunkel, schmutzig und - wie für Welles so auch für den Zuschauer - sehr anziehend. Joaquin Phoenix, beinahe in seinem Spiel ein wenig stärker als sein Partner Cage, zieht den Zuschauer wie den Detektiv in diese Welt, die von sadomasochistischen Sexpraktiken und weitaus undenkbarerem wie Pädophilie beherrscht wird. Der Zuchauer taucht weitaus lieber als Welles selbst in den Untergrund ein, lässt sich vom detaillierten Production Design des Films einlullen. Der Look von 8MM ist angenehm dunkel gehalten; kommt ohne blendenden Hochglanz oder allzu hübsche Bildern aus. Den schmuddeligen Plätzen im Kosmos des Max California steht die schwere und dunkle Einrichtung im Hause der Christians gegenüber. Dazu kommen mal halb, mal ganz verfallene Locations, in denen die Einrichtung davon erzählt, was in ihnen vorgeht: die Gemäuer eines Pornoproduzenten, das heruntergekommen wirkende Haus von Mary Anns Mutter und selbst die Einrichtung in Welles Zuhause: dunkel.

8MM watet dafür auch in Klischees. Max California ist ein Klischeepunk, mit Intelligenz gesegnet, der diesem Morast eigentlich gar nicht nötig hätte. Die Menschen aus der Pornoszene: durch und durch schmierig und unsympathisch, was aber dem Figurendesign und der Geschichte zuzuschreiben ist. Der Untergrund mit seinen namenlosen Figuren, die man meist gar nicht näher kenennlernen will - selbst als Zuschauer - ist den typischen Vorstellungen eines konservativen Denkens entsprungen. Dem Alter des Filmes zum Trotz: heute sieht so manches hier "schockierendes" bei Leibe nicht mehr so schockierend aus: war auch zu Entstehungszeiten die Darstellung auf Klischees beruhend. Es ist meckern auf einem hohen Niveau: Schumacher versteht selbstverständlich sein Handwerk, was 8MM zu einem spannenden Film macht. Er bezieht diese Spannung aus dem Puzzle, welches Welles nach und nach zusammenfügt. Der Strudel, in den er sich begibt, packt auch den Zuschauer und zieht diesen mit sich. Der Soundtrack mit seinem Industrial-Charakter und seinen orientalischen Einschüben tut dabei sein übriges. Es ist die Darstellung des Fremdartigen auf der Tonspur, die einen von Beginn an gefangen nimmt.

Schumacher zeichnet in seinem Film ein Bild einer schlechten Welt, in der die unschuldigen Seelen auf der Strecke bleiben. Für eine Major-Produktion ist er angenehm düster, was vielleicht auch daran liegt, dass der Drehbuchautor Kevin Walker für den ebenfalls angenehm dunkel gezeichneten Sieben verantwortlich ist. In der Träume und Ideale die kleinen, schutzbedürftigen Geschöpfe sind, die von Raubtieren - im Film stellvertretend die Macher des Snuff-Films - gefressen werden. Über die klischeehafte Zeichnung dieses Untergrunds und seiner daraus entspringenden Figuren kann man da hinwegsehen. Bis auf das dick auftragende Ende, welches auch weniger on-point und zu sehr in die Länge gezogen ist, gefällt diese düstere Fantasie über eine urbane Legende sehr gut. Cages Rachefeldzug ist nachvollziehbar, wobei er sich wie ein zu langer Epilog nach dem Finale anfühlt. 8MM ist mit dem bereits angesprochenen Sieben der langsame Einzug des Schmutzigen in Hollywood-Produktionen, beklemmend in seiner Wirkung (man leidet mit Cage bei seiner ersten Sichtung des Snuff-Films wirklich mit) und bis auf wenige Momente die ganze Zeit über spannend.

Samstag, 19. November 2016

The Crazies (2010)

Bei Remakes stellt man sich als Filmfan immer die Frage nach dem "Wieso?". Selten gewinnen sie dem Originalstoff neue Aspekte ab oder führen die Geschichte in ganz andere Bahnen. Vor allem im Horrorfilm hat man als Fan das Ärgernis, dass im Zuge der Modernisierung der "alte Scheiß" durch 1:1-Übernahme von Story, Bildern etc. die Klassiker auf ein junges Publikum zugeschnitten wird. Das 2005 entstandene Remake von The Fog oder Gus Van Sants Psycho sind zum Beispiel solche Ärgernisse. Vielleicht geht man als Freund der Originale auch immer etwas voreingenommen an die Werke heran, wenn es an die Neuverfilmung herangeht.

