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Samstag, 17. November 2018
Komm mit ins Kino! Strange Cinema mit Mandy
Auch in diesem Monat möchte ich alle Leser, die aus dem näheren oder größeren Umkreis von Kaiserslautern stammen, auf die Strange Cinema-Reihe des Union-Studios für Filmkunst hinweisen. Zur Erinnerung: in dem mittlerweile mehr als 100 Jahre alten und einzigen Programmkino der Stadt gibt es jeden vierten Freitag im Monat die Möglichkeit, geschädeltes Filmwerk oder auch Klassiker der Filmgeschichte auf der großen Leinwand zu genießen. Im letzten Monat gab es an Halloween ein Double Feature mit Clive Barkers Hellraiser und dem viel gelobten The Endless.
Der November wartet mit dem nächsten Genre- bzw. Horrorhighlight für 2018 auf. Panos Cosmatos Horror-LSD-Trip Mandy mit einem Nicolas Cage der Stimmen zufolge die Performance seines Lebens geben soll steht auf dem Programm. Dieses "Brett an Film", von der Bild unverstanden und mit stock-konservativer Schmäh versehen, wartet nur darauf, seine hypnotische Wirkung im Dunkel des gemütlichen Kinosaals zu entfalten.
Das ganze findet am 23.11.2018 statt. Beginn ist um 22:30 Uhr, der Eintritt beruht diesmal auf Spendenbasis. Gezahlt wird also, was einem der Film wert ist. Es wäre aber schön, wenn eine spritzige Cola oder ein kühles Blondes und/oder Snacks als Verzehr gekauft werden. Selbstverständlich werde ich selbst vor Ort sein. Bereitete mir schon der Trailer des Films viel Freunde und schenkte mir ordentlich Vorfreude. Bis dahin versuche ich meine Erwartungshaltung zurückzuhalten. Meistens empfinde ich ja viele Hypes als weit weniger gut wie kollektiv wahrgenommen. Doch seien wir ehrlich: Mandy bietet Nicolas Cage der freidreht, viel gekröse, überstilisierte Optik und im Trailer einen Filmtitel, der wie ein Black Metal-Bandlogo designt ist. Was soll da also bitte schief gehen? Die Veranstalter und ich würden uns freuen, wenn sich einige gleichgesinnte Freunde des besonderen Filmerlebnisses einfinden würden.
Pyewacket
Pyewacket ist ein Film des Schleichens. Selten wird der zweite Langfilm des Kanadiers Adam MacDonald, der bisher häufiger als Schauspieler in Fernsehproduktionen denn als Regisseur in Erscheinung trat, richtig laut. Im okkult gefärbten Kosmos des Films sind die dort anwesenden Dämonen (meist) gesichtslose, tief in der Dunkelheit lauernde Schatten. Titelgebendes Wesen Pyewacket wächst zu einer omnipräsenten Bedrohung, zugleich überall und nirgendwo und immer verwachsen mit Protagonistin Leah. Der von dem Mädchen aus Frust und Wut gerufene Dämon soll einen im pubertären Wutaffekt herausgeschleuderten Wunsch in die Tat umsetzen: Leahs Mutter soll sterben. Ein Resultat aus Missverständnissen und unüberbrückbar erscheinenden Differenzen zwischen der Jugendlichen und ihrer Mutter, die trotz ihres kleinen, engen Familienverbunds einsam erscheinen.
Der Tod des Mannes bzw. Vaters riss sichtlich ein großes Loch in die Seelen der beiden Frauen. Während sich die Mutter im stillen Kämmerlein tränenversunken mit Hochprozentigem betäubt, flüchtet sich Leah in die Arme alternativer Subkulturen. Ihre Gothic-/Metal-Freunde geben ihr halt in schweren Stunden und mit Aaron ist da ein erster, leichter Schwarm, der in den gemeinsamen Szenen die Unsicherheit Leahs offenbart. Verloren, alleingelassen in der Trauer schöpft sie Kraft mit nach außen gestülptem Seelenleben, dass sie die Subkultur ihrer Freunde ausleben lässt. Das einst brav und unschuldige Mädchen entwickelt Interesse am Okkulten, liest Bücher darüber und besucht Lesungen ihres Lieblingsautoren. In ihrer sozialen Blase fühlt sie sich sicher; die Mutter bringt sie mit dem Plan eines Neuanfangs, sprich eines Umzugs, zum Platzen. Die angestaute Teenage Angst birst vor Angst, Enttäuschung, Trauer und Wut.
Trotz des Kompromiss, dass Leah die alte Schule weiter besuchen kann, spitzt sich die angespannte Situation zu. Nach einem weiteren von vielen Streits kommt es zur schicksalhaften Kurzschlussreaktion und das Mädchen beschwört Mittels eines Rituals im das neue Heim umschließenden Wald eine alte, bösartige Kraft. Bis auf wenige Ausnahmen lässt MacDonald, gleichzeitig Autor des Scripts, diese immateriell. Eher tritt sie als atmosphärisches Stimmungsmittel für den Filmemacher und listig boshafter Geist für Leah auf. Sein Schabernack wirkt für den Freund des düsteren Unterhaltungsfilms altbacken: nur sie selbst scheint dessen Treiben wahrzunehmen, seltsame Geräusche auf dem Dachboden zu hören oder das Gefühl zu haben, verfolgt zu werden. Dazu manifestiert sich der Dämon im Zimmer Leahs, als diese längst dem Schlaf erlegen ist um drohend über ihr zu wachen. Die direkte Begegnung folgt im im Vergleich mit dem bisherigen Ton des Films hektischen Finale.
Dort angelangt, ist für uns als Zuschauer längst nicht mehr klar, was Realität oder Einbildung Leahs ist. Pyewacket ist psychologischer Horror, eine Dämon gewordene Psychose eines in ihrer Trauer umherirrenden, stumm nach Hilfe schreienden Mädchens. Die vom Drehbuch gestiftete Verwirrung lässt ratlos zurück, unentschlossen, ob offensichtliche Logikfehler in Beziehung mit MacDonalds Absicht den Eindruck schmälern. Der Kanadier beherrscht von ihm leise angeschlagenen Töne; als Mutter-Tochter-Drama wäre Pyewacket feinstes Indiekino. Den Beginn von Leahs Reise in die vermeintlich dämonische oder doch innere Dunkelheit gestaltet sich indes einfallslos. Das Spiel mit Wahrnehmung, geisterhafte Schatten, mysteriöses Gepolter stehen im Gegensatz zu gut gespielter, in den besten Momenten bodenständig authentische, fühlbare Tragödie um den Verlust des geliebten Ehemanns und Vaters. Ganz gleich, ob Pyewacket im Film ein tatsächlich übersinnliches Wesen ist: als Verkörperung aller negativen Gedanken und Gefühle in der Protagonistin existiert er. Sein endgültiger Ausbruch, die komplette Besitzergreifung von Leahs Körper und Geist, ist schockierend und erinnert an eine ähnliche Szene im famosen Eden Lake.
