Donnerstag, 5. April 2018

The Good Neighbor - Jeder hat ein dunkles Geheimnis

Im Grunde genommen ist The Good Neighbor - der ganz typisch für den hiesigen Markt vom Verleih OFDb Filmworks mit einem total unnötigen, die Handlung anschneidenden Untertitel versehen worden ist - ein geradlinig konzipierter Thriller. Seine verschachtelt erzählte, sich auf mehrere Zeitebenen abspielende Handlung und deren Twist ist durch diese gewählte Narrationsart irgendwann leicht abzusehen. Man kann nachvollziehen, wieso die Autoren Mark Bianculli und Jeff Richard diese Form gewählt haben und erst mit der Zeit - in Häppchen - die ganze Wahrheit aufdecken. Wahrheit und falsche Wahrnehmung Aufgrund vorschnell gezogener Schlüsse und Urteile, ist das grundlegende Thema des Films. Der Person of interest, der grummelige Harold Grainey, soll das mysteriöse, leicht unheimlich wirkende Image gewahrt werden, die sie auch bei den beiden Teenprotagonisten Ethan und Sean besitzt. Ersterer geht davon aus, dass dieser seine jetzt verschwundene Ehefrau geschlagen hat. Dazu bedroht Grainey jeden Fremden oder anderen Nachbarn, die ihn Nerven oder in die Quere kommen.

In den Augen Ethans besitzt Grainey die besten Voraussetzungen, um Hauptperson in einem perfiden Experiment zu sein. Während des wöchentlichen Einkaufs dringen die zwei Jugendlichen in das Haus ihres Nachbarn ein, installieren Kameras und allerlei Elektronika, um ihn dabei zu Filmen, wie er bei von ihnen hervorgerufene Heimsuchungen eines "Geistes" reagiert. Das Experiment soll über sechs Wochen andauern und dann im Internet veröffentlicht werden; der sehr überzeugte Ethan sieht sich schon als zukünftiger Superstar, während sein ruhiger Freund Sean Skepsis und Skrupel zeigt. Während der ersten Heimsuchungen reagiert ihr Nachbar nur anders als erwartet und nährt damit das in Ethans vorherrschende Bild über den alten Mann, verschwindet er doch bei den ersten Geistererscheinungen über Stunden im Keller. Die beiden vermuten, dass Grainey dort ein dunkles Geheimnis bewahrt und beschwören damit eine Tragödie herauf. Neben diesem Handlungsstrang springt der Film in kleine Sequenzen, welche die auf die Handlungen der beiden Jungs folgende Konsequenzen schildert, während zusätzliche Flashbacks dem Zuschauer ebenfalls in kleinen Zwischenspielen das angeblich schreckliche Geheimnis des alten Mannes offenbaren.

Das Ansinnen des Films, den Zuschauer damit gleichzeitig rätseln zu lassen, ob hier wirklich ein potenzieller Krimineller, vielleicht sogar Mörder, in der Nachbarschaft der Jugendlichen lebt und gleichzeitig die auch vom Publikum gezogenen Schlüsse zu widerlegen, lässt die gewollte Spannung nicht zur Gänze hochkochen. Eine verschachtelte Erzählstruktur allein ist nicht mit Cleverness verbunden; die Absicht, den Spannungsbogen anzuziehen, ist erkenn-, allerdings nicht spürbar. Mit den Rückblenden in Graineys Vergangenheit bekommt dieser Bogen leichte Durchhänger und lässt seine Story vorhersehbar erscheinen. Wäre da nicht der Unterbau von The Good Neighbor. Kasra Farhanis Debütfilm wirft gleichzeitig Fragen auf und regt zum Nachdenken an, wie in Zeiten von Internet und Social Media anhand einiger vermeintlicher Fakten, Beobachtungen und Aussagen Menschen in einem vollkommen falschen Bild erscheinen. Die Macht der Gerüchte und ihre Auswirkungen, dass vorschnell gezogenen Schlüsse wie hier in wahrhaftige Tragödien kulminieren, erzählt Farahani überraschend routiniert und für den Zuschauer nachvollziehbar. Das Setting dürfte man sicher mehr oder weniger selbst einmal mitbekommen haben, wenn verschiedene Parteien von ihrer Fantasie und vermeintlicher Kombinationsgabe, Anhand dieser Eigenschaften eine "Wahrheit" bezüglich ihrer Mitmenschen stricken.

The Good Neighbor geht auch der Frage auf den Grund, wie weit der Mensch seine ethischen Überzeugungen verbiegen kann, um im Rampenlicht zu stehen. Die 15 minutes of fame sind in der schnelllebigen Zeit des Internets, mit seinen kurzlebigen Memes und Phänomenen, gefühlt schneller vorbei als damals, als man von der dauerhaften Datenautobahn nur träumen konnte. Ethan steht dabei für den Schlag von Mensch, der ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Leid Dritter Kapital schlagen möchte. Einzig und allein der dadurch aufkommende, zweifelhafte Ruhm soll mit dem zuerst als ernsthaft dargestellten psychologisches Experiment geerntet werden. In Zeiten von Hatespeech, Swatting und anderen (kriminellen) Handlungen im Internet ist Ethans Versuch pervertiertes Trollen eines Menschen, an dem man sich nur wegen einiger Gerüchte und eigenen Beobachtungen festgebissen hat. Ein richtiges Statement dazu liefert The Good Neighbor nicht. Der Film nimmt schnell eine neutrale Rolle eines stummen Reports ein und wird zu einer Chronologie der geschilderten Tragödie mit beißendem Ende, wenn Ethan, anders als geplant, plötzlich wirklich im Rampenlicht steht. Wahrscheinlich kann der Film auch deswegen nicht komplett packen. Dafür ist er ein überraschend intelligent gemachtes Debüt, das die ansonsten einfache Thrillerhandlung hübsch aufwertet.
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