Dann ist es doch ganz gut, dass ich von The Crazies George Romeros Original von 1973 nicht kenne? Der böse Geist des Remakes schwebte bei der Sichtung trotzdem im Hinterkopf herum, auch wenn ein mehr oder minder unterbewusster Vergleich mit dem Film des Zombie-Schöpfers ausblieb. Gleich bleibt die Geschichte: in einer kleinen Stadt wird nach dem Absturz einer Militärmaschine mit einer bakteriellen Waffe an Bord das Grundwasser verseucht. Der Kontakt mit dem Kampfstoff lässt die Infizierten zu apathisch wirkenden, tickenden Zeitbomben werden, die ohne einen triftigen Grund aggressiv zu Werke gehen und Menschen angreifen. Das Militär steht schnell auf der Matte, versucht der Lage Herr zu werden, doch in einem eingerichteten Lager kommt es zu einer Panne. Die eingepferchten Infizierten machen Jagd auf die Überlebenden. Unter ihnen Sheriff David Dulton, der im Gewühl seine schwangere Frau verliert und zusammen mit seinem Deputy Russell diese zu finden und zu überleben.

Selbst ohne Kenntnis der Crazies aus den 70ern, merkt man dem Remake eines an: die Übertragung der Story in die Jetztzeit, modern aufbereitet und komplett an die Sehgewohnheiten und dem Mechanismus des zeitgenössischen Horrorfilms angepasst. Mit dem Auftritt eines bewaffneten, als Stadtsäufers bekannten Farmers während eines Baseballspiels startet der Film recht zackig und kommt zügig zum Punkt. Die Figuren werden kurz vorgestellt, dabei die verschlafene Kleinstadtatmosphäre recht gut dem Zuschauer näher gebracht und alsbald beginnt die Action. Im Verlauf seiner Geschichte folgt The Crazies einem Muster: regelmäßig schiebt man Spannungsmomente ein, wenn es der jungen Zielgruppe langweilig werden könnte. Zu Beginn mag dies sogar noch funktionieren, mit weiterem Verlauf macht sich schnell Eintönigkeit breit. Technisch mag The Crazies, in Deutschland noch mit dem Untertitel "Fürchte deinen Nächsten" versehen, auf einem sehr sauberen Niveau sein, der Zuschauer wird aber nicht komplett abgeholt. Es lässt einen alles erstaunlich kalt. Der Versuch, die Charaktere näherzubringen ist merkbar, diese bleiben aber immer grob skizzierte Figuren.

Gute Momente kann Breck Eisner kreieren. Zum Beispiel, als einer der Infizierten im teils überrannten Lager mit seiner Mistgabel in eine Quarantäne-Station in der fixierte Patienten eigentlich auf weitere Untersuchungen warten, eindringt. Eisner dehnt seine Spannungsszenen aus: manchmal wirkungsvoll, ein anderes Mal dem Hochglanz-Mainstream-Charakter des Films anzulastend nicht komplett durchschlagend. Etwas schade ist zudem, dass eine Nebenhandlung um den Deputy Russell nicht noch mehr ausgeweitet wurde. Wird dieser im Überlebenskampf durch seinen Adrenalinrausch und der Loslösung von gesellschaftlichen Regeln verrückt oder ist er auch nur schlicht und ergreifend einer der Infizierten? Dies schafft so manch gute Szene in der zweiten Hälfte des Films, aber Hollywood-typisch ist hier die Auflösung sehr einfach zu erraten. Sei's drum: The Crazies kann ordentlich unterhalten. Und - wenn ich mir Thomas Grohs Besprechung dazu durchlese - Romeros Original nicht das Wasser reichen. Selbst ohne Kenntnis von diesem beschleicht einen schnell der gleiche Verdacht. So ist The Crazies einfach eins unter vielen Remakes das den jungen Hüpfern da draußen einen Klassiker mit modernen Mitteln schmackhaft machen will, ohne dessen Klasse auch nur Ansatzweise zu erreichen. Hat man schnell und gut durchgeguckt, aber ebenso schnell wieder vergessen.

Mittwoch, 16. November 2016

V/H/S

Die als Videochat (auf einem VHS-Tape befindlichen?) aufgezogene vierte Story wird durch ihren Twist, trotz gut eingesetzter Schockmomente, ziemlich zerstört. Auf Teufel komm raus wollen die Macher ungewöhnlich und nicht vorhersehbar wirken. Eine gute Einstellung, die durch eine spürbare Übermotivierung nicht gänzlich funktioniert. Da will dann zum Ende auch die Haupthandlung nicht wirklich funktionieren. Zu einem Teil bleibt man beim Ende von V/H/S leicht enttäuscht zurück, dessen originelles Konzept aber im Gesamten dazu beiträgt, dass man noch versöhnlich auf den Film zurück blickt. Selbst dann, wenn die fragmentartigen Videoschnipsel, die eine Geschichte bilden wollen und sollen, das teils nicht zu hundert Prozent hinbekommen. Hier blockiert der Found Footage-Stil die schlüssige Entwicklung einer Geschichte. Eigentlich super geeignet für die Generation YouTube oder Snapchat, wobei man auch als alter Knacker, der die gute alte Videozeit mitbekommen hat, durchaus Spaß mit dem Film haben kann. 

