Donnerstag, 1. Februar 2018

Before I Wake

Die einen stürzen sich jede Nacht in wohliger Vorfreude in Morpheus Arme um ihr Heil im Schlaf zu finden, die anderen erleben den Schlaf als unheilvolle Stunden, welche die Ruhe der Nacht mit schrecklichen Träumen zu stören vermag. Before I Wake spielt mit letzterem und der simplen wie interessanten Frage, was wäre, wenn sich Träume eines Menschen in der Realität manifestieren. Der mit dieser Gabe gesegnete Cody ist ein Waise, der in seinem jungen Leben schon bei einigen Pflegefamilien unterkam. Mark und Jessie, welche ihren leiblichen Sohn durch einen tragischen Unfall verloren haben, nehmen den Jungen liebevoll auf und lernen in den ersten Nächten seine Fähigkeiten auf wunderschöne Weise kennen: bunte und leuchtende Schmetterlinge bevölkern die Wohnstube des Ehepaares, erleuchten mit ihren bunten und warmen Farben den von schwerer, unüberwundener Trauer geschwängerten Raum und lassen die zwei Menschen überrascht und fasziniert zurück. Den Grund, warum ihr Pflegesohn unter dem Bett Koffeintabletten hortet, lernen sie bald kennen.

Wie jedes Kind hat auch Cody Albträume; vom Ausmaß seiner Gabe wissend, hält sich der Junge mit diesen Hilfmitteln vom schlafen ab, bevor seine schreckgespenstigen Albtraumgestalten in der Realität für (weiteren) Schmerz sorgen. Irgendwann helfen auch die Tabletten nicht mehr, Cody wird in seiner neuen Schule vom Schlaf übermannt und der Klassenbully macht Bekanntschaften mit den nachtmahr'schen Dämonen aus dem Unterbewusstsein Codys. It could be gruesome when dreams become reality. Before I Wake beschreitet den klassischen Weg des Horrorfilms, in dem ein innerfamiliäres Trauma/Problem durch eine übernatürliche Bedrohung verarbeitet wird. Der Unfalltod des eigenen Todes ist weitaus präsenter, als sich Mark und Jessie eingestehen. Ohne das die beiden sie selbst beantworten, zeigt der Film ausführlich die Antwort auf die Frage der Jugendamtmitarbeiterin, ob das Paar bereit ist für den Schritt, ein Pflegekind aufzunehmen. Mark scheint gefestigter, bemüht sich redlich darum, Cody als neues Familienmitglied, den neuen, zweiten Sohn in die Familie zu integrieren.

Seine Gattin Jessie hat mehr mit dem tragischen Tod ihres Jungen zu kämpfen. Als der tote Sohn Nachts als Traumgebilde Codys erscheint, setzt sie alles daran, dass dieser nicht mehr gegen den Schlaf ankämpft. Er wird zu ihrem Werkzeug, um jede Nacht wieder mit dem leiblichen Kind zusammen sein zu können. Manipulativ setzt Jessie alles daran, dass dessen Traumabbild so echt wie möglich erscheint. Das Pflegekind, dessen todbringende Albträume selbst einem tief verwurzelten Trauma entstammen, wird damit systematisch missbraucht. Before I Wake zeigt diese Szenen in stoischer Ruhe, in unaufgeregter Erzählweise um die ruhige Stimmung mit den Traumgebilden aufzubrechen. Regisseur Mike Flanagan, dessen ebenfalls sehr ruhig ausgelegter Oculus von vielen Seiten gelobt wird, nutzt den phantastischen Aspekt, um seine Geschichte und deren Dramatik voranschreiten zu lassen. Sein Film ist mehr Drama, mehr Mystery als reiner Horror. Versatzstücke und Spielweisen von letztgenanntem Genre werden abgeklärt in die Handlung eingefügt. Das bringt kleine, nette Schauerszenen zu Beginn, bevor in der zweiten Hälfte augenscheinlich wird, dass Flanagans Bestreben, Before I Wake vom Drama zum Horrorfilm wandeln zu lassen, nicht ganz aufgeht.

Die von Cody gefürchtete (Alb)Traumkreatur lässt durch mittelmäßige Animation zu wünschen übrig, die angestrengt kreierten, atmosphärisch aufgeladenen Szenen enttäuschen mit dem Einsatz des kleinen Einmaleins des Horrors: die auswendig gelernten Formeln lassen ein Finale mit vorhersehbaren Szenen ohne große Spannung entstehen. Das bittersüße Happy End ist, trotz Verlust für Jessie, vorprogrammiert. Das eigene Trauma wird überwunden, das von Cody im Vorbeigehen aufgeklärt und verarbeitet. Es möchte zum subtileren Beginn des Films nicht wirklich passen, dass ohne Versteifung auf tiefergehende Charakterisierung der Hauptfiguren einerseits hübsche Szenen schuf, in dem die Eheleute auf die Realität gewordenen Traumbilder Codys treffen und dazwischen die Entfremdung dieser Aufgrund des Unfallstodes ihres Sohns knackig erzählt mit diesen verband. Man muss mit einem leider feststellen, dass Before I Wake trotz des netten Bestrebens, sich Zeit für seine Figuren zu lassen, einfach gestrickt ist. Es ist ein hübscher Genrefilm, mehr leichtes Mysterydrama, denn Horrorfilm. Für letzteres ist Flanagans Film zu wenig Schocker und schafft es nicht, zu packen. Die Jump Scares kommen gänzlich erwartend, dank der einfach gehaltenen Symbolik des Schmetterlings, der seit jeher für Auferstehung steht, ist, auch durch die restlichen, simplen Merkmale von Codys Albtraum(a), der Twist weit weniger überraschend wie wohl vorgesehen.

Die kleinen Geschöpfe zeigen nicht nur, dass auch die Endlichkeit des Menschen durch den Tod nicht das komplette Ende zeigt. Die Menschen existieren weiter, als Erinnerung, so schmerzlich sie auch zu Beginn sein kann. Der Tod kann bei weitem schrecklich sein, sollte aber nicht das Angst bringende Gespenst sein, dass im Hintergrund umherspukt. Der Schmetterling, Lieblingstier Codys, ist auch ein Teil dieser Erinnerung im Film. Er kündet nicht nur von der (traumhaften) Auferstehung von Jessies und Marks Sohn sondern auch von Codys schwersten Verlust, den er im frühen Kindesalter erfahren hat und wird zum Schluss zum physikalischen Andenken. Diese kindlich anmutende Einfachheit, die sich hier durch Before I Wake zieht und seine durchaus interessante Herangehensweise lassen ihn zu einem durchaus sehenswerten Film werden. Für reinen Horror ist das zu wenig, sein Spiel mit dem persönlichen Schicksal seiner Figuren, das so bodenständig und unaufgeregt ohne künstlich aufgeplustertes Drama daherkommt, bleibt durch die gekonnt zurückhaltende Regie auf einem gutklassigen Level. Vielleicht gelingt es Flanagan ja in noch kommenden Filmen, seine persönliche Vorliebe für zurückgenommenes, nüchternes Drama und Horror noch gekonnter zu verbinden.
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