Samstag, 21. Januar 2023

Nope

Jordan Peele ist jemand, der in seinen Werken gerne diverse Genres kombiniert und diese mit Referenzen und Anspielungen ausschmückt. Grob kann man ihn als einen tarantinoesken Remix- bzw. Mashup-Künstler bezeichnen, dessen Werke im Vergleich mit denen des autodidaktischen Genre-Auteur noch mehr dem Kino der Gegenwart zugewandt sind. Mit Nope blickt Autor und Regisseur Peele eindeutig auf die Ursprünge des Mediums zurück, indem er Eadweard Muybridges Bewegungsstudie Sallie Gardner at a Gallop von 1878 mit der Geschichte seiner Protagonisten verknüpft. Muybridges Kurzfilm mag mit der Geschichte der Kinematographie und des Kinos unwiederbringlich verbunden sein; der Name des farbigen Reiters des Pferdes ging verschollen. Emerald, von allen "Em" gerufen und ihr Bruder OJ Haywood behaupten von sich, dass sie Nachkommen dieses Reiters sind und betreiben eine Pferdezucht, welche seit Generationen ihre Tiere für den Einsatz in Filmen trainiert. Ein Seltenheit in Peeles Film-Hollywood, welches OJs Pferd nach einem Zwischenfall an einem Set auch mal gegen eine sicherer erscheinende Greenscreen-Attrappe austauscht.

Das Digitale ist längst etabliert; Menschen wie OJ, ihr Handwerk und analoge Techniken scheinen überholt. Doch nicht allein die verdrängende Kraft der Technik ist daran schuld, dass die Pferde von der Haywood'schen Farm verschwinden. Die Geschwister entdecken nach einigen seltsamen Vorfällen eine starr am Himmel verweilende Wolke, die sich als Tarnung eines Aliens entpuppt, welches seinen ständig zehrenden Hunger mit OJs und Ems Pferden oder Gästen vom nahe gelegenen Western-Attraktionen-Parks des ehemaligen Kinderstars Jupe stillt. Sie nehmen dieses schlechte Wunder als Gelegenheit wahr, durch die sie Ruhm und Aufmerksamkeit einheimsen können. Die von Elektronikmarkt-Verkäufer Angel installierten Überwachungskameras schaffen jedoch nicht, das Wesen und sein Treiben auf ein vermarktbares Video zu bannen. Richten soll und muss es das Althergebrachte in Form einer selbst gebauten, mit Handkurbel betriebenen Kamera des eigensinnigen Dokumentarfilmers Antlers Holst. Peele scheint uns zeigen zu wollen, dass das Neue ohne das Vergangene eben nicht existieren kann und zelebriert dies in der zweiten Hälfte mit kleinen Momenten, in denen jene alten Techniken dem Fortschritt überlegen sind.

In Nope vermengt er Western-, Science-Fiction- Und Horror-Elemente zu einem zuerst schwerfällig erscheinenden Film, der wie OJ auf der Stelle zu treten scheint. Der Eingangs überwiegende Blick auf dessen Milieu und schwer wiegenden Innenleben mag nicht recht in Gang kommen; es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich das zunächst wie eine überlange Twilight Zone-Episode anfühlt. Gehört Peele doch zu den Köpfen hinter der vierten und mittlerweile wieder abgesetzten Inkarnation der legendären Mystery-Serie. Das Spektakel, welches durch einen alttestamentarischen Spruch zu Filmbeginn angedeutet und vorangestellt wurde, entfaltet sich erst in der zweiten Hälfte und vereint Moderne und Tradition. OJ, manchmal allzu stoisch und in sich gekehrt von Daniel Kaluuya dargestellt, blüht nochmal auf, wenn es darum geht, das außerirdische Monstrum aus der Reserve und vor die Kamera zu locken. Dort ist es nicht einfach history repeating, was Peele in der Kombination aus Gebaren eines Blockbusters der Moderne und dem Hollywood-Spektakel alter Tage betreibt. Mehr setzt er eine kleine Fußnote der Kinohistorie in den Vordergrund und will an die beginnenden Tages von PoC in den Motion Pictures erinnern. 

Dies bleibt nicht die einzige Lesart des Films. Nope ist auch die bereits mit seinem Namen direkte Verneinung und Ablehnung einer gegenwärtigen Spektakel-Kultur, die ganz bewusst deren Mechanismen nutzt und gleichzeitig - dass muss man so salopp sagen wie es der Titel ist - einen Fick auf diese gibt. Mehr ist er ein Anti-Blockbuster, der mit 70 Millionen US-Dollar das Budget eines Blockbusters besitzt und auf überwiegend angenehme Weise sich deren Machart verwehrt. Ist man durch den sperrigen Anfang gekommen, überzeugt Peele mit hintergründigem Witz, unaufdringlichem Referenz-Kino (und ist damit eine Stufe weiter als Tarantino) und einigen spannenden Szenen. Hat sein Regisseur damit ein kleines Genre-Meisterwerk geschaffen? Nope. Nach dem von allen Seiten gelobten Get Out (hier besprochen), der bei mir komplett durchgefallen ist und dem sehr guten Wir (hier besprochen) gelingt Jordan Peele zumindest ein weiteres Stück sehr guten Genre-Kinos, dass, sofern man sich darauf einlassen kann, im Vergleich zum beispielsweise immergleichen und öden Blumhouse-Horrorkrempel wunderbar und positiv anders ist.

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