MacDonalds Ansatz, Horror und Drama zu verschmelzen und den realen Schrecken des Coming of Age zu einer übernatürlichen Metapher werden zu lassen, vermag nicht komplett auf die Seite des Regisseurs zu ziehen. Den guten Absichten fehlt es an Kraft in der Umsetzung, obwohl Pyewacket seine Geschichte angenehm zurückgenommen erzählt. Das erzeugt zugleich eine Distanz zum Zuschauer, die bei allen guten mimischen Momenten auf der Leinwand von Nicole Muñoz und Laurie Holden nie richtig verschwindet. Diese Schranke verwehrt Pyewacket, im Rotten Tomatoes-Ranking der besten Horrorfilme des Jahres immerhin auf Platz 9, das er den Zuschauer gänzlich mit seinem Wesen gefangen nimmt. Aber es kann nicht alles so interpretationsreich und gleichzeitig packend sein wie It Follows. Gut war das Erlebnis mit MacDonalds Film trotzdem.
Der Tod des Mannes bzw. Vaters riss sichtlich ein großes Loch in die Seelen der beiden Frauen. Während sich die Mutter im stillen Kämmerlein tränenversunken mit Hochprozentigem betäubt, flüchtet sich Leah in die Arme alternativer Subkulturen. Ihre Gothic-/Metal-Freunde geben ihr halt in schweren Stunden und mit Aaron ist da ein erster, leichter Schwarm, der in den gemeinsamen Szenen die Unsicherheit Leahs offenbart. Verloren, alleingelassen in der Trauer schöpft sie Kraft mit nach außen gestülptem Seelenleben, dass sie die Subkultur ihrer Freunde ausleben lässt. Das einst brav und unschuldige Mädchen entwickelt Interesse am Okkulten, liest Bücher darüber und besucht Lesungen ihres Lieblingsautoren. In ihrer sozialen Blase fühlt sie sich sicher; die Mutter bringt sie mit dem Plan eines Neuanfangs, sprich eines Umzugs, zum Platzen. Die angestaute Teenage Angst birst vor Angst, Enttäuschung, Trauer und Wut.
Trotz des Kompromiss, dass Leah die alte Schule weiter besuchen kann, spitzt sich die angespannte Situation zu. Nach einem weiteren von vielen Streits kommt es zur schicksalhaften Kurzschlussreaktion und das Mädchen beschwört Mittels eines Rituals im das neue Heim umschließenden Wald eine alte, bösartige Kraft. Bis auf wenige Ausnahmen lässt MacDonald, gleichzeitig Autor des Scripts, diese immateriell. Eher tritt sie als atmosphärisches Stimmungsmittel für den Filmemacher und listig boshafter Geist für Leah auf. Sein Schabernack wirkt für den Freund des düsteren Unterhaltungsfilms altbacken: nur sie selbst scheint dessen Treiben wahrzunehmen, seltsame Geräusche auf dem Dachboden zu hören oder das Gefühl zu haben, verfolgt zu werden. Dazu manifestiert sich der Dämon im Zimmer Leahs, als diese längst dem Schlaf erlegen ist um drohend über ihr zu wachen. Die direkte Begegnung folgt im im Vergleich mit dem bisherigen Ton des Films hektischen Finale.
Dort angelangt, ist für uns als Zuschauer längst nicht mehr klar, was Realität oder Einbildung Leahs ist. Pyewacket ist psychologischer Horror, eine Dämon gewordene Psychose eines in ihrer Trauer umherirrenden, stumm nach Hilfe schreienden Mädchens. Die vom Drehbuch gestiftete Verwirrung lässt ratlos zurück, unentschlossen, ob offensichtliche Logikfehler in Beziehung mit MacDonalds Absicht den Eindruck schmälern. Der Kanadier beherrscht von ihm leise angeschlagenen Töne; als Mutter-Tochter-Drama wäre Pyewacket feinstes Indiekino. Den Beginn von Leahs Reise in die vermeintlich dämonische oder doch innere Dunkelheit gestaltet sich indes einfallslos. Das Spiel mit Wahrnehmung, geisterhafte Schatten, mysteriöses Gepolter stehen im Gegensatz zu gut gespielter, in den besten Momenten bodenständig authentische, fühlbare Tragödie um den Verlust des geliebten Ehemanns und Vaters. Ganz gleich, ob Pyewacket im Film ein tatsächlich übersinnliches Wesen ist: als Verkörperung aller negativen Gedanken und Gefühle in der Protagonistin existiert er. Sein endgültiger Ausbruch, die komplette Besitzergreifung von Leahs Körper und Geist, ist schockierend und erinnert an eine ähnliche Szene im famosen Eden Lake.
MacDonalds Ansatz, Horror und Drama zu verschmelzen und den realen Schrecken des Coming of Age zu einer übernatürlichen Metapher werden zu lassen, vermag nicht komplett auf die Seite des Regisseurs zu ziehen. Den guten Absichten fehlt es an Kraft in der Umsetzung, obwohl Pyewacket seine Geschichte angenehm zurückgenommen erzählt. Das erzeugt zugleich eine Distanz zum Zuschauer, die bei allen guten mimischen Momenten auf der Leinwand von Nicole Muñoz und Laurie Holden nie richtig verschwindet. Diese Schranke verwehrt Pyewacket, im Rotten Tomatoes-Ranking der besten Horrorfilme des Jahres immerhin auf Platz 9, das er den Zuschauer gänzlich mit seinem Wesen gefangen nimmt. Aber es kann nicht alles so interpretationsreich und gleichzeitig packend sein wie It Follows. Gut war das Erlebnis mit MacDonalds Film trotzdem.
