Sonntag, 14. November 2021

Mad Doctor of Blood Island

Per Definition ist Wiederkäuen das Kauen von teils verdauter, aus dem Magen nochmal ins Maul beförderter Nahrung. Neben Paarhufern versteht sich auch die Filmindustrie darauf, längst als verdaut (und manchmal sogar ausgeschieden) geglaubten Stoff nochmal hervorzuholen und dem Publikum wieder vorzusetzen. Der einfache Gedanke dabei: wenn dieses bereits einmal oder sogar öfter die vorgesetzte Pampe dankend in sich reinschaufelte, muss sie ihm bestimmt noch einmal so gut schmecken. Im Falle von Mad Doctor of Blood Island war dessen Vorgänger Brides of Blood (hier besprochen) gefühlt nicht mal ansatzweise verdaut, als Hemisphere Pictures zum zweiten Mal die Blutinsel ansteuerte. Der Exoten-Monster-Film war ein veritabler Hit an den Kassen der Drive-Ins und das von Betreibern wie Besuchern geforderte More of it! wurde von den Regisseuren Eddie Romero und Gerardo de Leon mit grober Kelle auf die Leinwand geklatscht.

Schielte man für den monströsen Aufhänger des ersten Films noch ganz leicht nach Japan und auf dessen Atombomben-Trauma-Bewältigung Godzilla, kredenzt man dem Zuschauer im Quasi-Sequel den - der Name ist Programm - verrückten Wissenschaftler Dr. Lorca. Eben jener ist davon überzeugt, dass Chlorophyll für den Menschen von medizinischem Nutzen sein kann und scheint mit seinen Experimenten nicht ganz unschuldig daran zu sein, dass auf dem Eiland ein grünhäutiges Monster umgeht und die hiesige Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt. Rettung naht in Form vom Arzt Bill Foster, dessen Auftrag es eigentlich ist, den Gesundheitszustand der Inselbevölkerung zu untersuchen. Wie bereits bei Brides of Blood wird zu Beginn die Destination per kleinem Schiff angesteuert, dessen Kapitän seine Passagiere davon in Kenntnis setzt, dass Blood Island ein verfluchter Ort sei.  

Romero und de Leon realisierten ihre Geschichte unter der Devise "Mehr Gekröse, weniger Sorgfalt!" und knallen einem in den ersten Minuten bereits Full-Frontal-Nudity und simpel umgesetzte Gore-Effekte um die Ohren und geben damit ihre Richtung für den zweiten Blood Island-Film vor. Die in Brides of Blood noch vorherrschende Zurückhaltung im Einsatz von Schauwerten wird bei Mad Doctor of Blood Island fallengelassen; der Übergang zum von Blood Feast eingeleiteten neuen, extremen Naturalismus ist vollzogen. Um die Eskapaden in Nacktheit und Kunstblut auszuschmücken, kleidet man die Story mit den familiären Tragödien der Nebenfiguren Sheila und Carlos aus, welche beide zusammen mit Forster nach Blood Island reisen und Familienangehörige besuchen wollen. Sheila versucht, Bande mit ihrem ständig alkoholisierten Vater zu knüpfen und Carlos sieht seit dem Tod seines Vaters seine nun mit Dr. Lorca zusammenlebende Mutter das erste Mal wieder.

Damals wie heute verlangte mir der Film dabei einiges an Geduld ab. Der Film trägt seine Geschichte starr und steif vor und explodiert einzig bei den mit wilden Zoom-Orgien begleiteten Auftritten des grünen Wüterichs. Nebenhandlungen wie die um Carlos und seine Mutter sollen für dramatische Spitzen sorgen, kommen aber nicht vom Fleck und verpuffen im narrativen Nirgendwo, obgleich dieser Geschichtsstrang für die Gesamthandlung nicht unwichtig ist. Im Vergleich mit Brides of Blood und dem Nachfolger Beast of Blood wirkt Mad Doctor leb- und lieblos. Das Paradoxon des Films: gegensätzlich zu den häufiger eingesetzten Effektszenen ist Mad Doctor of Blood Island ein blutleerer Mad Scientist-Film, der altherkömmliche, etablierte Erzählstile ineffektiv einsetzt und ein Gefühl der Leere zurücklässt. Handwerklich schmalbrüstiger umgesetzt ist der mittlere der Blood Island-Filme ein schnell hervorgewürgtes Produkt um das gierige Zuschauer-Maul zu stopfen.

Mein persönliches Paradoxon mit dem Film wurde mir mit dieser zweiten Sichtung wieder klar. Nachdem ich diesen zu Videozeiten komplett für mich abgehakt hatte und es nicht für möglich hielt, dass ich mir diesen in meinem Leben nochmal anschaue, musste durch meine Neugier auf die gesamten Blood Island-Filme - die Blu-Ray-Veröffentlichungen in den USA durch das Label Severin Films machten es möglich (für Interessierte sei angemerkt, dass diese ausschließlich Regionalcode A besitzen) - natürlich auch dieser nochmal angeschaut werden. Mit vielen Jahren Abstand wurde mir gewahr, warum mich dieses Werk damals abschreckte. Mad Doctor of Blood Island erstickt mit seiner anhaltenden Dauerträgheit den spärlich spaßigen Teil zwischen offenherzigen Gore-Szenerien und kuriosen Handlungsentscheidungen. Die zweite Begegnung mit dem Film ließ ihn mir trotz oder wegen seiner, vergleicht man ihn mit Brides of Blood, variationsarmen Story und billigen Erscheinung auf eine sehr komische Art und Weise ans Herz wachsen. Diese Hassliebe wird meiner Einschätzung nach auf ewig andauern.
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