Dienstag, 26. Februar 2019

Deadtime Stories (Die Zunge des Todes)

Der Blogname verrät trotz der hier manchmal gefühlt thematischen Beschränkung, dass meine filmischen Interessen äußerst breit gefächert sind. Mit B-Horrorstreifen aus den 80ern und 90ern filmisch sozialisiert, komme ich nicht nur äußerst gerne auf diese zurück. Ich selbst möchte behaupten, dass meine Schmerzgrenze äußerst niedrig ist. Dann gibt es jedoch Begegnungen mit Filmen, welche diese Annahme anzweifeln lassen. Jeffrey Delmans Deadtime Stories gehört eindeutig in diese Kategorie. Meiner Vorliebe für Episodenhorrorfilme ist es zu verdanken, dass dem mir zuvor gänzlich unbekannte Film wertvolle Lebenszeit sowie meine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Meine Meinung darüber schwankt selbst einige Tage nach der Sichtung munter; einzig die Erkenntnis, dass es eine noch ranzigere Horror-Anthologie wie Night Train To Terror (der hier vor einiger Zeit besprochen wurde) gibt, bleibt beständig.

Zwischen den drei Episoden wird der Zuschauer sowie Onkel Mike vom aufgekratzten Brian genervt, welcher schlaflos diesen dazu zwingt, ihm spannende Geschichten zum Einschlafen zu erzählen. Das Mike, der eigentlich lieber die Wahl zur Miss World im Fernsehen verfolgen würde, der allseits beliebte schmierige Onkel ist, verraten seine Abwandlungen bekannter Märchen. Seine erste Story handelt von zwei Hexen, die mit Hilfe ihres faktisch in Sklaverei lebenden "Adoptivsohns" versuchen, ein Menschenopfer für die Erweckung ihrer toten Schwester zu finden. Die mittlere Geschichte ist eine moderne und sehr freie Version von Rotkäppchen, bei dem ein Apotheker die Medikamente für Rachels Großmutter und eines mit einem grausamen Fluch belasteten Kunden vertauscht, was dazu führt, dass dieser panisch vor Rachel beim Haus der wartenden Oma sein möchte, um schlimmeres zu verhindern. Zu guter letzt dürfen wir erleben, wie die durch die Bank weg wahnsinnige Familie Bear aus der Psychiatrie ausbricht und auf ihrer Flucht auf die ebenso psychopathisch veranlagte Goldi Lox trifft. Deren übersinnliche Fähigkeiten und der gemeinsame Spaß beim Massakrieren führt zu einigen derb blutigen Szenen.

Durchzogen ist der Film abwechselnd von Altherrenhumor, infantilen Quatschereien und simplen und damit eher blödem denn lustigen Slapstick. Letzterer kommt größtenteils in der letzten Geschichte zu tragen, was die dort vorhandenen, wenigen lustigen wie interessanten Einfälle mit nerviger Beständigkeit erstickt. Als Horrorkomödie konzipiert, versagt Deadtime Stories auf beiden Seiten. Selbst der dem sichtbar geringen Budget und der ungelenken Verbindung von Horror und komödiantischen Elementen geschuldeten Trash-Faktor rettet den Film bedingt. Die bemüht zusammengetragene Ausstattung der Hexen-Geschichte und die dortigen praktischen Effekte bei der Erweckung der toten Schwester lassen auf kurzweiligen Spaß zwischen Schund und leichtem Gore hoffen, wäre nicht schon hier der meist nervige Humor, der die hier recht gut funktionierende Atmosphäre aufbricht. Erstes Lowlight sind die Anmachversuche des Gehilfen und Ziehsohns Peter beim von den Hexenschwestern als Opfer auserkorenen Mädchen. Dies als Satire auf das ungelenke Balzverhalten einiger männlicher Wesen zu interpretieren, war mein leider nicht fruchtbarer Versuch, sich die Szene schön zu reden.

Überraschend, wie gut dafür die Kombination aus infantilen Späßen und Altherrenhumor in der Rotkäppchen-Episode funktionieren. Schon die lüsterne Beschreibung Rachels durch den Onkel sorgt kurzweilig für leichtes Grinsen. Alle Späße funktionieren auch in dieser Episode nicht, dafür sorgt die krude Bearbeitung des Märchens durch die Autoren für gewisses Pläsier. Allein der seltsame Einfall, den fluchbehafteten, tragischen Antihelden als Junkie darzustellen, dessen Apotheker sich wie ein 1A-Klischee-Dealer verhält, ist gleichzeitig herrlich obskur wie blödsinnig. Diese offen zur Schau gestellte Blödsinnigkeit und das Selbstbewusstsein des Teams hinter wie vor der Kamera, ohne ironischen Unterton so strunzdoof zu agieren und den Film runterzuwichsen (man entschuldige den Ausdruck, aber das beschreibt den Eindruck, wie Deadtime Stories entstanden sein muss meiner Ansicht nach recht gut), übte auf mich eine gewisse Faszination aus. Die sichtbaren Pappmaché-Felsen im mittelalterlichen Setting der Anfangsstory, die dreckigen und heruntergekommenen Buden, Darsteller die wirken, als hätte man sie direkt aus dem Arbeitsamt heraus gecastet und Humorveständnis jenseits von gut und böse machen daraus keinen guten Film.

Gleichzeitig ist es die Attitüde des Films, die mich diesen nicht komplett zerreißen lässt. Bei grob geschätzt mehr als 2000 gesehenen Filmen, viele darunter aus der B-, C- oder sogar Z-(Grade-)Klasse, ruht in einem das Wissen, dass es noch schlimmer wie in Deadtime Stories geht. Es mag auch die an Funny Saturday Morning Cartoons erinnernde Machart der Familie Bear/Goldi Lox-Episode sein, die meine innerlich weiterhin schwelende Lust an fadem B-Movie-Stuff zu nichte machte. Selten ließ mich in der letzten Zeit ein Film so Zwiegespalten zurück. Der Fan von kleinen 80ies-Horror-Reißern in mir versucht angestrengt, Deadtime Stories zu mögen, während der Rest meiner Cineasten-Persönlichkeit irritiert und im planlosen Zickzack wie ein geköpftes Huhn umherlaufend hochgradig verwundert ist, was das jetzt war. Der vor gut dreißig Jahren im Fandom hochgejubelte Frank Trebbin (wir hatten ja nüscht anderes...) attestiert ihm, dass er "auf nicht uninteressante Weise bekannte Kindermärchen genregerecht persifliert". Dieses auf nicht uninteressante Weise agieren trifft es ganz gut. Das kann alles noch so Panne sein, was man auf der Mattscheibe so erblickt: das ist so blöd wie manches Asi-TV-Format, bei dem man plötzlich nicht wegschalten kann und hingucken muss. Das muss ein Film auch erstmal hinbekommen.
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