Freitag, 9. November 2018
The Toxic Avenger
Was wäre eigentlich aus der kleinen Produktionsfirma Troma, die seit ihrer Gründung 1974 überwiegend kleine Sexklamotten produzierte, ohne The Toxic Avenger geworden? Mit Sicherheit nicht das mittlerweile älteste Independent-Studio der Welt, welches sich mit seinen kruden Billigfilmen, bestehend aus auf sämtliche Political Correctness scheißende schlechten Witzen, viel nackter Haut und noch mehr Gore eine eigene Nische geschaffen hat. Die Gorebauern und Trashologen freut es, bekommen sie mit dem Output des Studios genau das, was sie erwarten und wonach es ihnen giert. Die Fangemeinde ist treu ergeben und betet Lloyd Kaufman, Mitbegründer des Studios und Regisseur einiger Klassiker des Studios, als gottgleichen abgedrehten Trash-Opi an. Ich persönlich konnte immer wenig mit der ganz speziellen Art der Troma-Filme etwas anfangen, obwohl ich - leider damals mehr wie heute - eine Vorliebe für obskure und trashige Werke habe.
Vielleicht liegt darin auch das Problem begründet. Tromas Filme sind, anders als z. B. die Werke eines Andy Milligan oder Ted V. Mikels oder eines meiner liebsten Trash-Obskuritäten-Kabinetts, dem mexikanischen Horrorknaller Night Of The Bloody Apes, von vornherein als dilettantisch geplant, während sich (nicht nur) die aufgezählten Trash-Auteure sowie der Mexploitationer trotz der bewussten Limitation des Talents ihrer Schöpfer sich bierernst nahmen und deren Werke auf einer unfreiwilligen Art belustigen können. Intendierter Trash, der wild mit dem Zaunpfahl fuchtelnd darauf hinweisen möchte, wie scheiße und deswegen lustig er ist, möchte bei mir nicht hundertprozentig funktionieren. Bei meinem ersten Versuch, mich durch das Troma-Programm zu pflügen, kam ich zu dem Schluss, dass Class Of Nuke 'Em High der beste Film des Studios ist. Oliver Nöding argumentiert in seinem Review das, was ich genau so unterschreiben kann: weil er eben eine schlüssigere, rundere Geschichte erzählt als zum Beispiel The Toxic Avenger.
Jahre nach meinem ersten Versuch mit den Filmen der Trash-Schmiede packte mich der Gedanke, es wieder mit Troma und deren Maskottchen zu versuchen. The Toxic Avenger, die definierende Origin-Story eines ganzen Produktionsstudios, machte mir zu meiner Verwunderung mittlerweile deutlich mehr Spaß wie früher. Zwar benötigt man für sowas weiterhin eine weit nach unten verschiebbare Schmerzgrenze, nun begegnet einem innerhalb der zugegeben dünnen Alibistory, nahezu anarchisch umgesetzt, eine den Film aufwertende, subversive Kraft. Kaufman und sein Co-Regisseur sowie -Gründer Michael Herz zeigen mit Genuss dem in den 80ern groß gehuldigten Körper- und Fitnesskult den Mittelfinger und ziehen ihn respektlos nicht durch den Kakao, sondern direkt durch eine dicke Schicht alter, stinkiger Fäkalien. Verpackt ist das in eine kaputte Superhelden-Geschichte um den trotteligen Melvin, Hausmeister im Fitness-Center der kleinen Ortschaft Tromaville. Die fiktive Stadt liegt direkt vor den Türen New Yorks und fungiert als Lager für hoch toxischen und gefährlichen Müll für die Industrie der Weltstadt und zwielichtige Geschäftsmänner aus dem Umland.
Von den gelangweilten und selbstgefälligen Halbstarken Bozo und Slug immer auf den Arm genommen, kommt es bei einem Streich der beiden und ihrer Freundin Julie zu einem folgenschweren Unfall. Auf der Flucht vor dem lachenden Fitnessmob springt Melvin aus dem Fenster und geradewegs in ein Fass mit radioaktiv verseuchtem Müll, auf einem vor dem Fitnesstempel parkenden Transporter stehend, was ihn zum deformierten wie ultrastarken Toxie mutieren lässt. In dieser neuen Form mausert sich der bisher veralberte Putzgeselle zum neuen Liebling der Bewohner Tromavilles, bekämpft er fortan alle kriminellen Subjekte innerhalb der Stadtmauern. Sehr zum Leidwesen des korrupten Bürgermeister Belgoody, dem Toxie deswegen bald ein Dorn im Auge ist und das Militär mobilisiert, um der Bedrohung durch das monströs Gute Herr zu werden.
The Toxic Avenger schildert diese Geschichte nach dem verstärkt auf Slapstick und Gaga-Humor setzenden Einstieg in einzelnen Episoden, die darauf zielen, dass die geschilderten Straftaten und die besonders abartig und abstrus dargestellten Gangster vom radioaktiv gestählten Melvin blutig vereitelt werden. Das erinnert vom Aufbau an die damals aufkommenden Selbstjustiz-Thriller und Actioner á la Hardcore, den Fortsetzungen von Michael Winners Ein Mann sieht Rot oder The Exterminator. Dazwischen beschränkt sich das Drehbuch darauf, den Bürgermeister durch seine korrupten Geschäfte mitsamt des gelinde nazihaften Polizeichefs als Oberfieslinge zu festigen, Bozo und Slug bei ihrem mörderischen Zeitvertreib und die obligatorische Liebelei des Helden zwischen ihm und der bei einem Überfall auf ein Schnellrestaurant geretteten, blinden Sara zu vertiefen. Mit fortschreitender Laufzeit erweist sich das als repetitiv; Kaufmans und Herz' Film bleibt in diesem Kreislauf aus Gore, bewusst geschmacklosen Gags und Schmalspuraction stecken.
Wäre da nicht das subversive Element, dass The Toxic Avenger als teils gallige Satire auf den damaligen Zeitgeist wahrgenommen werden kann. Ein sprichwörtlicher Real Life-Cartoon, bei dem alles von Beginn an so überdreht ist wie in einer Trickserie. Dazwischen nimmt der Film in seiner naiven Ausstrahlung die Position der ebenfalls Anfang/Mitte der 80er in das Bewusstsein der Gesellschaft rückende Öko-Bewegung ein, wobei der Aufhänger mitsamt des Giftmülls als Auslöser für Toxies Mutation ebenso aus einem x-beliebigen Superhelden-Comic stammen könnte. Diese feine, vielleicht nicht mal von Kaufmann und seinem Drehbuchautor Joe Ritter beabsichtigt, Doppeldeutigkeit rettet häufiger das gesamte, brüchige Gebilde dieser simplen Splatter-Action-Komödie. Nur gegen Ende hat auch sie Probleme, vom einfachen, schnell ermüdenden Erzählkonzept abzulenken. Der Dilettantismus der Leute vor und hinter der Kamera, bis auf den fetzigen Soundtrack sind die Production Skills bewusst oder unbewusst niedrig angesiedelt, wird zur Kunstform des Films, gleichzeitig mit dessen Erfolg zur Schablone für Troma selbst.
