Sonntag, 6. August 2017

Nothing Underneath

Schönheit ist vergänglich. Mit dem Alter verblasst sie; mal schneller, mal langsamer. Schönheit ist trügerisch. Unter der betörenden Hülle kann sich trotzdem schlechtes verbergen. Die Manipulation der Schönheit mittels Bildverfremdung bzw. -bearbeitung ist seit vielen Jahren eine gängige Praxi in der Modebranche, um auch den letzten Makel seiner Mannequins zu eliminieren. Unter dieser so angeblich makellosen Hülle, dieser Oberflächlichkeit, verbirgt sich so manches mal genau: nichts. Der (Hoch-)Glanz dieser Schönheit blendet. Er lenkt ab. Hinter seiner hauchdünnen Hülle kann dieses Nichts immer noch hindurchschimmern. Das die Modebranche mehr Schein als Sein ist und sie mit diesen Gedankengängen assoziiert wird, ist nichts neues. Es ist gängiges Denken in der Gesellschaft. Die Schönen mit ihren extravaganten Kleidern faszinieren trotzdem genug Menschen.

Schönheit kann auch ein schnelllebiges Geschäft sein, trotz aller Mittel oder operativen Eingriffen die der Mensch benutzt, um diese zu erhalten. Der Mensch als Ware, als ein hübscher, lebendiger Moment, der selbst auf Bild oder im Film eingefangen, schneller vergehen kann wie gewünscht. Es sind Gedanken über eine Welt der Schönen, der Reichen und mancher Existenzen, die dies gerne wären, es ihnen aber nicht gelingt, das zu erreichen. Solche Gedankenspiele würde auch gerne Carlo Vanzinas Nothing Underneath dem Zuschauer näherbringen. Der Titel ist schön zweideutig. Tragen die hier gezeigten Mannequins tatsächlich selten etwas unter den teuren und extravagant designten Kleidern. Gleichzeitig steht er eben für die so schöne Oberflächlichkeit in der Modewelt. Leider ist hier der Name auch Programm.

Der 1985 entstandene Neo Giallo ist ganz Kind der 80er mit ihrem kühlen, durchstilisierten Look. Alles ist hell, klar, stark leuchtend und auf Hochglanz poliert. An einigen Stellen erscheint Nothing Underneath auch visuell so bieder wie es seine Geschichte ist. Doch dank der vom optischen Standpunkt her gut ausgesuchten Damen und einem aufblitzenden Gespür für leicht elegante Modefotografie sowie meist gute Kameraeinstellungen kann der lose auf einem Roman basierende Film meistgehend überzeugen. Weit weniger ist dies der Fall bei der Geschichte um den im Yellowstone Nationalpark arbeitenden Bob, welcher sich flugs nach Mailand aufmacht, als er durch eine Vision fest davon überzeugt ist, dass seine Zwillingsschwester Jessica in Gefahr ist. Diese findet er in der italienischen Modestadt Nr. 1 jedoch nicht vor. Sie gilt als verschollen und der von Bob hinzugezogene Kommissar Danesi zweifelt an Bobs Erklärungen, dass er ihren Tod vor geistigem Auge gesehen hat. Danesi wird erst dann aktiv, als plötzlich eine Modelkollegin von Bobs Schwester tot aufgefunden wird und versucht zusammen mit dem jungen Ranger, den Mörder und dessen Schwester zu finden.

Der mit leichten, übernatürlichen Elementen angereicherte Krimiplot entpuppt sich schnell als ein sehr konventionelles Stück, welches ohne große Kniffe oder Wendungen auszukommen versucht. Sicher will man genretypisch die Auflösung mit einem großen Knall präsentieren, doch die simple Geschichte schafft es nicht wie andere Gialli, viele Verdächtige oder falsche Fährten zu zeigen. Weder komplex oder wenigstens kompliziert und chaotisch erzählt, ist Nothing Underneath schnell durchschaubar. Es ist, als wäre Regisseur Carlo Vanzina, Sohn der Regielegende Stefano "Steno" Vanzina, selbst von der Schönheit seiner Darsteller und der Modewelt geblendet. Inszenatorisches Geschick ist ihm in diesem Falle nicht gegönnt. Vanzinas Werk wandelt keineswegs so elegant über die Genrebühne wie seine großen Vorbilder. Die Handlung gibt sich schwerfällig, Vanzina scheint überhaupt niemals richtig zu wissen, was er mit dem gewissen Potenzial seines Filmes anfangen soll. All diese Planlosigkeit führt dazu, dass Nothing Underneath zu einem spannungsarmen Giallo verkommt.

Die hübsche Optik alleine hilft nicht. Schönheit alleine reicht nicht. Style over Substance; aber die Substanz ist dünn und kaum vorhanden. Ein weiterer Punkt des Versagens: der Film hätte eine nicht vorhandene Metaebene erreichen können, in der seine Oberflächlichkeit eine ironische Verknüpfung mit den gängigen Klischees der von ihm auserkorenen Szene geworden wäre. Im besten Falle eine hintergründig bösartige Abrechnung mit dieser oder wie Mario Bavas Blutige Seide ein fesselndes Thrillerspektakel mit überbordernder Optik. Leider scheitert Vanzina daran und kann in keinster Weise überzeugen. So ist die leichte Schönheit des Films trotz ihrer stetig existierenden Abrufbarkeit durch Medien wie DVD oder Blu Ray schnell in der Erinnerung des Zuschauers verblichen. Einzig und allein die Erkenntnis, dass unter all' der hübschen Oberfläche nichts weiter als aufgehübschter aber langweiliger Kriminaleinheitsquatsch steckt, bleibt bestehen.
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