Samstag, 5. Februar 2022

Ein Mann wird zum Killer

Im Grunde genommen ist die philippinischen Exploitation-Streifen zugesprochene Exotik eine Mogelpackung. Zwar entwickelte sich nach der Befreiung des Inselstaates im zweiten Weltkrieg durch US-Streitkräfte eine betriebsame, nationale Filmindustrie, doch waren es Amerikaner wie Kane W. Lynn, welche die Filmemacher des Staates auf die internationale Bühne holten. Verlockend günstige Produktionskosten führten zu fruchtbaren Kollaborationen zwischen Produzenten aus den Vereinigten Staaten und einheimischen Regisseuren. Inhaltlich tragen viele der Filme jedoch deutlich sichtbar die Handschrift des US-(Genre-)Films während nur die Schauplätze für einen hübschen, andersartigen Look sorgen. Einflüsse aus der philippinischen Folklore oder Lebensart fanden nur bedingt Platz in den Exploitation-Filmen, die dort ab Ende der 50er entstanden sind. Die westlichen Filmbesatzer, darunter ab den 70ern auch Roger Corman, schenkten dem Fan dafür manches Pläsier bereitendes Lichtspiel-Werk. 

Cirio H. Santiagos Ein Mann wird zum Killer ist für genannte These ein gutes Beispiel. Das darin Gesehene ist mehr amerikanisches 70ies-Männerkino; ein Revenge- bzw. Vigilanten-Film, der große Nähe zum Blaxploitation-Film sucht. Zusätzlich schnetzelt sich mit Hauptdarsteller James Iglehart als Doug Russell eine Ikone dieser Filme über die Leinwand. Sein Ziel sind seine beiden ehemaligen Kameraden Morelli und McGee, die ihn in der gemeinsamen Zeit in Vietnam dazu überreden, sich mit ihnen im Heroin-Schmuggelgeschäft zu probieren. Während Russell mit dem Geld aus dem Handel für sich, seine Frau und sein Kind eine Sicherheit aufbauen möchte, giert es seinen zwei Kumpels bereits nach mehr. Zunächst entledigen sie sich Russell und werfen ihn nach einer Messer-Attacke über Bord des Schiffs, das sie Richtung Heimat trägt. Während der totgeglaubte Doug an den Strand eines Eilands angespült wird, auf dem zwei im zweiten Weltkrieg versprengte japanische Offiziere hausen, katapultieren sich McGee und Morelli mit brutalen Methoden in ihrer Heimat auf den Thron der Gangster-Könige.

Die Rechnung haben sie ohne Doug gemacht, der von den Japanern gesund gepflegt wird und vom streng nach dem Kodex der Samurai lebenden Offizier Saguro in deren Philosophie und Kampftechnik ausgebildet wird. Das Schicksal spielt Doug ein zweites Mal glücklich in die Karten und es gelingt die Rückkehr in die USA, wo er mit dem ihm von Saguro vermachten Katana seine geschworene Rache an den alten Kameraden in die Tat umsetzt. Diese Mär der Vergeltung wälzt Cirio H. Santiago auf knapp zwei Stunden aus, was insofern beachtlich ist, wenn man den narrativen Stil des Films näher betrachtet. Das auch als Fighting Mad veröffentlichte Werk ist reduktives Kino, dass seine Informationen an das Publikum auf das wesentliche herunterbricht. Szenen sind so kurz wie möglich gehalten und springen straff getaktet hin und her. Zunächst erscheint das Pacing stotternd; nach kurzer Zeit der Gewöhnung ergibt sich ein schnell fließender Strom an komprimierter, hochkonzentrierter Erzählstruktur. Nur in bestimmten Situationen bricht diese auf, entschleunigt, bevor das Gaspedal wieder durchgedrückt wird.

Mit dem hoch angesetzten Geschwindigkeitsniveau schlingert der Film in den ruhigeren Momenten. Narrativ bereitet es in der zweiten Hälfte spürbar Mühen, wieder zu beschleunigen. Tempodrosselung bedeutet Rückschritt bedeutet Stillstand. Santiago will mehr nach vorne treiben; sein Werk und den Protagonisten um jeden Preis zur Katharsis führen. Ein Mann, ein Wort. Die vielleicht auch vom Krieg und seinen Gräuel leer zurückgelassene Hülle Russells wird nach seiner Gesundung mit Wut und fernöstlichen Philosophien gefüllt, was zu einem explosiven Gemisch führt. Blaxploitation trifft auf die japanischen Samurai-Filme der 60er und 70er-Jahre, was den Film eine Vorreiterstellung einnehmen lässt. Jahre später vermischen u. a. Hip Hop-Künstler wie das Kollektiv des Wu Tang-Clans ihre Musik mit Samples aus asiatischen Martial Arts-Filme. Diese wiederum entwickelten sich zu immer spektakulärer choreographierten Leinwand-Epen, von denen man sich im westlichen Actionfilm vermehrt inspirieren ließ oder gleich dreist kopierte.

Spezifische Eigenschaften der nationalen (Kino-)Kultur der Philippinen bringt Santiago nicht ein. Er ordnet sich dem Einfluss der westlichen Produzenten- und Autoren-Seite unter, schafft aber die Verquickung von westlicher und fernöstlicher Kultur auf unterhaltsame wie ernsthafte Weise. So findet Doug im alten japanischen Offizier einen Lehrmeister für Kampfkunst und Philosophie und verkündet dessen Worte auf seine eigene, schlagkräftige Weise. Die unausweichliche Konfrontation zwischen den drei Veteranen mag sich mancher Klischees bedienen und eine simple Dramaturgie aufbauen, in der ein Mann das tun muss, was man im heutzutage überholten Rollenbild dieser alten Tage tun muss. This is a man's world. So überschaubar diese sein mag, so fest der Blick des Protagonisten in Richtung seines Ziels ist: Ein Mann wird zum Killer stellt mit seinem bösen Ende gleichzeitig die eng gesteckte Moral im Revenge- und Männer-Kino in Frage. Ein simpler und bekannter Zug, den der Film macht und die Frage aufwirft, ob die unausweichliche Vergeltung der einzige Weg ist, den inneren Frieden wieder herzustellen. Es lässt einen so atemlos zurück wie er auf weiten Strecken inszeniert ist und mit seiner Herangehensweise an bekannte Motiven eine kleine Exploitation-Perle darstellt.


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