Der Erfolg des Films schien unerwartet für Kaufman und Herz zu sein, doch die Besitzer des Studios packten die Gelegenheit beim Schopfe und begründeten auf ihrem bewusst schlecht ausgelegten Schund den Erfolg für die kommenden dreißig Jahre. Eines muss man den beiden lassen: man kann sich über die nicht vorhandenen Qualitäten ihrer eigenen und der eingekauften Werke (mit Ausnahmen natürlich) streiten. Der Trash Tromas unterscheidet sich gewaltig von dem gewollt schlechten Quatsch á la Sharknado, dessen Fortsetzungen oder anderen Dingen von The Asylum. Dem genannten Beispiel merkt man den schnöden Kalkül, auf gewollt schlecht und damit lustig mehr an, als den meisten Troma-Produktionen. Dank viralen Erfolgs im Internet gilt die Haischleuderei als postmoderner Müllkult, begröhlt vom tumben SchleFaZ-Publikum, das gar nicht merkt, wie die kommerzielle Absicht und das Konzept hinter Sharknado und Co. einen eigentlich auf niedrig-souveränem Niveau wandelnden Film vollends bei diesen aufgeht. Die wahre Scheiße ist dann eher das, während der "Müll" von Troma, ich wette einfach mal, dass die Fans der Tele 5-Reihe die doppeldeutigen Momente der besseren Werke des Studios nicht mal nüchtern erkennen würden, im besten Falle immer sympathisch anarchisch erscheint. Respekt haben Herz und Kaufman (der mal sagte, dass 99% der Leute in Hollywood Abschaum sind) keinen, ziehen so lange ihr Ding durch, pfeifen auf Political Correctness und sind damit die wahren Punks des Films. Das macht sie, Troma und auch The Toxic Avenger doch irgendwie sympathisch.
Vielleicht liegt darin auch das Problem begründet. Tromas Filme sind, anders als z. B. die Werke eines Andy Milligan oder Ted V. Mikels oder eines meiner liebsten Trash-Obskuritäten-Kabinetts, dem mexikanischen Horrorknaller Night Of The Bloody Apes, von vornherein als dilettantisch geplant, während sich (nicht nur) die aufgezählten Trash-Auteure sowie der Mexploitationer trotz der bewussten Limitation des Talents ihrer Schöpfer sich bierernst nahmen und deren Werke auf einer unfreiwilligen Art belustigen können. Intendierter Trash, der wild mit dem Zaunpfahl fuchtelnd darauf hinweisen möchte, wie scheiße und deswegen lustig er ist, möchte bei mir nicht hundertprozentig funktionieren. Bei meinem ersten Versuch, mich durch das Troma-Programm zu pflügen, kam ich zu dem Schluss, dass Class Of Nuke 'Em High der beste Film des Studios ist. Oliver Nöding argumentiert in seinem Review das, was ich genau so unterschreiben kann: weil er eben eine schlüssigere, rundere Geschichte erzählt als zum Beispiel The Toxic Avenger.
Jahre nach meinem ersten Versuch mit den Filmen der Trash-Schmiede packte mich der Gedanke, es wieder mit Troma und deren Maskottchen zu versuchen. The Toxic Avenger, die definierende Origin-Story eines ganzen Produktionsstudios, machte mir zu meiner Verwunderung mittlerweile deutlich mehr Spaß wie früher. Zwar benötigt man für sowas weiterhin eine weit nach unten verschiebbare Schmerzgrenze, nun begegnet einem innerhalb der zugegeben dünnen Alibistory, nahezu anarchisch umgesetzt, eine den Film aufwertende, subversive Kraft. Kaufman und sein Co-Regisseur sowie -Gründer Michael Herz zeigen mit Genuss dem in den 80ern groß gehuldigten Körper- und Fitnesskult den Mittelfinger und ziehen ihn respektlos nicht durch den Kakao, sondern direkt durch eine dicke Schicht alter, stinkiger Fäkalien. Verpackt ist das in eine kaputte Superhelden-Geschichte um den trotteligen Melvin, Hausmeister im Fitness-Center der kleinen Ortschaft Tromaville. Die fiktive Stadt liegt direkt vor den Türen New Yorks und fungiert als Lager für hoch toxischen und gefährlichen Müll für die Industrie der Weltstadt und zwielichtige Geschäftsmänner aus dem Umland.
Von den gelangweilten und selbstgefälligen Halbstarken Bozo und Slug immer auf den Arm genommen, kommt es bei einem Streich der beiden und ihrer Freundin Julie zu einem folgenschweren Unfall. Auf der Flucht vor dem lachenden Fitnessmob springt Melvin aus dem Fenster und geradewegs in ein Fass mit radioaktiv verseuchtem Müll, auf einem vor dem Fitnesstempel parkenden Transporter stehend, was ihn zum deformierten wie ultrastarken Toxie mutieren lässt. In dieser neuen Form mausert sich der bisher veralberte Putzgeselle zum neuen Liebling der Bewohner Tromavilles, bekämpft er fortan alle kriminellen Subjekte innerhalb der Stadtmauern. Sehr zum Leidwesen des korrupten Bürgermeister Belgoody, dem Toxie deswegen bald ein Dorn im Auge ist und das Militär mobilisiert, um der Bedrohung durch das monströs Gute Herr zu werden.
The Toxic Avenger schildert diese Geschichte nach dem verstärkt auf Slapstick und Gaga-Humor setzenden Einstieg in einzelnen Episoden, die darauf zielen, dass die geschilderten Straftaten und die besonders abartig und abstrus dargestellten Gangster vom radioaktiv gestählten Melvin blutig vereitelt werden. Das erinnert vom Aufbau an die damals aufkommenden Selbstjustiz-Thriller und Actioner á la Hardcore, den Fortsetzungen von Michael Winners Ein Mann sieht Rot oder The Exterminator. Dazwischen beschränkt sich das Drehbuch darauf, den Bürgermeister durch seine korrupten Geschäfte mitsamt des gelinde nazihaften Polizeichefs als Oberfieslinge zu festigen, Bozo und Slug bei ihrem mörderischen Zeitvertreib und die obligatorische Liebelei des Helden zwischen ihm und der bei einem Überfall auf ein Schnellrestaurant geretteten, blinden Sara zu vertiefen. Mit fortschreitender Laufzeit erweist sich das als repetitiv; Kaufmans und Herz' Film bleibt in diesem Kreislauf aus Gore, bewusst geschmacklosen Gags und Schmalspuraction stecken.
