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Sonntag, 23. Juli 2017

Night of the Living Dead (1990)

Und dann wird genagelt. Bretter, Türen, Tische und anderes hölzernes Mobiliar. Es wird gehämmert. Wieder genagelt. Die Fugen der Welt lösen sich auf, eine Gruppe von Menschen, die sich vorher nicht kannten, pferchen sich auf engem Raum zusammen und versuchen, sich vor der von draußen nach innen vordringenden, langsamen Gefahr zu verstecken. Nochmal panisches Nageln. Wird irgendwo eines der hastig an die Wand geschlagenen Bretter herausgedrückt, wird der untote Invasor hastig in den zweiten Tod oder wenigstens nach draußen geschickt. Sieh mal, wer da hämmert: Ben. Barbara. Harry. Tom. Judy Rose. Nur im Keller drunten, da warten Helen auf Rettung und Sarah auf ihre Auferstehung. Sie kommen um sie zu holen. Alle. Nur nicht Barbara.

Alles begann 1968, als der vor kurzem leider verstorbene George A. Romero zum Vater einer Schreckensfigur wurde. Ohne ihn gäbe es den Zombie, wie wir ihn heute aus vielen verschiedenen popkulturellen Werken kennen, nicht. Vorher gab es da nur den Arbeitssklaven, den künstlich in einen Scheintod geschickten Menschen, der willensleer die Befehle seiner Herren ausführte. Herbeigeführt durch geheime Voodoo-Rituale. Romero und Co-Autor John Russo erfanden ihn neu. Das bahnbrechende Make Over manifestierte sich komplett beim Kinopublikum, als der cinematografische Himmel zehn Jahre später blutig rot dämmerte. Mit Dawn of the Dead wankte der Untote ins Blickfeld der kollektiven Wahrnehmung und stürmte den Genrefilm. Selbst heute fasziniert uns das Bild der apokalyptischen Untotenauferstehnung in Film- oder mittlerweile auch Serienform.

Gut zwanzig Jahre später ließ Tom Savini Die Nacht der lebenden Toten wieder auferleben. Dieses Mal fahren Barbara und ihr Bruder Johnny in Farbe zum Friedhof, um das Grab der toten Mutter zu besuchen. Johnny gibt seinen zum Kult gewordenen, prophetischen Satz zum Besten, doch der langsam im Hintergrund wankende Mann erfreut sich anders als 1968 des Lebens. Der untote Schrecken bricht dennoch über die Geschwister herein. Barbaras Flucht im Wagen endet bei einem Haus, einer sicher geglaubten Zuflucht. Neben einigen lebenden Toten trifft hier auch Ben ein. Ebenfalls prophetischer Natur lässt Savini das Brecheisen bei Tony Todds erstem Auftritt in dessen Hand wie ein Haken aussehen, den der Mime ein Jahr später in Candyman als Substitut für eine fehlende Hand trug. Sie erwehren sich der Untoten als auch des feigen wie laut polternden Henry, der sich mit seiner Familie und überlebenden Bewohnern des Hauses in den Keller flüchtete.

Es wird diskutiert. Es wird gestritten. Es wird gehämmert. Es wird genagelt. Die Figuren im Haus verschanzen sich vor den Untoten wie das Drehbuch vor neuen Aspekten der Geschichte. Leichte Abwandlungen und Neuansätze weichen einer reiner visuell erneuerten Erzählung der originalen Story. Die Krux daran ist die mangelnde Finesse, die das Drehbuch wie Savini besitzen, um hier wie damals Romero alleine mit dem Konflikt zwischen Ben und Henry Spannung zu erzeugen. Es wird laut gestritten und nach lauter genagelt. Schier endlos erscheinendes Verschanzen der Figuren mit wiederholten Eingriffen der Zombies lässt das Remake unangenehm auf der Stelle treten. Erst der schiefgehende Fluchtversuch lässt Night Of The Living Dead wortwörtlich explodieren. Savini, Romeros Handlanger Nr. 1 bei den Effekten für Dawn Of The Dead und Day Of The Dead, werden damit die falschen Ambitionen weggesprengt. Spürbar blitzt sein wahres Talent bei den Actionszenen auf, die ordentlich inszeniert Spannung aufkommen lassen.

Savini nimmt ab der zweiten Hälfte des Film selbst im Regiestuhl seinen Hauptberuf des Maskenbildners wieder auf. Den zwanzig Jahren alten Grundmauern von Romeros Schöpfung verpasst er einen Anstrich, ohne vollkommen das ursprüngliche Aussehen zu vergessen. Der Kampf im Inneren findet dieses mal woanders ab. Der Zeit wird Rechnung getragen, die unterschwellige Kritik am Vietnamkrieg und das kammerspielartigen Rassismusdrama weichen der Emanzipierung der weiblichen Hauptfigur. Ging diese 1968 noch in der Masse der Untoten unter, wandelt sich Barbara von einer verschreckten, wenig selbstbewussten Frau zum toughen Final Girl. Sie wächst über sich hinaus bis sie im Finale Legislative, Judikative und Exekutive in einem wird. Rein optisch wird dies mit einer biederen Kurzhaarfrisur und einem maskulin vor sich hinstrahlendem Tanktop aus der neuen Kollektion Ellen Ripleys unterstrichen.

