Sonntag, 14. Mai 2017

God Loves The Fighter

Trinidad und Tobago. Ein kleiner Inselstaat, dessen Inseln die südlichsten der kleinen Antillen sind und an die 1,3 Millionen Bewohner aufweist. Neben dieser Information, die aus dem Wikipedia-Artikel des Staates stammt, spuckt Googles Bildersuche malerische Bilder aus, wie man sich die Karibik vorstellt. Bilder wie aus dem Katalog mit weißen, sauberen Stränden und blauem Himmel. Gesäumt von Palmen und weiteren, herrlich grünen Pflanzen die uns wie das Paradies vorkommen. Ich selbst erlebte die Bewohner von Trinidad und Tobago, immerhin für ein Gruppenspiel bei der WM 2006 in Deutschland in meiner Heimatstadt zu Gast, als lebenslustige und äußerst gut gelaunte Menschen kennen die in der Innenstadt der kleinsten aller WM-Städte ordentlich Leben machten.

Gemeinsam streben wir, gemeinsam erblühen wir!


Damian Marcanos God Loves The Fighter straft den Wahlspruch seiner Heimat Lügen. Sein Film will ein alternatives, ungeschöntes Bild zeigen. Marcano schiebt alle Postkarten- und Reisebürokatalog-Bilder die vom Karibikstaat gezeigt wird, auf einen Haufen und schiebt diesen an einen imaginären, äußeren Rand um den Blick freizugeben auf die dunklen Seite von Port of Spain, der Hauptstadt des Staates. Als Sprachrohr und Erzähler hat er den verwahrlosten King Curtis auserkoren, der zu Beginn der schmutzigen Randgruppenmär durch die Straßen der Hauptstadt durch die belebten Straßen gleitet und mit scharfen Worten die Obrigkeiten und sozialen Missstände offen anspricht und verurteilt. Curtis macht schnell Platz für die Menschen, deren spärliches Leben der Film in den weiteren Minuten begleitet: Charlie, ein friedfertiger und guter Mensch mit Potenzial, der um seine Existenz zu sichern einen Job bei seinem alten Freund Stone annimmt. Viel zu spät bemerkt (oder kann seine Tätigkeit für sich selbst nicht mehr schönreden) er, in welche Geschäfte Stone verwickelt ist. Einen Ausweg gibt es da eigentlich schon lange nicht mehr.

In den weiteren episodisch angelegten Erzählsträngen lernen wir desweiteren den Jungen Chicken kennen, der weit weniger die Schule besucht, als jeden Tag für seine alkoholabhängige Mutter und sich selbst am Rande der Kleinkriminalität Essen beschafft. Last but not least wären da die junge Prostituierte Dinah, die für den exzentrischen Zuhälter Putao arbeitet, der mit harter Hand einen Handel mit Menschen und Drogen führt. Die Fäden, die Marcanos Geschichte auswirft, verlaufen dicht nebeneinander, kreuzen sich kurze Zeit immer wieder um erst gegen Ende ineinander überzugehen. Bis es dazu kommt, zeigt uns God Loves The Fighter mit welchem starken Willen Marcano dazu bestrebt ist, die Postkartenidylle mit all den Vierteln der reichen Bonzen und ihren dicken Karren und Hotels wie dem Hyatt einzureißen. Kind Curtis fungiert hier wohl auch als Sprachrohr eines wütenden Filmemachers, der mit derb-poetischen Zeilen aus dem Off die Handlung begleitet, vorantreibt und kommentiert. Marcano schafft es, dass es weder zu pathetisch, noch zu moralinsauer ist.


Wobei der Regisseur den Pathos in seiner Geschichte auf anderer, der visuellen Ebene, in den Film einbringt. Die ungeschönten Bilder der Ghettos Port of Spains sind stilisiert, grünstichig, überbelichtet oder in kalte Farbbeleuchtung des Nachtlebens sowie grob geschnitten. In gewisser Weise hübscht Marcano die Trostlosigkeit, die God Loves The Fighter zeigt, damit auf und lässt die Ghetto-Parallelwelt der Karibik-Hauptstadt kunstvoller aussehen als deren reelles Aussehen wirklich ist. Der Faszination kann man sich dafür schwer verwehren. Die Kamera ist immer nahe am Geschehen und ihren Figuren dran, klebt an ihnen und begleitet sie auf Schritt und Tritt. Semi-Dokumentarischer Anschein, um die Künstlichkeit der Stilisierung aufzulösen. Die interessant gewählten Bilder und Einstellungen können den größten Schwachpunkt des Films nicht vertuschen. God Loves The Fighter hält sich stark bei Nebensächlichkeiten auf und kann in den einzelnen Geschichtssträngen trotz aller traurigen Details, die gezeigt werden, für den Zuschauer niemals eine Hauptfigur so erzählerisch hervorheben, dass der Zuschauer zu diesen einen Bezug aufbauen kann. Sehr schade ist dies bei Charlie, der als Hauptfigur etabliert wird und an manchen Stellen eher wie eine Randfigur aussieht.

Das ist auch die Misere des Films: nicht nur die eigentliche Hauptfigur, auch die Nebenfiguren können niemals herausstechen. Die Geschichten, wie zum Beispiel die um Chicken und seine Mutter, wirken aus dem Grund aufgenommen, damit God Loves The Fighter einen weiteren Aspekt über das einfache und ärmliche Leben in Port of Spains Ghetto bieten kann. Da bleiben einige Geschichten leider auf der Strecke und wenn plötzlich das Ende, welches Putao, Dinah mit Charlie zusammenbringt, da ist, wirkt die Hauptgeschichte einfallslos und tausendmal erlebt. Besser und ausgeklügelter, aller erzählerischen Einfachheit zum Trotz. God Loves The Fighter kann als Verknüpfung verschiedener kleiner Stories um kleine Menschen mit großem (traurigen) Schicksal nicht komplett überzeugen. Marcano tat seinem Film schon einen großen gefallen, dass mit King Curtis als Off-Kommentator manche Teile der Story besser verwoben und vorangetrieben werden. Neben seinem Exotenstatus kann man dem Film aber auch nicht die faszinierende Wirkung seiner Bildsprache absprechen. Sie entwickeln eine schmutzige Atmosphäre, leicht fiebrig, die als episodisches Stimmungsbild mit traurigem Blick auf die Schatten- (und Schmutz-)seiten des Karibikstaates ganz ordentlich funktioniert.
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