Wäre da nicht das subversive Element, dass The Toxic Avenger als teils gallige Satire auf den damaligen Zeitgeist wahrgenommen werden kann. Ein sprichwörtlicher Real Life-Cartoon, bei dem alles von Beginn an so überdreht ist wie in einer Trickserie. Dazwischen nimmt der Film in seiner naiven Ausstrahlung die Position der ebenfalls Anfang/Mitte der 80er in das Bewusstsein der Gesellschaft rückende Öko-Bewegung ein, wobei der Aufhänger mitsamt des Giftmülls als Auslöser für Toxies Mutation ebenso aus einem x-beliebigen Superhelden-Comic stammen könnte. Diese feine, vielleicht nicht mal von Kaufmann und seinem Drehbuchautor Joe Ritter beabsichtigt, Doppeldeutigkeit rettet häufiger das gesamte, brüchige Gebilde dieser simplen Splatter-Action-Komödie. Nur gegen Ende hat auch sie Probleme, vom einfachen, schnell ermüdenden Erzählkonzept abzulenken. Der Dilettantismus der Leute vor und hinter der Kamera, bis auf den fetzigen Soundtrack sind die Production Skills bewusst oder unbewusst niedrig angesiedelt, wird zur Kunstform des Films, gleichzeitig mit dessen Erfolg zur Schablone für Troma selbst.
Der Erfolg des Films schien unerwartet für Kaufman und Herz zu sein, doch die Besitzer des Studios packten die Gelegenheit beim Schopfe und begründeten auf ihrem bewusst schlecht ausgelegten Schund den Erfolg für die kommenden dreißig Jahre. Eines muss man den beiden lassen: man kann sich über die nicht vorhandenen Qualitäten ihrer eigenen und der eingekauften Werke (mit Ausnahmen natürlich) streiten. Der Trash Tromas unterscheidet sich gewaltig von dem gewollt schlechten Quatsch á la Sharknado, dessen Fortsetzungen oder anderen Dingen von The Asylum. Dem genannten Beispiel merkt man den schnöden Kalkül, auf gewollt schlecht und damit lustig mehr an, als den meisten Troma-Produktionen. Dank viralen Erfolgs im Internet gilt die Haischleuderei als postmoderner Müllkult, begröhlt vom tumben SchleFaZ-Publikum, das gar nicht merkt, wie die kommerzielle Absicht und das Konzept hinter Sharknado und Co. einen eigentlich auf niedrig-souveränem Niveau wandelnden Film vollends bei diesen aufgeht. Die wahre Scheiße ist dann eher das, während der "Müll" von Troma, ich wette einfach mal, dass die Fans der Tele 5-Reihe die doppeldeutigen Momente der besseren Werke des Studios nicht mal nüchtern erkennen würden, im besten Falle immer sympathisch anarchisch erscheint. Respekt haben Herz und Kaufman (der mal sagte, dass 99% der Leute in Hollywood Abschaum sind) keinen, ziehen so lange ihr Ding durch, pfeifen auf Political Correctness und sind damit die wahren Punks des Films. Das macht sie, Troma und auch The Toxic Avenger doch irgendwie sympathisch.
Donnerstag, 8. November 2018
Cold Skin
Er wolle die Zuschauer mit seinen Filmen in ein dunkles Universum entführen und das diese so wirken wie Bücher, so Xavier Gens in einem Interview mit dem Horror-Magazin Virus. Der Franzose ist demnach ein vielseitiger, flexibler Auteur, dessen Debüt Frontier(s) zu Beginn der einsetzenden New Wave of French Horror ein unbequemes, vor Gewalt überlaufender, filmischer Leberhaken darstellt. Seitdem streckte er überall hin seine Fühler aus, löste sich nach der Spiele-Adaption Hitman aus den Armen der schmierigen Krake Hollywood und ist zurück im überschaubaren (B-)Filmgeschäft Europas. Sein neuester Film Cold Skin fühlt sich, gemessen an den Absichten des Franzosen, am nächsten nach Literatur an. Überzogen mit einer feinen Staubschicht hat man es mit einem Werk zwischen erster Abenteuerbelletristik á la Jules Verne und frühen Geschichten Lovecrafts (der schon wieder!) zu tun.
Der erste Weltkrieg steht vor der Tür, tritt nahezu schon in diese ein und den Wetterbeobachter Friend zieht es weg von seinen vergangenen, dem Zuschauer verborgenen Dämonen auf ein felsiges, fernab der bekannten Schiffsrouten liegendes Eiland. Die Hütte seines Vorgängers findet man verwüstet vor, von diesem selbst fehlt jede Spur. Einzig der wettergegerbte und verbraucht aussehende Leuchtturmwärter Gruner ist in seinem Turm aufzufinden, kann aber nicht mit einer brauchbaren Antwort über den Verbleib des vorigen Wetteroffiziers dienen. In der ersten Nacht wird Friend Zeuge eines Angriffs seltsamer Wesen auf seine Hütte, die seinen Beobachtungen nach aus dem Meer zu kommen scheinen. Weitere Antworten auf seine Fragen dahingehend suchend, ist ihm Gruner in dieser Sache ebenfalls wenig behilflich. Dafür entdeckt der Wetterbeobachter, dass der Leuchtturmwärter sich eines dieser Wesen als eine Art Haustier hält. Nach weiteren, heftigeren Angriffswellen in der Nacht verschanzt sich Friend im Leuchtturm und muss mit dem einzelgängerischen Gruner eine Zweckgemeinschaft bilden und sich den Meereskreaturen erwehren.
