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Mittwoch, 19. Juni 2019

V/H/S: Viral

Man kann den Zusatz im Titel des dritten Teil der Found Footage-Anthologie V/H/S als Superlativ, absolute Steigerung des bisherigen ansehen. Nachdem der zweite Teil S-VHS (ebenfalls im Blog besprochen) auf gleichnamiges Format, welches technisch im Vergleich zur herkömmlichen VHS dank verbesserter Technologie fortgeschrittener war, abzielte, verbreiten sich die Schockersschnappschüsse im Videoformat in Teil Drei viral über den ganzen Globus. Die Protagonisten der einzelnen Segmente zielen darauf ab, dass ihre via Video aufgenommenen Momentaufnahmen, die gleichzeitig sichtbar ihre Sehnsucht nach dem die Langeweile durchbrechenden Spektakel wiedergibt, durch dieses die laut Warhol jedem zustehenden 15 Minutes of Fame einbringen sollen. Die knapp bemessene Viertelstunde verkommt durch das Internet zu einem Augenblick und einem kleinen Anflug von Popularität, die trotz der Fähigkeit des Webs, nichts zu vergessen, im Pool der Abermillionen von Fame Seekern schnell unterzugehen droht.

Sich dem Verhalten der User im Web unterwerfend, ist V/H/S: Viral mehr Collage von abgeschlossenen Geschichten, welche die übergreifende Erzählung weg von der für Anthologien meist üblichen Rahmenhandlung bringt, sondern diese unterbrechen. Sinnbild für den Klick, das Skippen zum nächsten Video der von ihrer Langeweile unter Druck gesetzten Nutzer, auf der Suche nach dem nächsten visuellen Kick. Der stumpfe, aber sinnige Übergang in den Vorgängern, in denen mit dem Wechsel eines Videos die nächste Geschichte eingeläutet wird, entfällt. Was selbst durch eigenes Verhalten vertraut erscheint, wenn man bei bekannten Videoportalen sich vom Flow seiner instinktgesteuerten Interessen treiben lässt, ist filmisch ein ungelenker Bruch. Beibehaltene Stilmittel wie beim analogen Material bekannte Störungen im Bildlauf erweisen sich für Teil Drei als kontraproduktiv. Sie bleiben stilistisches Merkmal, wiederkehrender Artstyle, welcher diesen Beitrag visuell mit beiden Vorgängern verbinden soll.

Weiter bricht man mit dem Found Footage-Stil: schon der erste Beitrag über einen Zauberer, der durch einen Umhang, welcher dem legendären Harry Houdini gehört haben soll, zu Ruhm erlangt, wird als Mockumentary erzählt. Die hier präsentierten Ideen, flott erzählt und mit einem trashigen Charakter von gescriptet anmutenden US-Doku-Formaten versehen, bieten einen vorhersehbaren, aber netten Einstieg. Unnötig sind hier die Einschübe aus alternativem Material - meist privaten Aufnahmen der Protagonisten - die dem Zuschauer eine alternative Perspektive der gezeigten Ereignisse zeigen wollen und die Wirkung der Story merklich schwächen. Als würde man der Generation Klick und Weg die Fähigkeit zum Kopfkino und Fantasie fast gänzlich absprechen. V/H/S: Viral bringt den treffenden Vibe viraler Internet-Phänomene mit sich, die bei allem Spektakel schwerlich länger im Gedächtnis hängen bleiben. Weniger um die in der Netzwelt geborenen Belanglosigkeiten hervorzuheben, sondern eher, weil jedes weitere Sequel in Franchises ein Stück mehr vergessenswertes Junk Food für die Sinne wird.

Einzig Nacho Vigalondos Beitrag über einen Wissenschaftler, dem es gelingt, ein Tor zu einem Paralleluniversum zu öffnen und mit seinem dort lebenden Doppelgänger die Plätze tauscht, sticht durch seine Cronenberg'sche Tonalität hervor. Mit viel Sinn für das richtige Timing schafft es der spanische Filmemacher minütlich die anfänglich greifbar eigentümliche Atmosphäre zu einem ewig andauernden WTF-Moment zu steigern. Die darin lesbaren Verurteilungen Vigalondos von in der Ehe übergriffigen Männern, deren sexuellen Machtgefühle und gleichzeitige Angst vor dem weiblichen Geschlecht spaßig übertrieben (und wortwörtlich) monströs dargestellt werden, lassen sein Videofragment abgeschlossener als das Franchise übergreifend viele andere Kurzgeschichten der Reihe erscheinen. Einzig das bitterböse Ende büßt Wirkung ein; es bleibt zu erwartbar. Sinn- wie den Zuschauer ratlos zurücklassend bleiben die Rahmengeschichte um den auf einen viralen Hit hoffenden Amateurfilmer Kevin sowie der Beitrag der The Endless-Regisseure Justin Benson und Aaron Moorhead.