In der Theorie liest es sich mehr als interessant: einige Independent-Regisseure, darunter Ti West (The Innkeepers) oder Adam Wingard (Blair Witch, The Guest), tun sich zusammen und kreieren eine Horroranthologie, welche im Stil von Found Footage-Filmen gehalten ist. Herausgekommen ist V/H/S, der es über die Jahre hinweg immerhin auf zwei Fortsetzungen brachte. Selbst als großer Freund beider Spielarten kann man allerdings seine Probleme mit dem Film haben.


Seine Rahmenhandlung präsentiert uns eine Gruppe von Kleinkriminellen, die angeheuert wird, um ein ominöses Videoband mit prekärem Inhalt in einem Haus ausfindig zu machen und zu stehlen. Dort eingestiegen, finden sie eher wenig Einrichtung, eine seltsame Stimmung und einen Toten im Sessel vor einigen Fernsehern sitzend, vor. Dazu nicht nur eines, sondern viele Videobänder, die es zu sichten gilt. Diese bilden die einzelnen Geschichten der Anthologie und sind ein grober Querschnitt durch verschiedene Subgenres des Horrors. Egal ob auf einer Sauftour die aufgerissene, seltsam wirkende Dame ihre wahre Persönlichkeit blutig preisgibt, eine Gruppe von Jugendlichen bei ihrem Ausflug zu einem See von einem irren Mörder verfolgt wird oder eine junge Dame ihrem Freund von ihren unheimlichen Begegnungen in ihrem Haus erzählt: es ist für jeden Geschmack etwas dabei.


Sicherlich gibt es in jedem Episodenfilm Licht und Schatten zu betrachten, V/H/S hat bei einigen seiner Geschichten das Problem, das für diese der ausgewählte Stil der Erzählung nicht immer von Vorteil ist. Da ist die erste Episode - die erwähnte Sauftour - schon beinahe die beste, ist diese doch auch am rundesten erzählt. Als Clou sei eine hier eingesetzte Brille mit eingebauter Kamera zu erwähnen, die dafür sorgt, dass beinahe die gesamte Episode im Point-of-View gefilmt wurde. Dies verstärkt die Intensivität der einfachen Story und lässt auch deren abruptes Ende verschmerzen.


In den anderen Geschichten mag der Found Footage-Stil für deren Aufbau nicht gerade förderlich sein. Ti Wests Beitrag fühlt sich sehr authentisch nach einem echten, langweiligen Flitterwochen-Video an, lässt durch seine unspektakuläre Art den finalen Twist komplett verpuffen. Ohnehin neigen die Macher von V/H/S mit ihrer Überambitioniertheit dazu, die Wirkung einer durchaus guten Geschichte mit einem eher unglücklich gewählten Twist zu versauen. Die Slasher-Episode wird unnötig in die Länge gezogen, obwohl auch sie trotz ihres simplen Charakters vor allem mit einem ungewöhnlichen Killer, bei dessen Auftauchen Glitches genutzt werden und so das Videofeeling verstärkt wird, punkten kann.

Sonntag, 13. November 2016

Das Messer

Das schöne am Giallo ist für mich seine Vielseitigkeit. Auf der einen Seite hat man die Filme in denen hübsche Frauen wimmeln, maskierte Mörder mit ihren schwarzen Handschuhen und blutige, meist mehr oder minder durchstilisierte Mordtaten, die der Fokus dieser meist einfach gestrickten Kriminalgeschichten sind. Auf der anderen Seite gibt es eben diese Werke, denen der Stempel Giallo aufgedrückt wurde, die aber gefühlt erstmal nicht so richtig in dieses Universum mit all seinen beschriebenen Markenzeichen passen. Duccio Tessaris Das Messer, im deutschen Sprachraum auch noch unter seinem Videotitel Blutspur im Park bekannt, gehört zu diesen außergewöhnlicheren Filmen. Dabei schlägt Tessari wenigstens ein bisschen die Brücke zu einigen bekannten Elementen des Genres.

Komplett scheint sich Tessari für die bekannten Ingredienzen des Giallo nicht zu interessieren. Die sexuelle Komponente ist spürbar, kommt in verschiedenen Formen in der Geschichte auch zu tragen, ist aber weit weniger mit für den gewaltsamen Akt stehenden, symbolische Tötungsszenen verbunden. Der Auslöser für die Geschichte von Das Messer ist dabei aber ganz klassisch ein Mord. Verübt an einer 17-jährigen, französischen Studentin. Mitten am Tag in einem Park. Der Mörder wird auf seiner Flucht von verschiedenen Leuten gesehen und dank der akribischen Ermittlungen des Kommissars Berardi wird schnell mit dem Sportreporter Allesandro Marchi der Täter gefunden. Trotz der Bemühungen von dessen Freund und Anwalt Giulio, ihn vor einer Verurteilung zu bewahren, wird er für schuldig befunden. Schnell zweifelt man an der Täterschaft Allesandros als weitere, ähnliche Morde geschehen.

