Donnerstag, 28. Dezember 2017

The Horror of Christmas - Meine filmischen Weihnachtstage 2017


Wenn man nicht in den letzten Tagen, Wochen oder Monaten richtig ausspannen bzw. ausschalten konnte, so laden Heiligabend und die zwei Weihnachtstage dazu ein, einen oder mehrere Gänge zurück zu schalten. Gilt Weihnachten doch als Fest der Besinnlichkeit, das zum Innehalten einlädt und den Blick auf das Wesentliche damit zurechtrücken sollte. Die Familie kommt zusammen, man kümmert sich (endlich?) wieder einmal um seine Lieben und lässt die Unannehmlichkeiten des Alltags der restlichen Tage vor der Tür. So ist jedenfalls die Vorstellung eines perfekten Weihnachtsfestes, welches die damit verbundenen Stressfaktoren vor und während der Feiertage schön außen vor lässt. Konsum und damit verbundener Stress? Sich den Kopf zermartern, was man selbst um sieben Ecken mit einem verwandten Menschen schenkt, die man nur einmal im Jahr sieht? Essensverschwendung und entgegen des christlichen Gedankens des Festes sich einer der sieben Todsünden, der Völlerei, hingeben? Wo kommen wir denn da hin! Weihnachten ist das Fest der Liebe, wie uns die Werbe- und Filmbranche suggerieren wollen.

Kaum verwunderlich, dass der Horrorfilm seit vielen Jahrzehnten das Fest der Feste für sich entdeckt hat. Genüsslich und mehr oder weniger gekonnt, versuchen Filmemacher mit ihren in der besinnlichen Zeit spielenden Schockern, dem Fest der Liebe seinen Glanz zu nehmen. Über die Jahre wurde mir Weihnachten immer gleichgültiger. Es mag damit zusammenhängen, dass mit dem Tod meines Vaters die familiären Traditionen zu dieser Zeit zum Erliegen kamen. Es waren irgendwann einfach Feier- und freie Tage, mehr nicht. Mittlerweile hat sich mein früher noch jährlich wachsender Groll gegen Weihnachten reduziert. In diesem Jahr kam tatsächlich eine kleine Freude auf die Zeit in mir auf, was sicherlich auch durch ganz andere Lebensumstände als damals zustande kommt. (Neue) Traditionen hielten Einzug. Eine davon ist es, dass ich es mir freudig daheim vor dem Fernseher gemütlich mache um, ab Heiligabend, Horrorfilme mit Weihnachtsbezug zu schauen. In diesem Jahr schaffte ich es auf insgesamt fünf Filme, die aus den besinnlichen Tagen eine Zeit des Terrors und Horrors machten.

Den Anfang machte am 24. Dezember, von der Familie zurückgekehrt, Krampus, welchen ich bei seinem Release schon im Kino sah. Meine Erinnerung machte aus ihm einen besseren Film, als er eigentlich ist. Man sollte dies allerdings nicht falsch verstehen. Der von Michael Dougherty geschaffene Film, der sich dem u. a. aus dem Ostalpenraum stammenden Begleiter des Nikolaus widmet, ist durchaus sehenswert. Leider kann er sich nicht entscheiden, was er sein möchte. Für eine reine Komödie wird sein Grundton zu düster, als reiner Horrorfilm ist er trotzdem nicht ernst genug. Am Besten funktioniert Krampus in seinen ersten zwanzig Minuten. Dort konzentriert man sich darauf, den ganzen Weihnachtsätz schön beißend durch den Kakao zu ziehen. Begonnen mit einer wunderbaren Titelsequenz, die den ganzen weihnachtlichen Konsumterror in einem Supermarkt in Zeitlupe, untermalt von Bing Crosby, hübsch überspitzt darstellt. Auch das Eintreffen des scheinbar leicht zurückgebliebenen, einfachen Familienteils zeigt schön den Nachteil der Weihnacht, dass man sich plötzlich auch mit unliebsamen Teilen der Familie herumschlagen muss. Als dann durch einen zerrissenen (weil entdeckten und am Esstisch hämisch laut vorgelesenen) Wunschzettel der Glauben an die wahren Werte der Weihnacht fallen gelassen wird und der Krampus erscheint, beginnen die Probleme. Während sich die Protagonisten mit der titelgebenden Kreatur und ihren Helfern herumschlägt, wird der Film selbst zu einem Wechselbad der Gefühle.