Deren Bonestorm hab ich für mich in erster Unentschlossenheit über ein finales Urteil über die Episode in Tombs Of The Skating Dead umbenannt. Die dort auftauchenden, lebendigen Skelette erinnern weitgehend an die untoten Geschöpfe aus Amando de Ossorios Die Nacht der reitenden Leichen und terrorisieren glücklose wie nervige Skateboard-Kids, die während eines Trips nach Tijuana endlich ihre Vision eines coolen Skateboard-Videos umsetzen wollen. Die gelangweilte Stimmung der Kids ist das Beste und greifbarste, was das Regie-Duo in ihrem ansonsten eher als Effekt-Demo durchgehenden Beitrag abliefern. Weitaus abstruser gestaltet sich die übergeordnete Geschichte um Kevin und seiner Hatz nach einem Amok fahrenden Eiswagen, welchen er nach der Entführung seiner Freundin Iris in diesem unnachgiebig verfolgt. Der Bruch mit linearen Erzählmustern und die Aneinanderreihung verschiedener Bildmaterialien, welche die Syntax des Found Footage-Subgenres ignoriert und nur dessen Stilistik übernimmt und der unglückliche Umstand, dass sie ohne sichtbaren Übergang von den einzelnen Kurzgeschichten unterbrochen wird, lässt sie zu aufgeblähtem Horror 2.0 werden.

Künstlerische Ambitionen verkümmern. V/H/S: Viral bleibt emotional künstlich. Iris, die Kevin zum Schluss auf der aus den ersten beiden Teilen bekannten Fernsehgerät-Installation erscheint, schmettert ihrem Liebsten im Loop Go Viral entgegen, während er wie der Zuschauer fassungslos dem sinnentleerten Horror entgegenblickt. Es bleibt festzustellen, dass alle Werke des Franchises einiges an Potenzial mitbringen und ihr offener, experimenteller Charakter mehr als löblich ist. Öfter sang' ich in der Vergangenheit im Bezug auf die US-Indie-Horrorszene ein Loblied auf die neuen, schrägen, mutigen Blickwinkel, welche die darin ihr Unwesen treibenden jungen Köpfe auf das Genre haben. Sicherlich mag nie alles komplett passen, was ich bei V/H/S sogar sehr charmant fand. Leider bleibt bei mir das Gefühl, dass die komplette Reihe leider manchmal genauso sinnlos durch den Ideenstrom seiner Macher wabert wie ein Teil seiner Zielgruppe täglich durch die Social Media-Kanäle. Viele interessante Einfälle wurden darin über die Jahre präsentiert und es bleibt jetzt schon spannend, ob die Langzeitwirkung des Mumblegores die der viralen Web-Phänomente überdauert.

Freitag, 14. Juni 2019

S-VHS

Im Kern ähnelt S-VHS seinem Vorgänger V/H/S (hier besprochen) sehr: abgesehen von den für Episodenfilme meist üblichen, qualitativen Schwankungen bei den einzelnen Geschichten, erscheinen diese auch im Sequel manchmal als wildes drauflos gefilme ohne größeren Plan. Teils gar nicht so uninteressante Gedankenspiele entwickeln sich im Found Footage-Stil des Films zu nicht ausgearbeiteten, skizzierten Erzählungen. Verwackelte, gefilmte Treatments sozusagen. Dafür bleibt man dem ungeschriebenen Gesetz der Fortsetzungen treu und versucht, noch einen drauf zu setzten. Das negative voraus geschickt, funktionieren die unsauberen, nicht ausgestalteten Geschichten weniger gut als im ersten Teil. Bestes und traurigstes Beispiel ist die Entführung von Außerirdischen, welche die Pyjamaparty von einigen Kids sprengen. Der dortige Terror der extraterrestrischen Besucher ist eine chaotische und stressige Ansammlung an Geschrei, Übergriffen der Aliens und der Flucht vor diesen.