Schnell und nebensächlich werden diese Tötungen abgehandelt. Sie sind weder ausgedehnt noch zelebrierend inszeniert. Die leicht verschachtelte Erzählweise rückt sie nur immer wieder in den Blickpunkt der Geschichte, wenn durch verschiedene Perspektiven, die Bluttat an der jungen Studentin immer ein wenig anders erscheint und so nach und nach ein Puzzle zusammengesetzt wird. Ausführlicher konzentriert sich Das Messer auf die Aufklärung der Tat und damit auf die Arbeit der Polizei. Diese nimmt sehr viel Raum in der ersten Hälfte des Films ein. Beinahe könnte man diesen als ein konventionell erscheinendes Kriminalwerk abstempeln, doch schon hier zeigt uns Tessari, worauf er eigentlich aus will. Das Messer ist mehr als ein einfacher Krimi. Selbst durch die Gerichtsverhandlung, für die man ebenfalls recht viel Zeit beansprucht, kann man ihn auch nicht einfach als Courtroom-Crime Story bezeichnen. Obwohl man sich etwas an solche Filme á la Zeugin der Anklage erinnert fühlt. Das Gialloeske blitzt wie gesagt ohnehin nur am Rand auf.

Vielmehr handelt Blutspur im Park in seinem auf den ersten Blick biederen Gewand von der Wahrnehmung des Menschen. Auf den ersten Blick vielleicht offensichtliche Dinge sind bei genauerer Betrachtung doch was anderes. Die sehr schöne Fotografie von Kameramann Carlo Carlini gibt hier immer wieder Anzeichen darauf. Häufig werden Spiegel oder ähnliches benutzt, durch Gläser hindurch gefilmt und alleine schon die erste Szene ist ein Zeichen dafür, was Das Messer eigentlich behandeln möchte. Ida Gallis Heimfahrt in ihr Haus endet mit ihrer Ankunft dort und wie sie sich plötzlich eine Perücke abzieht. Ein kleines Sinnbild für Maskerade; eben auch in zwischenmenschlicher Beziehung, was mit fortlaufender Zeit zum Gegenstand der Handlung wird. Tessari, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, fehlt an manchen Stellen des Drehbuch das Geschick eines Claude Chabrols, der ja auch sehr gerne die Maskerade des (gehobenen) Bürgertums demaskiert hat.

Bis zu einem gewissen Punkt funktioniert Das Messer als leicht bieder anmutender Krimi mit heimlichem Blick auf zwischenmenschliche Beziehungen und ihren Rissen und dem sexuellen Trieb, der den Mensch auf manchmal gar düstere Pfade lenkt, sehr gut. Tessari hätte gut daran getan, zur Einleitung des Finales das Gewand der Einfachheit abzulegen. Extravaganz, wie sie die stilisierten, die typischen Gialli besitzen, währe hier der zündende Funke gewesen. Das Finale mit seiner Auflösung ist entgegen des restlichen Films nicht unbedingt raffiniert. Gelingt es dem Drehbuch, den Zuschauer in seiner Krimi- bzw. Whodunit-Ebene zwischen den verdächtigen Figuren schwanken zu lassen, wird der dramatische Effekt am Ende überstrapaziert und damit bleibt ein ganz großer Knall, eine Explosion auf die gefühlt zugesteuert wird, einfach aus. Das Ende hallt gewiss etwas nach, doch die von Tessari gewünschte Wirkung ist weit weniger als gedacht, effektiv.

Vielleicht liegt das auch in der Auslegung der Figuren und der Besetzung von Helmut Berger als weniger durchschaubaren Pianisten Giorgio. Berger darf den geheimnisvollen geben, mysteriös wirken, leidend mit Weltschmerz im Blick in die Kamera schauen und irgendwo denkt sich der Zuschauer - gerade wohl auch wegen Bergers Image und Rollen im Genrekino - das mit dem irgendwas nicht stimmt. Der Österreicher macht seine Sache gut, keine Frage, aber dies war vielleicht nicht der beste Besetzungskniff. Ansonsten darf man doch mehr als nur leicht applaudieren, wenn die Blutspur im Park endet. Das Zusammenspiel zwischen der sehr hübschen, zurückhaltenden Art der Fotografie, Gianni Ferrios jazzigem und interpretationsreichem Soundtrack, der Tchaikovsyks Piano-Konzert No. 1 sehr schön einzusetzen weiß und zu einem Schlüsselthema wird und einer Kriminalgeschichte die hinter die Fassaden von Begierden und Beziehungen schaut, ist sehr gut umgesetzt. Es ist eigentlich ein bisschen schade, dass bei Fans des Genres Tessari immer etwas am Rand steht. Seine beiden anderen Beiträge zum Genre, Der Mann ohne Gedächtnis und Das Grauen kam aus dem Nebel, sind nämlich ebenfalls äußerst stark.