Einige Ideen sind richtig witzig, kreativ und herrlich umgesetzt; die düstere Atmosphäre ist dicht und ansprechend und dazu bietet Krampus eine der schönsten umgesetzten Rückblenden ever. Leider ist der Film in letzter Konsequenz weder Fisch noch Fleisch. Der Horroranteil wird durch die komödiantischen Einsprengsel stark verwässert, wobei diese wiederum nicht stark genug ausgearbeitet sind, um dieses Manko auszubügeln. Dazu kommt, dass sich Krampus im weiteren Verlauf furchtbar vollgestopft anfühlt. Immer passiert etwas und eine neue Idee wird präsentiert, als mussten alle unbedingt in den Film untergebracht werden. Weder der Zuschauer noch die Protagonisten kommen zur Ruhe. Hier wird eher unabsichtlich ein weiterer Kritikpunkt am Fest aufgenommen. Letztendlich wird Krampus dadurch einer dieser Filme, bei denen man nach dem Urteil, dass er recht gut ist, unweigerlich ein großes "aber" setzten muss. Ohne wenn und aber kann ich dafür dem zweiten Film, A Christmas Horror Story, konstatieren, dass er ein Totalausfall ist.

Der Episodenfilm macht leider den Fehler, dass er seine Geschichten nicht hintereinander, sondern parallel erzählt und immer zwischen seinen Erzählungen hin und her springt. Was passiert ist, dass die Episoden merklich künstlich aufgebläht wirken um sie lang genug zu halten. Damit verbundene Clifhanger, bevor zur nächsten Story gesprungen wird, sind furchtbar konstruiert und alles andere als spannend. Das lässt jegliches, wenn auch nur geringes, Potenzial des Films und seiner einzelnen Erzählungen, erlöschen. Am deutlichsten wird dies bei der ersten Episode um drei Schüler, die für ein Projekt eine Dokumentation über einen vor einem Jahr an ihrer Schule stattgefundenen Doppelmord drehen. Zu keinster Weise schafft es das Drehbuch, die ausgelutschte Geistergeschichte interessant zu halten. Am besten funktionieren noch die Geschichten über einen ausgebrannten Familienvater, der mit seinen Lieben eine Tante besucht um sie anzupumpen um dann in den nächsten Stunden vom Krampus heimgesucht zu werden und die über Santa Claus höchstpersönlich, der von seinen zombiefizierten Elfen verfolgt wird. Diese hat auch die beste und eine schön überraschende Auflösung. Dazwischen schlagen sich Eltern mit ihrem wesensveränderten Sohn rum, nachdem dieser beim heimlichen Schlagen des Weihnachtsbaums auf einem Privatgrundstück kurz verloren ging. Ich mag Episodenfilme sehr, die Idee der Macher, die Geschichten gleichzeitig wie mehrere Storylines eines Films mit durchgängiger Geschichte oder einer Serie zu erzählen, mag theoretisch toll sein. Praktisch ist dies mangels Talent und zündenden Ideen des Buchs eine einzige Qual.

Nach kurzer Pause mit einem thematisch nicht an Weihnachten spielenden Films widmete ich mich am Abend des ersten Feiertags wieder der Tradition und schloss eine Lücke. Der allerorts als Klassiker deklarierte Black Christmas ließ mich zuerst ratlos zurück. Der 1974 entstandene Proto-Slasher erwischte mich auf dem falschen Fuß. Der erste Eindruck, dass es sich hier um einen leidlich spannenden und spät in die Gänge kommender Mischmasch aus Horror und Thriller handelt, konnte auch einen Tag später nicht komplett getilgt werden. Was Regisseur Clark hier gut zehn Jahre vor der beginnenden Slasher-Welle zeigt, ist natürlich beeindruckend. Die POV-Shots aus Sicht des Killers, z. B. die wirklich tolle Anfangsszene wenn in das Studentinnenheim unbemerkt eingedrungen wird, sind klasse umgesetzt. Seine leichte Nähe zum Giallo, am besten in der berühmt gewordenen Mordszene mit dem Glaseinhorn (die nebenbei gesagt wunderschön gefilmt ist) zu sehen, mag auch toll sein. Die kleinen Ausreißer in Richtung (College-)Klamotte zu Beginn und zwischendurch (der tumbe Cop in der Wache z. B.), die zähe Einführung der Protagonisten und ihrer persönlichen Probleme bremsen Black Christmas leider stark aus. Besinnt sich Clark auf das, was sein Film eigentlich sein sollte, funktioniert das sogar ziemlich gut.

