Samstag, 15. Dezember 2018

Green Room

Punk ain't no religious cult // Punk means thinking for yourself // You ain't hardcore 'cause you spike your hair // When a jock still lives inside your head // Nazi punks // Nazi punks // Nazi punks fuck off! schmettert Tiger, Sänger der Punk-Band The Ain't Rights dem Nazi-Skin-Publikum im schäbigen Rockerclub, gelegen in einem trostlosen Waldgebiet irgendwo in Oregon, entgegen. Die spannungsgeladene Brisanz in der Konfrontation beider ideologisch weiter auseinander driftenden Subkulturen in Jeremy Saulniers Green Room verspricht politische Durchschlagkraft. Regisseur Saulnier nutzt dies in seinem Drehbuch weitgehend nur dafür, bereits vorhandene Differenzen zwischen den Lagern für den Spannungsaufbau seiner Geschichte zu nutzen. Abgebrannt, mit kaum Sprit durch die Staaten tingelnd, wird die Combo um Tiger, Pat, Sam und Reece von ihrem Gastgeber, Veranstalter und Interviewer Tad nach einem erfolglosen Aufritt in einem mexikanischen Restaurant für einen ertragreicheren Ersatzauftritt gebucht.

Abhängig vom schnöden Mammon nimmt man den Job an, zockt den Gig routiniert vor dem rechtsradikalen Publikum runter und will hinterher so schnell wie möglich die Location verlassen, als man im Backstage-Bereich in einen unschönen Zwischenfall samt Leiche platzt. Die Bandmitglieder werden von den ebenfalls rechts gerichteten Veranstaltern im Club eingeschlossen und festgehalten, nichts ahnend, dass Clubbesitzer Darcy keine Zeugen des Zwischenfalls gebrauchen kann und mit seinen Kumpanen bereits systematisch deren Auslöschung plant. Als die Bandmitglieder von den Plänen der Nazi-Gruppierung Wind bekommen, verbarrikadieren sie sich zusammen mit einem Türsteher und dem Skin-Girl Amber in der Garderobe des Clubs und versuchen, einen Weg nach draußen, vorbei an den Nazis, zu finden. Saulnier strickt daraus einen schnörkellosen Thriller, dessen klaustrophobische Beschränktheit auf den engen Backstage-Raum, erst später ausgeweitet auf den Club und das nahe Umland, durchaus zu spannenden Momenten führt.

Die angespannte Stimmung nach Ankunft beim Club zwischen beiden Lagern wird vom Script gekonnt wie kontinuierlich hochgekocht; die Gewalteruption beim ersten Übergriffsversuch der Nazis auf die Punkbank reißt den Zuschauer als tosende Welle weiter aus der persönlichen Komfortzone. Wenn Saulnier in Green Room etwas beweist, dann wie gut er unangenehme Situationen kreieren kann. Weitgehend kann er das Niveau bis zum Finale halten. Dieses selbst gestaltet sich so trostlos wie die matschig-schmutzige Farbgebung des Films. Der Club, das Umland: es eröffnet sich dem Zuschauer als Point of no return, bevor den Protagonisten bewusst wird, in welch brenzlige Lage sie sich begeben haben. Saulnier scheint nur nicht bewusst zu sein, welche Brisanz sich in seinem Stoff überhaupt birgt. Die endgültige Konfrontation zwischen Clubbesitzer Darcy, dessen Darsteller Patrick Stewart zwar eine interessante Besetzung, darstellerisch allerdings eher routiniert den durchschlagend ist, und den beiden Überlebenden ist in seinem Aufbau simpel, farb- und einfallslos. Wie Rodrigo Gonzales singt man mit von Enttäuschung ersticktem Timbre Soll es das gewesen sein?

Vielleicht hatte Saulnier keine Lust auf eine erwartende Eskalation politisch extrem weit auseinander klaffender Lager und deren Denken; dem durch die Ausgangssituation der Erzählung zu erwartenden Storyverlauf. Vielleicht war es ihm auch nicht bewusst. Die Nazis entpuppen sich als Gruppe, die man auch mit aus anderen Lagern oder Nationalitäten stammenden Figuren austauschen könnte. Für den Film gewöhnliche Gangster. Zur Verteidigung des Regisseurs sei gesagt, dass die Protagonisten ebenfalls austauschbar bleiben. In einer kleinen Sequenz wird die Band als Modepunks beschimpft und trotz derer bemüht politischen Positionierung, in dem man als Akt der Provokation den Klassiker der Dead Kennedys dem Nazipulk entgegen schreit, nimmt man den jungen Menschen das Punk sein nicht komplett ab. Da ist die einfallslose Interviewfrage Tads, welche Band die Mitglieder auf eine einsame Insel mitnehmen würden, die immer wieder im Film auftaucht, doppeldeutig. Irgendwann scheint man sich vom Punk zu distanzieren, wenn plötzlich "Hippiekünstler" genannt werden, die nichts mit der schroffen Subkultur zu tun haben. Es mag ein Kommentar Saulniers auf Subkulturen als oberflächliches Label für den künstlich coolen Auftritt des Individuums sein, mag mit dem simpel aber effektiv gestalteten Thrillerkonstrukt des Films nicht zur Gänze kompatibel sein. Im Endeffekt lässt sich Green Room weniger komplett als politisch hintergründiger Thriller identifizieren wie die im Fokus stehende Musikergruppe als 100%ige Punks. Wenigstens zeigt Saulnier, dass er mit einfachen Mitteln hoch spannende Thrillerkost abliefern kann, die hinter den im letzten Jahr aufgekommenen Lobesarien zurück bleibt.
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