Freitag, 11. November 2016

Waterworld

Vielleicht ist sein Ruf mittlerweile doch weitaus besser als vor einigen Jahren. Eventuell ist das kollektive schlecht finden von Waterworld nur einer verblichenen Erinnerung von mir entsprungen. Fakt ist: damals - vor 21 Jahren - war dieses Kevin Costner-Vehikel der bis dato teuerste Film der Geschichte. Und ein Flop. Seine 175 Millionen US-Dollar hat der Film im Kino nicht eingespielt. Die Kosten bzw. ein Plus konnte man erst leicht durch die Heimkino-Auswertung einfahren. Schlechtes Wetter, Extrawünsche von Star Costner, Transportprobleme und ein Regisseur, der auf seine ursprüngliche Drei Stunden-Fassung beharrte und deswegen gefeuert wurde: beinahe kommen einem Gedanken an Heaven's Gate, einem weiteren Geldgrab der amerikanischen Filmindustrie.

Betrachtet man Waterworld losgelöst von seinen Produktionsumständen, so birgt er eine interessante Idee im dystopisch angehauchten Film mit sich: die Polkappen sind geschmolzen, die uns bekannte Welt versank in den Wassermassen. Überlebende der Umweltkatastrophe streunen in ihren Kähnen und Booten auf dem Wasser umher oder verschanzen sich in befestigten Atollen. Kevin Costners dargestellter Mariner zieht mit seinem Katamaran über das Weltmeer, für sich und auf sich allein gestellt. Er ist gern für sich allein, kommt allerdings (natürlich) in einen Konflikt mit den fiesen Smokern - marodierende Banden zu Wasser - und ihrem Chef, dem Deacon, als diese ein befestigtes Atoll angreifen. Sie sind auf der Jagd nach der kleinen Enola. Das Mädchen hat eine Tätowierung auf dem Rücken, die den Weg nach "Dryland" - einem legendären Ort, das letzte Festland überhaupt - zeigen soll. Nach seiner Flucht hat der Mariner, dieser einsame Wolf der Weltmeere, Enola und Helen, die Ziehmutter des Mädchens, an den Backen. Es fällt ihm schwer, sich mit den beiden zu arangieren. Allerdings fällt es ihm noch schwerer, die weiterhin nach dem Mädchen gierenden Smoker abzuschütteln.

Ganz nüchtern betrachtet, ist Waterworld ein großes Spektakel zu Wasser, in dem die in geregelten Bahnen verlaufende Geschichte schnell zur Nebensache gerät. Wobei sie ohnehin nicht allzu komplex und vielschichtig ist. Man kennt die Konstellationen, dass der so einsame und namenlose Held schnell wider seinem Willen plötzlich mit einer größeren Aufgabe vertraut ist. Hier die Suche nach dem filmischen Paradies, diesem Mythos "Dryland", welcher angeblich nur eine Legende ist und dem Schutz der Trägerin der Karte zu diesem: einem kleinen Mädchen und seiner Ziehmutter. Bei genauerer Betrachtung ist Waterworld mit all seinen Elementen an einen Western, von seinem Look fühlt man sich an Mad Max 2 und dessen Fortsetzung erinnert. Eben alles auf dem Wasser. Bis zu einem gewissen Punkt funktioniert Waterworld auch gut, kann allerdings auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein martialisches Wesen in leiseren Momenten zu Leerlauf führt. Da ist der Ethnotouch in Mad Max 3 - Jenseits der Donnerkuppel besser gelungen.

Spaß kann man an Waterworld dennoch haben. Die hübschen Bauten, die tolle Ausstattung sind - weil eben noch richtig gebaut wurden und nicht digitalisiert - ziemlicher Eyecandy. Im Gegensatz zum manchmal etwas zu routiniert agierenden Kevin Costner macht auf der Seite der Bösewichte der am Overacting haarscharf vorbeischrammende Dennis Hopper als Deacon ziemlich viel Spaß. Auch weil die Szenen mit ihm und seinen bösen Smokern häufig comichaft anmuten. Da sieht man gerne über die ansonsten sehr mutlose Story und die konventionelle Art der Inszenierung hinweg. Dann bleibt man eben bei den ordentlichen Actionsequenzen hängen, deren Schlüsselszene - die Erstürmung des Forts/Atolls - schon fast wieder den Fehler begeht und zu lange ist und damit den Zuschauer beinahe erdrückt. Spaß kann man mit diesem Film in gewissem Maße trotzdem haben. Bevor der Film an seinem pseudo-umweltschützerischem Anspruch scheitert, fliegt ja doch wieder irgendwo was in die Luft oder erfreuen die Smoker in ihrer erfrischend dämlichen Art. Ja, mir gefällt der Film und ist eines meiner liebsten "Guilty Pleasures" der Hochglanz- bzw. Mainstream-Spektakel der 90er. Für ein belustigtes Grinsen ist der Film immer wieder gut.