Komplett wollte dieser Klassiker aber nicht bei mir ankommen. Mittlerweile festigte sich in mir der Gedanke, dass es sich für mich persönlich um einen Grower handeln könnte: ein Film, der mit jeder weiteren Sichtung wächst und begeistern kann. Da freue ich mich auf eine zweite Sichtung. Ob ich mir das am zweiten Weihnachtstag spontan eingeschobene Remake von Black Christmas nochmal anschauen werde, weiß ich nicht. Das Original schaffte es, mich neugierig werden zu lassen, wie die Neuverfilmung ausgefallen ist. Es ist eigentlich ein ordentlicher Slasher, typisch für seine Entstehungszeit, geworden. Die hier nun präsenten Studentinnen, die im Heim ihrer Verbindung von einem Eindringling dezimiert werden, sind noch mehr ein bloßes Abziehbild irgendwelcher Klischees um junge Studentinnen und besitzen weniger Charakter als eine Nebenfigur im Original. Man könnte sich dazu noch streiten, dass der im ersten Film gänzlich unsichtbare Killer, über den man als Zuschauer auch nie einen Hintergrund oder einen Grund für seine Morde erfährt, hier so stark in den Fokus gestellt wird. Die Vergangenheit des hier durch das Haus schlitzende Billy wird ausführlich beleuchtet. Im Kontext des Remakes funktioniert es und bietet interessante und atmosphärische Szenen in einem insgesamt konventionellen Slasher, der sich nicht um Logik oder eine ausgeklügelte Handlung kümmert. Wenigstens stimmt das Tempo: Black Christmas hat ein gutes Tempo drauf und bietet dazu einige nette Gore-Effekte.

Tempo würde auch dem letzten Film meiner Horror-Weihnacht 2017 gut tun. Ist Don't Open Till Christmas, im deutschen Raum auch als Fröhliche Weihnacht bekannt, von diesem fast ganz befreit. In seinem Entstehungsjahr 1984 war der Slasher recht erfolgreich im Kino und den Videotheken unterwegs und der im gleichen Jahr entstandene Silent Night, Deadly Night präsentierte dem Publikum einen mordenden, wahnsinnigen Killer im Nikolauskostüm. Der vom Hauptdarsteller Edmund Purdom auch inszenierte Don't Open Till Christmas dreht das ganze um: hier werden Weihnachtsmänner gnadenlos niedergemetzelt, dazwischen versuchen Scotland Yard und Kate, die Tochter eines der Opfer, den Täter zu finden. Mehr Story bedarf es nicht. Purdoms einzige Regiearbeit ist ein stumpfer Slasher, der es versäumt, die dünne Geschichte zwischen den Mordszenen einigermaßen interessant zu halten. Der Film versprüht hier den spröden Charme eines britischen TV-Krimis der 80er Jahre, nur eine Nuance schmieriger; weitaus weniger spannend und die Logik wurde - das zeigt auch die Auflösung - gleich zu Beginn der Dreharbeiten wieder nach Hause geschickt.

Für einen Slasher, der zwar hin und wieder nette Effektszenen, aber ansonsten vom Rest zu wenig bietet, ist das ein sicheres Todesurteil. Bei all' der Schlechtigkeit, kann dieser rundum billige Schmierer mit einigen interessanten Details punkten. Einerseits zeigt er seinen Handlungsort London als düsteres, verkommenes Drecksloch, weitab von den typischen Touristen-Foto-Motiven spielend und präsentiert rundum verkorkste Weihnachtsmänner. Die armen Gestalten, die den Löffel abgeben müssen, sind entweder stockbesoffen, Besucher einer Peepshow oder hatten laut Polizeiakte auch mit Drogenverkauf zu tun. Von allen Weihnachtshorrorfilmen, die an den drei Tagen sah, ist Don't Open Till Christmas der unglamouröseste Film. Wie so viele Filme, die in dieser Zeit spielen, müssen auch sie zuerst das gängige Klischee der Zeit mit all den bunten Lichtern, der heimeligen Atmosphäre und der überall spürbaren Nächstenliebe aufbauen damit es mit dem aufkommenden Horror niedergerissen werden kann. Fröhliche Weihnacht schert sich einen Dreck darum. Der in Deutschland beschlagnahmte Streifen ist von Beginn an dreckig, niederschlagend in seiner tristen Machart und weit weg vom gängigen Bild, welches wir von Weihnachten haben. Das muss man auch erstmal hinbekommen.

Im Endeffekt war das filmische Weihnachten recht durchwachsen, waren doch auch die sehenswerteren Filme nicht als komplett gut zu werten. Trotz der harten Worte gehört neben Krampus auch das Original von Black Christmas dazu, der es vielleicht auch wieder 2018 in den Schacht des Blu Ray-Players schaffen könnte. Erstmal freue ich mich auf die anstehende Veröffentlichung in Deutschland auf Blu Ray vom schon angesprochenen Silent Night, Deadly Night. Gehört er doch mit zu meinen liebsten Weihnachtshorrorfilmen, dessen Plakatmotiv ich mir zur unterstützenden Illustrierung dieses Postings kurzerhand ausgeliehen habe. Man darf sich auf eine Fortführung der Tradition im nächsten Jahr freuen. Immerhin kann sich dann auch noch der kleine, verbliebene Weihnachtsmuffel in mir mit dieser abreagieren.
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