Die Angst und der Kampf gegen dieses Unbekannte, das die beiden von der restlichen Außenwelt isolierten Männer immer wieder angreift, ist ganz offensichtlich als Allegorie auf Rassismus und die menschliche Furcht vor dem Fremden zu verstehen. Auf der einen Seite hat man Gruner, der unüberwindbare denkerische Grenzen in sein Wesen gezogen hat, die Meereswesen zwischen Humanoid und Fisch lieber ausrottet oder die Aneris getaufte und von ihm im Leuchtturm gehaltene Kreatur für seine Zwecke missbraucht. Das geht sogar so weit, dass er seine sexuellen Bedürfnisse mit dieser befriedigt. Inselneuankömmling Friend scheint durch den Überraschungseffekt des ersten Angriffs ebenfalls abgestoßen von den Wesen zu sein, doch verfolgt er genauso angewidert Gruners Umgang mit Aneris. Der aufkeimende Konflikt der so unterschiedlichen Herren breitet sich weit über den schaurigen Teil von Gens Film. Altmodische Dramaturgie leuchtet in das fahle Dunkel der Erzählung, die filmisch nicht nur wie ein Buch aus alten Tagen wirkt, sondern eine Buchverfilmung darstellt.
Das Drehbuch scheint sich nahe an die Vorlage, Albert Sánchez Piñols Roman "Im Rausch der Stille", zu halten, erweitert und ändert diese der filmischen Umsetzung geschuldet mit Gefühl und Sinn, anstatt den literarischen Kosmos gänzlich umzukrempeln. Gens setzt dies routiniert um und anders als bei seinem Kollegen Pascal Laugier, den man leider immer irgendwo immer bis zu einem gewissen Punkt an seinem Überwerk Martyrs misst, schiebt man die Erinnerungen und etwaig versuchte Vergleiche zu dessen Debüt alsbald zur Seite. Die stilvolle und atmosphärische Romanverfilmung erzählt lieber breit den Konflikt zweier verloren zu scheinender Männer, die auf der Insel, ihrer persönlichen Hölle, gegen sich selbst und monströse Wesen aus dem Wasser kämpfen. Letztgenannter Kampf ist trotz der niedrigen Freigabe in Deutschland mit überraschend brutalen Spitzen ausgestattet, wobei diese den Fluss der Geschichte niemals brechen. Einzig die sattsam bekannte Struktur dieser verwehrt Cold Skin, ganz beim Zuschauer anzukommen. Die karge Landschaft, Sinnbild für das Innere der beiden Protagonisten, steht gleichzeitig für den abgegrasten Weg der Erzählart.
Generisch schreitet man auf den dramatischen Showdown zu, zieht die Schlinge des Konflikts zwischen Gruner und Friend enger zusammen und bringt erwartbar die Annäherung an die fischigen Humanoiden von Seiten des aufgeschlosseneren, progressiveren Inselbewohners. Die Nähe an der Vorlage kommt Cold Skin leider in diesem Punkt nicht zum Guten, bleibt der Film dadurch ein keineswegs schlechter, aber nicht komplett überzeugender Hybrid aus seichtem Abenteuer und Horrordramatik, dessen im Wesen der Menschen und seiner Figur Gruner verwurzelter Horror über die unbegründete Furcht und dem Hass auf Fremdes noch heutzutage weitaus erschreckender ist als irgendwelche Monster. Die altbekannte Frage, wer denn nun das wirkliche Monster letztenendes ist, wird ohne neu gewonnene Erkenntnisse beantwortet. Einzig der düster gestimmte, mit dem Ende einsetzende Kreislauf schlägt einen Bezug auf die betrübende wie wahre Erkenntnis, dass Fremden- und Rassenhass, selbst beim engagiertesten Kampf dagegen, leider nie komplett ausgemerzt werden kann. Monster (wie diese) wird es wohl leider immer geben.
Der erste Weltkrieg steht vor der Tür, tritt nahezu schon in diese ein und den Wetterbeobachter Friend zieht es weg von seinen vergangenen, dem Zuschauer verborgenen Dämonen auf ein felsiges, fernab der bekannten Schiffsrouten liegendes Eiland. Die Hütte seines Vorgängers findet man verwüstet vor, von diesem selbst fehlt jede Spur. Einzig der wettergegerbte und verbraucht aussehende Leuchtturmwärter Gruner ist in seinem Turm aufzufinden, kann aber nicht mit einer brauchbaren Antwort über den Verbleib des vorigen Wetteroffiziers dienen. In der ersten Nacht wird Friend Zeuge eines Angriffs seltsamer Wesen auf seine Hütte, die seinen Beobachtungen nach aus dem Meer zu kommen scheinen. Weitere Antworten auf seine Fragen dahingehend suchend, ist ihm Gruner in dieser Sache ebenfalls wenig behilflich. Dafür entdeckt der Wetterbeobachter, dass der Leuchtturmwärter sich eines dieser Wesen als eine Art Haustier hält. Nach weiteren, heftigeren Angriffswellen in der Nacht verschanzt sich Friend im Leuchtturm und muss mit dem einzelgängerischen Gruner eine Zweckgemeinschaft bilden und sich den Meereskreaturen erwehren.
Die Angst und der Kampf gegen dieses Unbekannte, das die beiden von der restlichen Außenwelt isolierten Männer immer wieder angreift, ist ganz offensichtlich als Allegorie auf Rassismus und die menschliche Furcht vor dem Fremden zu verstehen. Auf der einen Seite hat man Gruner, der unüberwindbare denkerische Grenzen in sein Wesen gezogen hat, die Meereswesen zwischen Humanoid und Fisch lieber ausrottet oder die Aneris getaufte und von ihm im Leuchtturm gehaltene Kreatur für seine Zwecke missbraucht. Das geht sogar so weit, dass er seine sexuellen Bedürfnisse mit dieser befriedigt. Inselneuankömmling Friend scheint durch den Überraschungseffekt des ersten Angriffs ebenfalls abgestoßen von den Wesen zu sein, doch verfolgt er genauso angewidert Gruners Umgang mit Aneris. Der aufkeimende Konflikt der so unterschiedlichen Herren breitet sich weit über den schaurigen Teil von Gens Film. Altmodische Dramaturgie leuchtet in das fahle Dunkel der Erzählung, die filmisch nicht nur wie ein Buch aus alten Tagen wirkt, sondern eine Buchverfilmung darstellt.