Dienstag, 8. November 2016

Sartana - Noch warm und schon Sand drauf: Italowestern als Hörspiel


 Italowestern-Fans hergehört (wortwörtlich!) Der Film von Giuliano Carnimeo aus dem Jahr 1970 gehört zu den fünf originalen Sartana-Filmen, die in der Hochphase des Genres enstanden sind. Die Filme sind nicht wirklich miteinander verbunden und der mittlerweile mit dem Charakter Sartanas verbundene Schauspieler Gianni Garko spielt diesen in nur drei Filmen.

Meine erste Begegnung mit Sartana war eben dieser Film, dessen deutsche Fassung dem berühmt-berüchtigten Rainer Brandt in die Hände fiel. Dieser Synchrongott kreierte die kultige Synchro der englischen Serie Die Zwei, ist für viele Synchronfassungen der Bud Spencer & Terence Hill-Filme verantwortlich und "verbesserte" einige andere Filme mit einer sehr zotigen oder flapsigen Synchronfassung. Manchmal ist das auch zu viel des Guten, vieles ist über die Jahre - wenn man Brandts Stil kennt - auch schon ziemlich abgestanden. Aber: alleine auch wegen den vielen Sprechern, Sprüchen und Ausdrücken, die man durch seine Synchros ins Herz geschlossen hat, sind seine Werke Kult. Im Gegenzug sind ausdrücklich die deutsche Synchro zu Das große Fressen und die Bearbeitung der Kultserie M*A*S*H erwähnt.

Nun gibt es vom WDR eine Hörspiel-Fassung dieses Films, der auf der Synchronfassung Brandts basiert. Ergänzt wurde das ganze von Leonhard Koppelmann, Roland Slawik und dem Genrekennern allseits bekannten Christian Keßler (Autor u. a. von "Die läufige Leinwand" und "Willkommen in der Hölle") Dieser ist auch selbst mit von der Partie, wobei auch die restlichen Sprecher sich sehen und vor allem hören lassen können: Bela B., Stefan Kaminski und Oliver Rohrbeck sind zu hören. Die musikalische Untermalung kommt von der Band Smokestack Lightnin' und auch wenn ich über die Jahre ein wenig müde im Bezug des Italowesterns wurde: da wird verdammt nochmal reingehört!

Das Hörspiel kann man sich hier für begrenzte Zeit herunterladen.

(Logo © Westdeutscher Rundfunk)

The VVitch - A New-England Folktale

Das Review könnte kleinere Spoiler beinhalten!

Ich kann meine Begeisterung über Vertreter des Horrorfilmgenres meist schwer im Zaum halten, wenn dieses "nur" der Überbau für eine sowohl schaurig-schöne als auch intelligente Auseinandersetzung für gewisse Thematiken ist. Wenn der Horror nur noch beiläufig ist, Platz für ein "größeres Ganzes" macht und teils auch sehr unterschiedliche Genres miteinander verbindet. So ging es mir mit dem interpretationsreichen It Follows, welcher für mich zum besten Horrorfilm des letzten Jahres wurde. Über die letzten Jahre kamen aus dem Indie-Bereich so einige Vertreter eines gewissen intellektuell fordernden Horrors und ohne hier jetzt komplett ins Namedropping zu verfallen, seien hier noch der österreichische Ich seh, ich seh (Review gibt es hier), der wirklich tolle Starry Eyes oder auch mit gewissen Abstrichen Eat genannt.

Jetzt haben wir nun mit The VVitch - A New-England Folktale einen Film, der genau dies bedienen soll und seit seinem Anlaufen in den Kinos als auch der Veröffentlichung im Heimkino-Bereich die Zuschauer polarisiert. Langweilig sei dies, manche Zuschauer haben im Kino bei einigen Szenen laut gelacht. So Follower meines privaten Twitter-Accounts. Auf der anderen Seite gibt es Kollegen wie Björn oder Oliver Nöding, die durchaus wohlwollende bis sehr lobende Worte über Robert Eggers Langfilmdebüt verloren. Mit durchaus großer Erwartungshaltung ging ich an diesen Film heran und wurde keinesfalls, wie das durchaus schon einmal vorkommen kann (gerade wenn eine Sache sehr groß gehyped wird), enttäuscht. Das schöne an diesem Film ist, dass man zwei unabhängige Lesarten hat bzw. ihn ganz unterschiedlich interpretieren kann.

The VVitch behandelt ein zutiefst trauriges Drama innerhalb einer Familie, die an einem schweren Schicksalsschlag zu zerbrechen droht: um das Jahr 1630 werden William und Kate mit ihren Kindern Mercy, Jonas, Thomasin und Caleb wegen zu strenger Glaubensauslegung des Vaters aus ihrer Siedlung verbannt. Auf der Suche nach einer neuen Bleibe, lassen sie sich auf einem geeignet aussehnden Stück Land nahe eines Waldes häuslich nieder und Kate schenkt bald darauf dem fünften Kind Samuel das Leben. Eines Tages verschwindet der Säugling unter der Aufsicht der Älteste, Thomasin, spurlos. Wurde er von einem Wolf oder doch einer Hexe geholt? Die Tragödie führt dazu, dass sich Misstrauen innerhalb der Familie und Schuldzuweisungen häufen. Vor allem bleibt die Frage im Raum, was denn nun überhaupt Samuel geholt hat und ob dieses etwas nicht längst innerhalb der Familie wandelt.