Die weibliche Emanzipierung der Protagonistin erreicht nicht die Tiefe, in die Romeros Metadramen in seinem Horrorfilm hervordrangen. Tom Savini gelingt dafür ein weitgehend unterhaltendes Remake über dessen Sinn lange diskutiert werden kann. Bedarf es bei einem Klassiker wie Night Of The Living Dead - bei dem selbst eine Jahre später angefertigte, nachkolorierte Fassung einer Frevelei gleichkommt - einer Neuverfilmung? Eigentlich nicht. Nun wurde sie eben vor mittlerweile gut 27 Jahren produziert, mit dem Regisseur des Originals unter den Produzenten. Romero war nie so wirklich glücklich mit dem (moralisch durchaus fragwürdigen, wie auch nachvollziehbarem) Finale. Mit dem kompletten Film kann man durchaus zufrieden sein. Sei es eben wegen der interessanten Entwicklung seiner Figuren, allen voran Barbara, oder den tollen Zombiemasken oder dem zurückhaltenden Gewaltfaktor, der einer Gratwanderung zwischen Gorefest und alter Schule gleichkommt.




Dienstag, 4. Juli 2017

The Void

Der Wahnsinn ist in der Welt, die The Void zeichnet, überall anzutreffen. Gewalttätig bricht er über den Zuschauer und die Protagonisten herein. Zu Beginn wird ein Pärchen von zwei bewaffneten Männern in einer Hütte irgendwo in der Nähe eines Waldes verfolgt. Die Kamera ist Nahe am Geschehen. Beiläufig zeigt sie erste Anzeichen des der Geschichte innewohnenden Irr- und Wahnsinns. In besagter Hütte liegt, beinahe unbemerkt, eine Leiche. Die Eruption folgt auf dem Fuß: während es der männliche Teil des Paares schafft, vor den Verfolgern zu flüchten, wird der weibliche Teil vom Wahnsinn ihrer Verfolger gepackt. Hinterrücks. Von einer Ladung Schrot, während im nächsten und finalen Schritt die Jäger mittels der Frau, einem Benzinkanister und einer brennenden Zigarette die Nacht erhellen. Die Flammen, welche die Frau verschlingen und die eiskalte Nacht kurzzeitig erleuchten, stehen für den Beginn einer kruden Tour de Force.

Es sei ein schlechter Abend, um nach Hause zu kriechen, ruft Danny dem aus dem Unterholz des Waldes auf allen Vieren herausrobbenden Mann hinzu. Der Verletzte, der Flüchtige aus der ersten Szene, wird vom Polizisten in das rudimentär besetzte und am nächsten gelegene Marsh Hospital eingeliefert. Später erzählt der Verletzte, dass er mit der eingangs getöteten Frau wahnsinnige Dinge in der Hütte mit ansehen musste. Zu diesem Zeitpunkt musste dies eine dort aus der Situation heraus zusammengewürfelte Gruppe von Menschen ebenfalls. Die aggressiven Verfolger tauchen auf und verschaffen sich Zugang zum Krankenhaus und fordern den abgekämpften, jungen Mann für sich ein. Die Situation eskaliert, Richard, Chefarzt des Krankenhauses, stirbt. Davor wurde ein Patient scheinbar grundlos von einer Krankenschwester getötet, bevor sie von Danny niedergestreckt wird. Und vor dem Krankenhaus stehen geheimnisvolle Männer mit weißen Kutten und Kapuzen, umzingeln dies und warten wie Raubtiere auf ihre in die Enge getriebene Beute und diesen einen, berühmten Fehler, den diese begeht.

Carpenter drehte 1976 Assault - Anschlag bei Nacht. Romero drehte 1968 Die Nacht der lebenden Toten. Steven Kostanski und Jeremy Gillespies The Void vereint deren beider Grundkonzept: eine Gruppe unterschiedlichster Charaktere verschanzt sich vor einer Gefahr, die vor den Toren des Gebäudes lauert. Dieses wird zu einer im ersten Moment Sicherheit spendenden Zuflucht, welcher dem Druck der von außen drohenden, gewaltsam vorgehenden Bedrohung keinen großen Widerstand leisten kann. Der sichere Unterschlupf wird zur Falle. In The Void lauert der Schrecken im Inneren. Es tritt unbemerkt über die Schwelle und bricht für die im Stress stehenden Insassen des Gebäudes erst spät offen hervor. Gefahr kann von jedem ausgehen; aus jedem/jeder herausbrechen. Der Husky aus The Thing wird hier zur Krankenschwester. Man findet in The Void auch Parallelen zu Carpenters Remake aus dem Jahr 1982. Der Schrecken hat dort ebenso viele Gesichter wie in The Void. Gewaltsam bricht er aus: für die Protagonisten unbemerkt bahnen sich schwarze, schleimige Tentakel aus den Körperöffnungen der erschossenen Krankenschwester. Später ist sie ein unförmiges, schreckenerregendes Ding, ein Monstrum für das der Mensch keine Namen finden kann.