Das Drehbuch scheint sich nahe an die Vorlage, Albert Sánchez Piñols Roman "Im Rausch der Stille", zu halten, erweitert und ändert diese der filmischen Umsetzung geschuldet mit Gefühl und Sinn, anstatt den literarischen Kosmos gänzlich umzukrempeln. Gens setzt dies routiniert um und anders als bei seinem Kollegen Pascal Laugier, den man leider immer irgendwo immer bis zu einem gewissen Punkt an seinem Überwerk Martyrs misst, schiebt man die Erinnerungen und etwaig versuchte Vergleiche zu dessen Debüt alsbald zur Seite. Die stilvolle und atmosphärische Romanverfilmung erzählt lieber breit den Konflikt zweier verloren zu scheinender Männer, die auf der Insel, ihrer persönlichen Hölle, gegen sich selbst und monströse Wesen aus dem Wasser kämpfen. Letztgenannter Kampf ist trotz der niedrigen Freigabe in Deutschland mit überraschend brutalen Spitzen ausgestattet, wobei diese den Fluss der Geschichte niemals brechen. Einzig die sattsam bekannte Struktur dieser verwehrt Cold Skin, ganz beim Zuschauer anzukommen. Die karge Landschaft, Sinnbild für das Innere der beiden Protagonisten, steht gleichzeitig für den abgegrasten Weg der Erzählart.
Generisch schreitet man auf den dramatischen Showdown zu, zieht die Schlinge des Konflikts zwischen Gruner und Friend enger zusammen und bringt erwartbar die Annäherung an die fischigen Humanoiden von Seiten des aufgeschlosseneren, progressiveren Inselbewohners. Die Nähe an der Vorlage kommt Cold Skin leider in diesem Punkt nicht zum Guten, bleibt der Film dadurch ein keineswegs schlechter, aber nicht komplett überzeugender Hybrid aus seichtem Abenteuer und Horrordramatik, dessen im Wesen der Menschen und seiner Figur Gruner verwurzelter Horror über die unbegründete Furcht und dem Hass auf Fremdes noch heutzutage weitaus erschreckender ist als irgendwelche Monster. Die altbekannte Frage, wer denn nun das wirkliche Monster letztenendes ist, wird ohne neu gewonnene Erkenntnisse beantwortet. Einzig der düster gestimmte, mit dem Ende einsetzende Kreislauf schlägt einen Bezug auf die betrübende wie wahre Erkenntnis, dass Fremden- und Rassenhass, selbst beim engagiertesten Kampf dagegen, leider nie komplett ausgemerzt werden kann. Monster (wie diese) wird es wohl leider immer geben.
Mittwoch, 7. November 2018
Spring
Aussteigen. Alles hinter und sich treiben lassen. Dem alltäglichen Grau mit seinen deprimierenden Seiten entfliehen um den Kopf frei zu bekommen; den persönlichen Fokus justieren. Justin Benson und Aaron Moorhead, nicht nur bei genreaffinen Filmfreunden durch ihre dritte (wenn man deren Beitrag zur Anthologie V/H/S: Viral außen vor lässt) gemeinsame Arbeit The Endless in aller Munde und von Jubelstürmen umzingelt, gleiten in ihrem Zweitwerk Spring mit ihrem Protagonisten Evan durch die Tage im sonnenumschlungenen Italien, nachdem zuvor in den heimischen USA sich der Mist aufgetürmt hat. Die totkranke, verstorbene Mutter wurde unter die Erde gebracht, nach einer Schlägerei in der Kneipe, in der Evan arbeitet, dort freundlich vor die Tür gesetzt, deswegen von der Polizei gehetzt und selbst beim gewollten Ablenkungssex mit einer Bekannten nicht zum Zug kommend, beschließt Evan, den Rat dieser Dame befolgend, das Land zu verlassen.
In Bella Italia angekommen, lernt er die schöne und geheimnisvolle Louise kennen. Sein beharrliches Werben zeigt Erfolg: zuerst bei ihr abgeblitzt, lenkt sie nach einiger Zeit ein und verabredet sich mit ihm zu einem Date. Es beginnt eine lockere Liebelei, von Louise wegen ungenannter Gründe stets auf eine gewisse Distanz gerückt. Diese Geheimniskrämerei steht unsichtbar zwischen den jungen Leuten, bis Evan durch einen Zufall die furchterregende, erschütternde Wahrheit und Geschichte von Louise erfährt. Die tragische Erkenntnis, mit der Evan konfrontiert wird, inszenieren Benson und Moorhead als krachigen Paukenschlag ihrer Geschichte. Die vagen Andeutungen über Louise und ihr Schicksal brechen zuvor fragmentarisch in den ruhigen Erzählton des Films. Spekulative Fetzen von Bildern rücken Spring in die Nähe von cronenbergschen Body-Horror, kürzere Szenen schlagen Bogen zu einer monströsen Zweitidentität der hübschen Frau.
Der Horror in Spring ist langsam, schleichend. Man kann wiederkehrende Vergleiche mit dem Werk H. P. Lovecrafts nachvollziehen, dessen Geschichten weit mehr beherbergen als gigantische, tentakelbewehrte Gottheiten. Es ist das im Hintergrund verborgene Grauen, das tief verborgene Ängste freilegt und wie ein Raubtier auf der Lauer liegt, um die Rationalität im geeigneten Augenblick umzureißen. Wie in ihrem jüngsten Genre-Konglomerat The Endless behandelt das Regisseur-Duo den phantastischen Teil der Geschichte als Nebensächlichkeit. Die bewusst kurzgehaltenen Szenen ordnen sie der Liebelei zwischen Evan und Louise unter; ausgedehnt in mäandernden Episoden spontanem Urlaubsalltags. Wie in The Endless interessieren sich Benson und Moorhead mehr noch für Zwischenmenschliches und die Tristheit des beständigen Lebenskreislaufs. Wurde dieses Konzept dort für mich bald zur Geduldsprobe, weil Benson und Moorhead die belanglos erscheinenden Szenen auf die Spitze treiben und ich (vielleicht vorschnell) den ganzen Film ab einem Punkt als gescheitert abgehakt habe, funktioniert es bei Spring recht gut.
Vielleicht war es für mich bei The Endless, jüngst im heimatlichen Programmkino innerhalb eines Halloween-Double Features gesehen, schon zu spät. Bei Spring war ich dennoch überrascht, wie das eigentlich gleiche Konzept viel besser funktioniert und runder erscheint. Benson und Moorhead gehen gelassener an die Umsetzung ihrer Geschichte, die sich weniger durchgeplant anfühlt. Der Stoff kann mehr atmen und sich entfalten. Die Symbiose mit dem phantastischen Anteil wirkt fließender. Was uns die beiden Regisseure wie Autoren kredenzen, bleibt sinniger, da die Geschichte in diesen Momenten fassbarer und weniger verquert-abstrakt wie in The Endless ist. Eher vertrauen die beiden hier konventionellen Formeln des Horrorkinos und ordnen sie eleganter, einfach gekonnter ihrem persönlichen Stil unter.