Schaut man sich die Entwicklung des Horrorfilms in den letzten Jahren mit all seinem lauten und krachigen Wesen an, der manchmal mit wahren Bombardements an Jumpscare-Szenen zu einem gewissen Overkill führte (trotz derer gutem Timing in einigen Filmen), so gibt sich The VVitch angenehm zurückhaltend. Der Schrecken schleicht sich auf leisen Sohlen an, behält die ganze Laufzeit über seine angenehme Subtilität und wird erst im Finale - und das nur ganz kurz - entfesselter. Der Untertitel "A New-England Folktale" passt ohnehin sehr gut: Aufgrund der Zeit, in die der Film spielt und der Entwicklung seiner Story wohnt ihm eine Märchenhaftigkeit inne, die sich auf die düsteren Elemente der Volkserzählungen konzentriert. Eggers Film klärt uns zudem an seinem Ende auf, dass für die authentischen Hintergründe für The VVitch sehr genau recherchiert wurde. Laut dieser Einblendung stammen angeblich einige Dialoge des Filmes direkt aus historischen Dokumenten.

So fühlt sich The VVitch wirklich sehr authentisch und greifbar an, was die Wirkung der im dunklen Wald lebenden Bedrohung, verstärkt. Die Hexe lebt in den Schatten der Bäume, tief im Wald verborgen, wird als alte und hässliche Frau dargestellt, ohne hier in typische Klischeevorstellungen abzudriften. Wenn man sich, wie ich, mit der Entwicklung von altem Volksglauben á la Vampirismus, Lykanthropie oder auch Hexenglauben beschäftigt und ein wenig über die damaligen Vorstellungen bescheid weiß, fühlt sich dies wohl gleich (trotz des phantastischen Aspekts) doppelt so glaubhaft an. Als Beispiel sei hier die Szene genannt, in der sich die Hexe an Samuel zu schaffen macht: die darauffolgende Sequenz, in der sie sich zum Flug in die Lüfte aufmacht, beeinhaltet sowohl einen übernatürlichen Touch als auch eine Darstellung überlieferter Hinweise, wie Hexen anhand ihrer Flugsalben und der Wirkung der darin enthaltenen psychoaktiven Pflanzen in die Lüfte "aufsteigen". Das ist auch die große Stärke dieses Films: Es wird zu keiner Zeit wirklich verleugnet, dass das, was sich da abspielt, nur auf den starken christlichen Glauben der Familie zurückzuführen ist. Es ist eine Lesart des Films und er spielt hier auch gut mit der Wahrnehmung seiner Figuren und kann die Zuspitzung der Geschehnisse innerhalb der Familie transportieren.

Die Hexe, die Bedrohung von Außerhalb, gibt den immer offener zu Tage tretenden Problemen innerhalb der Familie nur den Rest. Diese äußere Gefahr kann allerdings auch nur eine Projektion dessen sein, was sich in den Köpfen der streng gottesfürchtigen Leuten abspielt. Es mag sein, dass dieses alte Geschöpf wirklich existiert oder - wie angesprochen - nur ein Hirngespinst ist, eine Manifestation des im Glauben der Familie existierenden Negativen. Die Verbannung aus der Siedlung ist hier nur der Anfang einer ganzen Reihe von Geschehnissen, welche die Eheleute zusammen mit ihren Kindern hinnehmen müssen und den Glauben schwer erschüttert. Dieser ist in seiner streng christlichen Auslegung beinahe schon prädestiniert für Wahnvorstellungen, die sich anhand der schwer verdaulichen Rückschläge nach der Verbannung, entwickeln könnten. Dazu kommt das zarte Aufkeimen der menschlichen Sexualität, die Erwachsenwerdung von Thomasin und auch Caleb steckt im Übergang von Kind zum Jugendlichen. Es kommt hier für William und Kate einiges zusammen, mit dem sie sich schwerlich auseinandersetzen können. Gerade letzteres ist für Kate ein präsentes und sie beschäftigendes Problem.

