Donnerstag, 2. April 2020

Haus der 1000 Leichen

Als erstes nahm ich Robert Bartleh Cummings als Musiker wahr. Mitte der 90er, frisch in die Fänge des Heavy Metal geraten, erblickte ich spät Abends bei der MTV-Show "Headbangers Ball" den Clip zum Song "More Human Than Human" der Band White Zombie. Cummings, eher unter seinem Pseudonym Rob Zombie bekannt, zeigte bereits mit dieser Band seine Liebe für den Horrorfilm. Diese selbst benannte er nach dem bekannten Klassiker mit Bela Lugosi; als weiteres Beispiel sei das zweite Album der Band genannt, welches nach dem berüchtigten italienischen Kannibalen-Sleazer Make Them Die Slowly (aka Cannibal Ferox) benannt wurde. Nach der Auflösung seiner Band begann er mit seinem Debüt "Hellbilly Deluxe" eine erfolgreiche Solo-Karriere. Neben seiner Tätigkeit als Musiker und Comic-Autor ließ Zombie bald darauf Ambitionen erkennen, dass er im Begriff ist, einen Film zu schreiben und zu drehen.

Mit dem Titel seines ersten Albums umschreibt der Tausendsassa sehr treffend die Konstante in den meisten seiner filmischen Werken. Der Backwood-Horor mit seinen inzestuösen, degenerierten Familienbanden, kaputten Existenzen und monströs verwachsenen Aussätzigen ist sein liebster Spielplatz. White Trash Deluxe als seine persönliche Reminiszenz an den Terrorfilm der 70er Jahre. Wenn noch irgendwo Platz ist, werden noch gerne Anspielungen an andere Genrewerke und -spielarten aus den letzten Jahrzehnten untergebracht, bis letztendlich gequetscht und geschoben werden muss, dass der Film aus allen Nähten platzt. Zumindest ist dies in seinem Filmdebüt Haus der 1000 Leichen so. Der Beginn der zur Trilogie angewachsenen Geschichte um den Firefly-Clan wirkt in schwächeren Momenten wie der Versuch eines übereifrigen Fanfilmers, all das, was man feiernswert findet, in neunzig Minuten Formelkino zu stopfen.

Mit einem Sack voller Genre-Klischees dazu, erzählt Zombie die Geschichte von vier jungen Leuten, die ein Buch über abseitige Attraktionen an den Bundesstraßen der USA planen. Das sie während ihrer Reise nun bei Captain Spaulding und seinem "Museum of Monsters and Madmen" Rast machen, ist ein passender Zufall. Von diesem dazu überredet, eine Tour in seiner Mörderbahn zu nehmen, eine thematisch auf Serienmörder ausgerichteten Geisterbahn-Tour, sind hinterher die beiden Jungs der reisenden Vierergruppe von der Geschichte um den regional aktiven Killer Dr. Satan beflügelt. Unter Protest zeichnet der vulgäre Clown Spaulding eine grobe Karte auf, wo man der Legende nach den Baum, an dem der Mörder aufgehängt wurde, findet. Das holde Schicksal meint es noch besser mit dem Quartett: die aufgegabelte Anhalterin Baby Firefly gibt nach einem Gespräch zu Protokoll, dass sie in der Nähe besagten Baumes wohnt und sie gerne dorthin geleiten würde. Eine Reifenpanne zwingt den Tross zunächst zur seltsamen Familie der Anhalterin, ohne dass die zwei Damen und Herren ahnen, was sie dort neben einer bizarren Halloween-Party noch erwarten wird.

Mein zweiter Versuch mit dem Film bestätigte auf der einen Seite das, was mir vor Jahren bei meiner ersten Sichtung - bereits in meinem Review zu Zombies 31 hier kundgetan - missfiel: Haus der 1000 Leichen ist ein vollgestopfter Film, der am Ideenreichtum seines Schöpfers leider häufiger scheitert. Nach seiner Einführung in die Tonalität des Werks für die kommenden neunzig Minuten mit einem Überfall auf die am Museum gelegene Tankstelle, bewegt sich das Script geschwind auf das ausgiebige Martyrium seiner Protagonisten zu, welche ab der Ankunft im Hause der Fireflys zu Werkzeugen für den filmischen Terror degradiert werden. Zombie rückt den bizarren und verstörenden Clan in den Mittelpunkt, die mit dem hochgradig interessanten visuellen Stil des Films zwischen Exploitation-Kino alter Schule, White Trash-Ästhetik und einem nicht leugbaren Einfluss von Natural Born Killers zu Zombies Karikatur einer amerikanischen Durchschnittsfamilie des Prekariats wird.

Für diese Modern Pulp-Ästhetik hat Zombie ein unübersehbares Gespür, die halbwegs über die Schwächen seines Debüts hinwegsehen lassen. Bis auf den ultimativen Terror sind seine Fireflys für nichts weiteres gut; dem Stoff geht eine Subversion ab, die man hinter dem überdrehten Tingeltangel auf dem Bildschirm herbei wünscht. Mehr macht er den Stoff seiner visuellen Stilistik untertan und jagt seinen Zuschauer in das groteske Panoptikum des Bösen der Fireflys. Seine Hellbillys foltern, morden, fluchen, saufen, vögeln ohne Hemmungen; leider wird der Film der 1000 Anspielungen zum Finale hin mehr anstrengend als furchteinflößend. Zombies Name Dropping-Kino knallen die Sicherungen durch. US-Terrorkino der 70er, bavaeske Farbspielereien, Gothic Horror, Horrorklassiker der 50er, übertrieben bunter 80er-Horror: man entdeckt viel in Zombies Film, dessen narrative eiaculatio praecox den Zuschauer gedanklich leider viel zu früh aus diesem abgedreht schrillen Backwood-Horror aussteigen lässt, obwohl die von Zombie erschaffene Welt ebenso leicht verführen und einen in dieser oberflächlich bleibenden Abgründigkeit verlieren lassen kann.
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