Spannend bleibt die Entwicklung von Benson und Moorhead, zeigen beide Filme - auch The Endless - wie gekonnt sie es verstehen, in ihren Geschichten vertraut wirkenden Alltag mit ihrem eigenen Verständnis von Horror und Schrecken zu verbinden und mit der Erwartungshaltung des Publikums spielen können. Entwickelt sich Spring doch irgendwann in eine gleißende Horrorromanze, einen längst verflogenen Urlaubsmoment zweier Menschen, die der Zufall zueinander führte. Das fühlt sich wie die phantastische Version von Richard Linklaters Before Sunrise mit mehr Blut und weniger Charme an. Spring ist eine aus Evans und Louise Leben gerissene Episode, welche beide vereint und von der Angst erzählt, sich auf die eigenen Empfindungen einzulassen. Es bedarf manchmal den Glauben an das Gute, vielleicht naiv, jedoch gnadenlos sympathisch, wie Evan und Louise einem tragischen Schicksal entgegenblicken und Benson und Moorhead im Finale die zu erwartenden Ereignisse auslassen und sich mit dem Ende als kleine Romantiker outen. Die Liebe überwindet alles, auch die tragischsten Schicksale, wenn man diesem chemischen Körperkonzentrat die Chance lässt, sich zu entfalten. Da ist es nebensächlich, was nun Evans Angebetete eigentlich ist. Liebe kann eine persönliche, innere Evolution hervorrufen, wenn man sie nur lässt. Was Spring hier vermittelt, bringt ausgerechnet der deutsche Untertitel hübsch auf den Punkt: Love is a monster. Sometimes.
In Bella Italia angekommen, lernt er die schöne und geheimnisvolle Louise kennen. Sein beharrliches Werben zeigt Erfolg: zuerst bei ihr abgeblitzt, lenkt sie nach einiger Zeit ein und verabredet sich mit ihm zu einem Date. Es beginnt eine lockere Liebelei, von Louise wegen ungenannter Gründe stets auf eine gewisse Distanz gerückt. Diese Geheimniskrämerei steht unsichtbar zwischen den jungen Leuten, bis Evan durch einen Zufall die furchterregende, erschütternde Wahrheit und Geschichte von Louise erfährt. Die tragische Erkenntnis, mit der Evan konfrontiert wird, inszenieren Benson und Moorhead als krachigen Paukenschlag ihrer Geschichte. Die vagen Andeutungen über Louise und ihr Schicksal brechen zuvor fragmentarisch in den ruhigen Erzählton des Films. Spekulative Fetzen von Bildern rücken Spring in die Nähe von cronenbergschen Body-Horror, kürzere Szenen schlagen Bogen zu einer monströsen Zweitidentität der hübschen Frau.
Der Horror in Spring ist langsam, schleichend. Man kann wiederkehrende Vergleiche mit dem Werk H. P. Lovecrafts nachvollziehen, dessen Geschichten weit mehr beherbergen als gigantische, tentakelbewehrte Gottheiten. Es ist das im Hintergrund verborgene Grauen, das tief verborgene Ängste freilegt und wie ein Raubtier auf der Lauer liegt, um die Rationalität im geeigneten Augenblick umzureißen. Wie in ihrem jüngsten Genre-Konglomerat The Endless behandelt das Regisseur-Duo den phantastischen Teil der Geschichte als Nebensächlichkeit. Die bewusst kurzgehaltenen Szenen ordnen sie der Liebelei zwischen Evan und Louise unter; ausgedehnt in mäandernden Episoden spontanem Urlaubsalltags. Wie in The Endless interessieren sich Benson und Moorhead mehr noch für Zwischenmenschliches und die Tristheit des beständigen Lebenskreislaufs. Wurde dieses Konzept dort für mich bald zur Geduldsprobe, weil Benson und Moorhead die belanglos erscheinenden Szenen auf die Spitze treiben und ich (vielleicht vorschnell) den ganzen Film ab einem Punkt als gescheitert abgehakt habe, funktioniert es bei Spring recht gut.
Vielleicht war es für mich bei The Endless, jüngst im heimatlichen Programmkino innerhalb eines Halloween-Double Features gesehen, schon zu spät. Bei Spring war ich dennoch überrascht, wie das eigentlich gleiche Konzept viel besser funktioniert und runder erscheint. Benson und Moorhead gehen gelassener an die Umsetzung ihrer Geschichte, die sich weniger durchgeplant anfühlt. Der Stoff kann mehr atmen und sich entfalten. Die Symbiose mit dem phantastischen Anteil wirkt fließender. Was uns die beiden Regisseure wie Autoren kredenzen, bleibt sinniger, da die Geschichte in diesen Momenten fassbarer und weniger verquert-abstrakt wie in The Endless ist. Eher vertrauen die beiden hier konventionellen Formeln des Horrorkinos und ordnen sie eleganter, einfach gekonnter ihrem persönlichen Stil unter.
Spannend bleibt die Entwicklung von Benson und Moorhead, zeigen beide Filme - auch The Endless - wie gekonnt sie es verstehen, in ihren Geschichten vertraut wirkenden Alltag mit ihrem eigenen Verständnis von Horror und Schrecken zu verbinden und mit der Erwartungshaltung des Publikums spielen können. Entwickelt sich Spring doch irgendwann in eine gleißende Horrorromanze, einen längst verflogenen Urlaubsmoment zweier Menschen, die der Zufall zueinander führte. Das fühlt sich wie die phantastische Version von Richard Linklaters Before Sunrise mit mehr Blut und weniger Charme an. Spring ist eine aus Evans und Louise Leben gerissene Episode, welche beide vereint und von der Angst erzählt, sich auf die eigenen Empfindungen einzulassen. Es bedarf manchmal den Glauben an das Gute, vielleicht naiv, jedoch gnadenlos sympathisch, wie Evan und Louise einem tragischen Schicksal entgegenblicken und Benson und Moorhead im Finale die zu erwartenden Ereignisse auslassen und sich mit dem Ende als kleine Romantiker outen. Die Liebe überwindet alles, auch die tragischsten Schicksale, wenn man diesem chemischen Körperkonzentrat die Chance lässt, sich zu entfalten. Da ist es nebensächlich, was nun Evans Angebetete eigentlich ist. Liebe kann eine persönliche, innere Evolution hervorrufen, wenn man sie nur lässt. Was Spring hier vermittelt, bringt ausgerechnet der deutsche Untertitel hübsch auf den Punkt: Love is a monster. Sometimes.