Robert Eggers verbindet dies in The VVitch zu einem stark gespielten Familiendrama mit leisem Mysteryhorror der auf allzu grobe Schocksequenzen verzichtet. Der Schrecken hier entsteht aus der Wechselwirkung zwischen Zuspitzung der misslichen familiären Schräglage und einer heute im Reich der Volkslegenden anzufindenden Kreatur bzw Figur, die sich sehr wohl auch das Leid der Personen zunutze macht und daraus ihre Stärke bezieht. Verstärkt wird dies mit einer aufgeräumten Fotografie, die sowohl distanziert als auch sehr Nahe an den Figuren dran ist. Die auf zusätzliche Beleuchtung verzichtenden Aufnahmen im inneren der spärlichen Hütte der Familie, nur von Kerzenlicht beleuchtet, sind atmosphärisch stark und brillant eingefangen. Wenn der Film gegen Ende hin die Ereignisse der Geschichte auf die Präsenz eben jener titelgebenden Hexe schiebt, so ist dies nicht enttäuschend, weil es sich das Drehbuch hier zu einfach macht, sondern konsequent die beibehaltene Richtung, die der Film von Beginn an gegangen ist. Er bleibt der im Untertitel angesprochenen Volkserzählung treu und ist einfach ein starkes, intelligentes und subtil arbeitendes Horrormärchen für Erwachsene. Trotz einiger anderer guter Filme des Genres und dem neuesten Winding-Refn-Films The Neon Demon, der allerdings beiweitem kein wirklicher Horrorfilm ist sondern nur beiläufig mit dessen Mechanismen spielt, ist für mich The VVitch der stärkste und somit beste Horrorfilm 2016.

Montag, 7. November 2016

Dead Silence

Nach James Wans Überraschungshit Saw entstanden, lastete auf Dead Silence sicher damals schon eine gewisse Erwartungshaltung. Schaut man sich den Film mittlerweile an, nachdem Wan die durchaus guten Conjuring-Filme und den fantastischen Insidious gemacht hat, ist diese Erwartungshaltung noch ein wenig größer. Der Regisseur hat mit diesen Filmen bewiesen, dass er durchaus ein gutes Händchen für atmosphärische Stoffe mit gut getimten Gruselmomenten ist. Allerdings stellt sich bei Dead Silence schnell die Ernüchterung ein. Trotz seines vorhandenen Potenzials ist der Film eher nur ein solides Spiel mit gängigen Versatzstücken, welches in der Entwicklung seiner Geschichte nicht richtig zu überzeugen vermag.

Gerade eben noch auf dem Weg, um für seine Liebste und sich Chinanudeln zu holen, schon wird Jamie bei der Rückkehr in die heimische Wohnung vom Schicksal stark gebeutelt. Seine Freundin liegt tot im Bett: mit weit aufgerissenen Augen, ebenso groß aufgerissenem Mund und fehlender Zunge. Kurz bevor er aufbrach um Essen zu holen, klingelte es an der Wohnungstür und ein geheimnisvolles Päckchen liegt vor der Tür: darin ist eine Bauchredner-Puppe, der Absender ist unbekannt. Diese Puppe und der Tod der Freundin führt Jamie zurück in seine langsam vor sich hingammelnde Heimatstadt, um Antworten zu finden. Wieso musste seine Freundin sterben? Was hat es mit der Puppe und der Legende um Mary Shaw auf sich, die Bauchrednerin die auch nach ihrem Tod laut dieser noch sehr umtriebig sein soll?

Wan verbindet hier zwei von mir geschätzte Subgenres, den Geister- und den Puppenhorror, zu einem nur gelinde befriedigendem Werk. So richtig möchte es mit der ganzen Story nicht wirklich klappen, obwohl diese sehr zielstrebig erzählt wird. Ohne unnötige Füllsel geht es voran, doch so richtig kann einen der Film auf dieser Ebene nicht abholen. Es scheint ein gewisser Druck auf James Wan gelastet haben, dass er an den Kassen der Kinos eben so viel Kohle scheffelt wie Saw. Dem Film merkt man an, dass er auf Nummer sicher geht und die Versatzstücke der beiden Genres solide ineinanderfließen lässt. Das geht okay, ist an manchen Stellen wirklich effektiv, aber hunderprozentig kann es nie überzeugen. Dead Silence ist viel zu konform, konservativ und vielbekannt in seiner Machart und möchte nicht aus seinem Genrekorsett ausbrechen.

Der Twist gegen Ende kann dies ein wenig auffangen, bevor der Eindruck eines absolut soliden aber mäßigen Werkes entsteht. Trotz aller Gleichförmigkeit punktet Dead Silence dafür in einer Sache: seinem Look und den Settings. Getaucht ist der Film in trübe, grau-braune Farben, in denen nur Rot stechend hervortritt. Dies verstärkt die Wirkung des Verfalls, der über der kleinen Heimatstadt des Protagonisten liegt. Hier streift Wan sogar öfter den Gothic Horror, wenn innerhalb des Filmes ein altes, heruntergekommenes Theater betreten wird. Ebenso wenn in des Nächtens auf den Friedhof geht. Dies sind mit die stärksten Momente eines Films, dessen Schocks selten sitzen und seine Atmosphäre bis auf die angesprochenen Szenen auch hätte etwas stärker ausfallen können. Man kann es als durchaus anschaubare Fingerübung Wans ansehen, bevor er sich an Conjuring und Insidious machte.