Es ist ein Vorbote, für den losgelösten Wahnsinn, dem die Geschichte mehr und mehr Platz schafft. Eine Krankenschwester, zufällig die von Danny getrennt lebende Frau, verschwindet. Die Jäger und der Polizist treten eine Reise an. In die Kellerräume des Hospitals, in welche der wieder auferstandene Richard die Schwester entführt hat. Diesen finalen Teil des Films kann man als Abstieg in die Hölle für die Figuren des Films gleichsetzen. Gillespie und Kostanski, einer aus dem Art Department, der andere aus dem Makeup Department verschiedener Produktionen kommend, lassen ihren Film entgleiten. Selten gelingt es Regisseuren, eine ihnen durch die Finger schlüpfende Geschichte, im richtigen Moment loszulassen. Das Timing in The Void passt: just in dem Augenblick, als der Film nach starkem Auftakt droht abzuflachen, lassen sie sich fallen und reißen alles mit sich. Mit sympathischer Scheiß drauf-Attitüde und erhobenen Hauptes huldigt man ausgiebig einem weiteren persönlichen Heroen des Horrorfilms. Auftritt Lucio Fulci: wie einst in Ein Zombie hing am Glockenseil und natürlich Über dem Jenseits erheben sich halb vermoderte Körper, lebende Leichen und trachten nach dem Leben des mutigen Trios.

Noch offensiver als der Italiener kokettiert man mit Lovecraft. Namenloses Grauen, Tentakel, Schwärze, unaussprechlicher Schrecken: The Void, das neue Hit-Sammelsurium an Genrezitaten. Es ist schwer, diese nicht greifbare Bedrohung, die Lovecraft in und zwischen seine Worte packte, filmisch umzusetzen. Gillespie und Kostanski gelingt es nicht hundertprozentig. Dafür ist der surreale (Höllen)Trip durch den Krankenhauskeller nicht eben nur eine Abfolge aus Schrecken und Atmosphäre. Hier brechen auch die bisher kurz angeschnittenen Traumata der Figuren auf. Verlust. Schmerz. Tod. Die Angst vor und der Kampf gegen letzteren, wird hier zu einem kosmisch anmutenden Schrecken. Von der Seite grätschen Sektentum und Teufelsanbetung rein. Der Traum des Menschen, den Übergang auf die andere Seite zu verhindern und geliebte Menschen aus ihrem Jenseitsdasein herauszuholen, ist alt. Viele Geschichten darüber wurden aufgeschrieben oder verfilmt. The Void erscheint zuerst als krude, neunzigminüte Zitatesammlung. Ungelenk, kryptisch und zeitgleich faszinierend.

Genauer betrachtet offenbaren Gillespie und Kostanski einen surrealen wie pessimistischen Blick auf Leben wie Tod. Das nicht zu umgehende Ende allen irdischen Daseins wird übergangen. Es ist nicht tot was ewig liegt und in fremder Zeit wird selbst der Tod besiegt. Es blitzt aber auch Unsicherheit dem Leben gegenüber auf, wenn die Geburt, der Beginn allen Lebens, pervertiert dargestellt wird. Auch in dieser kann Schrecken, schlimmstenfalls der Tod liegen. The Void erzählt von Alpträumen, die aus erlebtem der Figuren resultieren. Weit von sich geschoben, werden sie nun von diesen eingeholt. Das Trauma, die Trauer als persönliche Hölle, der man sich stellen muss. Wahnsinn, manifestiert als surreale Momente und kurzen Traumsequenzen. Gipfelnd in einem Finale, bei dem plötzlich Das Tor zur Hölle aufgestoßen wird. Doch die erlangte Katharsis der Figuren ist ein Trugschluss. Wie in Fulcis großen, erwähnenswerten Horrorfilmen ist auch The Void ohne wirkliches Happy End gesegnet. Die letzte Sequenz ist eine Verbeugung vor dem Italiener, in dem man das Ende von Über dem Jenseits sehr offensichtlich adaptiert. Es sei dem Regisseurduo verziehen. Längst ist man vom in kalten Bildern und seltsam ungreifbarer Atmosphäre getauchten Film überzeugt worden, dass sich dem Wahnsinn ergeben nicht immer eine ungünstige Option ist. Selten zitierte man sich hübscher durch das Horrorgenre der vergangenen Jahrzente. Die Regisseure beherrschen etwas, was The Voids Schwächen entscheidend ausgleicht: den Mut und das Bewusstsein, einen unperfekten Film zu machen. Eine Form des Wahnsinns, der Gillespie und Kostanski innewohnt, und der vielen anderen Regisseuren fehlte, die in den letzten Jahren ebenfalls versuchten, ihre Werke vintage wirken zu lassen. Hier erging man sich in detailverliebtem, ungesunden Perfektionismus, den die Filme aus der guten alten Zeit selten anstrebten. Davor kann man nur den Hut ziehen.