Freitag, 9. November 2018

The Toxic Avenger

Was wäre eigentlich aus der kleinen Produktionsfirma Troma, die seit ihrer Gründung 1974 überwiegend kleine Sexklamotten produzierte, ohne The Toxic Avenger geworden? Mit Sicherheit nicht das mittlerweile älteste Independent-Studio der Welt, welches sich mit seinen kruden Billigfilmen, bestehend aus auf sämtliche Political Correctness scheißende schlechten Witzen, viel nackter Haut und noch mehr Gore eine eigene Nische geschaffen hat. Die Gorebauern und Trashologen freut es, bekommen sie mit dem Output des Studios genau das, was sie erwarten und wonach es ihnen giert. Die Fangemeinde ist treu ergeben und betet Lloyd Kaufman, Mitbegründer des Studios und Regisseur einiger Klassiker des Studios, als gottgleichen abgedrehten Trash-Opi an. Ich persönlich konnte immer wenig mit der ganz speziellen Art der Troma-Filme etwas anfangen, obwohl ich - leider damals mehr wie heute - eine Vorliebe für obskure und trashige Werke habe.

Vielleicht liegt darin auch das Problem begründet. Tromas Filme sind, anders als z. B. die Werke eines Andy Milligan oder Ted V. Mikels oder eines meiner liebsten Trash-Obskuritäten-Kabinetts, dem mexikanischen Horrorknaller Night Of The Bloody Apes, von vornherein als dilettantisch geplant, während sich (nicht nur) die aufgezählten Trash-Auteure sowie der Mexploitationer trotz der bewussten Limitation des Talents ihrer Schöpfer sich bierernst nahmen und deren Werke auf einer unfreiwilligen Art belustigen können. Intendierter Trash, der wild mit dem Zaunpfahl fuchtelnd darauf hinweisen möchte, wie scheiße und deswegen lustig er ist, möchte bei mir nicht hundertprozentig funktionieren. Bei meinem ersten Versuch, mich durch das Troma-Programm zu pflügen, kam ich zu dem Schluss, dass Class Of Nuke 'Em High der beste Film des Studios ist. Oliver Nöding argumentiert in seinem Review das, was ich genau so unterschreiben kann: weil er eben eine schlüssigere, rundere Geschichte erzählt als zum Beispiel The Toxic Avenger. 

Jahre nach meinem ersten Versuch mit den Filmen der Trash-Schmiede packte mich der Gedanke, es wieder mit Troma und deren Maskottchen zu versuchen. The Toxic Avenger, die definierende Origin-Story eines ganzen Produktionsstudios, machte mir zu meiner Verwunderung mittlerweile deutlich mehr Spaß wie früher. Zwar benötigt man für sowas weiterhin eine weit nach unten verschiebbare Schmerzgrenze, nun begegnet einem innerhalb der zugegeben dünnen Alibistory, nahezu anarchisch umgesetzt, eine den Film aufwertende, subversive Kraft. Kaufman und sein Co-Regisseur sowie -Gründer Michael Herz zeigen mit Genuss dem in den 80ern groß gehuldigten Körper- und Fitnesskult den Mittelfinger und ziehen ihn respektlos nicht durch den Kakao, sondern direkt durch eine dicke Schicht alter, stinkiger Fäkalien. Verpackt ist das in eine kaputte Superhelden-Geschichte um den trotteligen Melvin, Hausmeister im Fitness-Center der kleinen Ortschaft Tromaville. Die fiktive Stadt liegt direkt vor den Türen New Yorks und fungiert als Lager für hoch toxischen und gefährlichen Müll für die Industrie der Weltstadt und zwielichtige Geschäftsmänner aus dem Umland.

Von den gelangweilten und selbstgefälligen Halbstarken Bozo und Slug immer auf den Arm genommen, kommt es bei einem Streich der beiden und ihrer Freundin Julie zu einem folgenschweren Unfall. Auf der Flucht vor dem lachenden Fitnessmob springt Melvin aus dem Fenster und geradewegs in ein Fass mit radioaktiv verseuchtem Müll, auf einem vor dem Fitnesstempel parkenden Transporter stehend, was ihn zum deformierten wie ultrastarken Toxie mutieren lässt. In dieser neuen Form mausert sich der bisher veralberte Putzgeselle zum neuen Liebling der Bewohner Tromavilles, bekämpft er fortan alle kriminellen Subjekte innerhalb der Stadtmauern. Sehr zum Leidwesen des korrupten Bürgermeister Belgoody, dem Toxie deswegen bald ein Dorn im Auge ist und das Militär mobilisiert, um der Bedrohung durch das monströs Gute Herr zu werden.