Jason Eiseners Beitrag ähnelt einem planlosen Amateur-Video, in dem alle als cool empfundenen Ideen hintereinander gereiht und ohne Rücksicht auf Verluste im Hardcore-Modus runtergenudelt wurden. Übersetzt man super aus dem Lateinischen, so bedeutet das Wort über. Der selbsternannte Auftrag der Macher und des Endprodukts, dem Zuschauer gesteigerten Horror im Vergleich zu Teil Eins und überdrehte Storys zu präsentieren, lässt auf den Titel des Films blickend eine Meta-Ebene entstehen. Höher, schneller, weiter. Weil ein Sequel sowas tun muss. Ironie bei Eiseners Episode: sie erinnert daran, wodurch das Format S-VHS am bekanntesten wurde: als ein bei Amateur- und semiprofessionellen Filmen beliebtes System. So stumpf wie deren Elaborate - gemessen am Output älterer Amateur-Filme aus hiesigen Gefilden - manchmal waren, überrascht es wenig, dass eine der spaßigsten Episoden uns eine via GoPro gefilmte Zombie-Apokalypse präsentiert, in die ein Fahrradfahrer hineinschlittert, von Untoten angefallen und letztendlich zu einem wird.

Der Zombie-Film aus der Ego-Perspektive nutzt die Einfachheit des Subgenres der Untotenfilme um gleichzeitig spannend und rasant die Verbreitung einer Zombieseuche zu zeigen. Hier nutzt S-VHS die um Authentizität bemühte Syntax der Found Footage-Stilistik fast perfekt. Weniger ist mehr: die minimalistische Geschichte ohne Schnörkel packt den Zuschauer besser als die beispielsweise mit einer guten Idee auskommenden erste Episode über ein implantiertes künstliches Auge mit Kamera, womit dessen Besitzer plötzlich tote Menschen wahrnehmen kann. Die heutzutage an Black Mirror erinnernde Idee bleibt interessant; die Ausarbeitung hingegen verkommt schnell zu generischem Geisterhorror zwischen The Sixth Sense 2.0 und stylischem Indie-Horror. Hier wie in der besten Episode über ein Kamerateam, welches über eine seltsame Weltuntergangs-Sekte eine Dokumentation drehen möchte wirkt S-VHS trotz seines Found Footage-Stils manchmal weniger wie zufällig oder gewollt mitgefilmtes Amateurmaterial, welches einem Horror bringen soll sondern mehr nach mit diesem Stil arbeitender Film.

Gegenschnitte aus zwei verschiedenen Videoquellen mögen zwar die Narration der Geschichte besser voran treiben, stehen der strengen Auslegung der gewählten Stilistik nach eher in Tradition von konventionell erzählen Filmen und sind kontraproduktiv, um die angebliche Echtheit des Materials wirken zu lassen. Man könnte S-VHS more of all als Untertitel andichten. Der Wille, mehr von allem zu bieten, lässt das Vergnügen im Gegensatz zum ebenfalls nicht perfekten, aber gesamt gesehen besseren Vorgänger schmälern. Die Geschichten um den Biker und die Sekten-Reportage können den qualitativ abfallenden Rest des Films nicht retten. Man bleibt der Charakteristik seines Produkts verglichen mit V/H/S treu. Die Rahmenhandlung um einen Detektiv und seiner Begleiterin, die auf der Suche nach einem vermissten Jugendlichen in ein verlassenes Haus auf eine Installation aus Fernsehgeräten und Videorekordern stößt, bleibt bis zum Ende sinnentleert und ein dürftiger Rahmen, der die einzelnen Episoden zusammenhält. Kruder als der Rahmen des Vorgängers und weiterhin aufgesetzt. Das letzte Flimmern der rollenden Endcredits hinterlässt einen trüben Gesamteindruck von mehr verspieltem Potenzial als im ersten Teil. Die sich versammelten Videorebellen scheitern mit ihrer Horrorrevolution und dem durchaus interessanten Konzept an den eigenen Überambitionen.