The Toxic Avenger schildert diese Geschichte nach dem verstärkt auf Slapstick und Gaga-Humor setzenden Einstieg in einzelnen Episoden, die darauf zielen, dass die geschilderten Straftaten und die besonders abartig und abstrus dargestellten Gangster vom radioaktiv gestählten Melvin blutig vereitelt werden. Das erinnert vom Aufbau an die damals aufkommenden Selbstjustiz-Thriller und Actioner á la Hardcore, den Fortsetzungen von Michael Winners Ein Mann sieht Rot oder The Exterminator. Dazwischen beschränkt sich das Drehbuch darauf, den Bürgermeister durch seine korrupten Geschäfte mitsamt des gelinde nazihaften Polizeichefs als Oberfieslinge zu festigen, Bozo und Slug bei ihrem mörderischen Zeitvertreib und die obligatorische Liebelei des Helden zwischen ihm und der bei einem Überfall auf ein Schnellrestaurant geretteten, blinden Sara zu vertiefen. Mit fortschreitender Laufzeit erweist sich das als repetitiv; Kaufmans und Herz' Film bleibt in diesem Kreislauf aus Gore, bewusst geschmacklosen Gags und Schmalspuraction stecken.

Wäre da nicht das subversive Element, dass The Toxic Avenger als teils gallige Satire auf den damaligen Zeitgeist wahrgenommen werden kann. Ein sprichwörtlicher Real Life-Cartoon, bei dem alles von Beginn an so überdreht ist wie in einer Trickserie. Dazwischen nimmt der Film in seiner naiven Ausstrahlung die Position der ebenfalls Anfang/Mitte der 80er in das Bewusstsein der Gesellschaft rückende Öko-Bewegung ein, wobei der Aufhänger mitsamt des Giftmülls als Auslöser für Toxies Mutation ebenso aus einem x-beliebigen Superhelden-Comic stammen könnte. Diese feine, vielleicht nicht mal von Kaufmann und seinem Drehbuchautor Joe Ritter beabsichtigt, Doppeldeutigkeit rettet häufiger das gesamte, brüchige Gebilde dieser simplen Splatter-Action-Komödie. Nur gegen Ende hat auch sie Probleme, vom einfachen, schnell ermüdenden Erzählkonzept abzulenken. Der Dilettantismus der Leute vor und hinter der Kamera, bis auf den fetzigen Soundtrack sind die Production Skills bewusst oder unbewusst niedrig angesiedelt, wird zur Kunstform des Films, gleichzeitig mit dessen Erfolg zur Schablone für Troma selbst.

Der Erfolg des Films schien unerwartet für Kaufman und Herz zu sein, doch die Besitzer des Studios packten die Gelegenheit beim Schopfe und begründeten auf ihrem bewusst schlecht ausgelegten Schund den Erfolg für die kommenden dreißig Jahre. Eines muss man den beiden lassen: man kann sich über die nicht vorhandenen Qualitäten ihrer eigenen und der eingekauften Werke (mit Ausnahmen natürlich) streiten. Der Trash Tromas unterscheidet sich gewaltig von dem gewollt schlechten Quatsch á la Sharknado, dessen Fortsetzungen oder anderen Dingen von The Asylum. Dem genannten Beispiel merkt man den schnöden Kalkül, auf gewollt schlecht und damit lustig mehr an, als den meisten Troma-Produktionen. Dank viralen Erfolgs im Internet gilt die Haischleuderei als postmoderner Müllkult, begröhlt vom tumben SchleFaZ-Publikum, das gar nicht merkt, wie die kommerzielle Absicht und das Konzept hinter Sharknado und Co. einen eigentlich auf niedrig-souveränem Niveau wandelnden Film vollends bei diesen aufgeht. Die wahre Scheiße ist dann eher das, während der "Müll" von Troma, ich wette einfach mal, dass die Fans der Tele 5-Reihe die doppeldeutigen Momente der besseren Werke des Studios nicht mal nüchtern erkennen würden, im besten Falle immer sympathisch anarchisch erscheint. Respekt haben Herz und Kaufman (der mal sagte, dass 99% der Leute in Hollywood Abschaum sind) keinen, ziehen so lange ihr Ding durch, pfeifen auf Political Correctness und sind damit die wahren Punks des Films. Das macht sie, Troma und auch The Toxic Avenger doch irgendwie sympathisch.
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