Während sich Lisa Baumer mit ihrem Liebhaber im heimischen Bette räkelt und sich der Liebe hingibt, befindet sich ihr Ehemann in der Luft auf direktem Wege nach Tokio. Doch der Flieger explodiert in der Luft, just in jenem Zeitpunkt, als auch das Paar bei seinem Liebesspiel dem Höhepunkt zusteuert. Ein äußerst makabrer Gegenschnitt, welcher hier eben mit einer Flugzeugexplosion den Gipfel der Lust während des sexuellen Akts darstellt. Mit diesem Unglück gibt man aber auch den Startschuss für eine äußerst raffiniert angelegte Geschichte um die zur Witwe gewordene Frau Baumer, welche somit eine recht große Summe aus der Lebensversicherung - immerhin handelt es sich um eine Million - einstreicht. Doch um sicher zu gehen, dass die Dame nichts mit dem Unglück zu tun hat, beauftragt die Versicherungsgesellschaft den Detektiv Peter Lynch, das Frollein zu beschatten.
Der Weg führt die beiden in die griechische Hauptstadt, wo Lisa das Geld ausgezahlt bekommen soll. Anstelle eines einfachen Schecks oder dem Transfer auf ihr Konto möchte diese doch tatsächlich die komplette Summe bar ausbezahlt bekommen. Zudem macht die Witwe auch noch bekanntschaft mit einer gewissen Lara und deren narbengesichtigen Anwalt Sharif. Lara war die Geliebte von Lisas Gatten, welcher die Versicherung sowie auch das Testament auf ihren Namen umschreiben wollte. Das Unglück kam dazwischen und so fordert Lara die Hälfte der Versicherungssumme ein. Bei dieser Konfrontation kann Peter Lisa vor einem gewaltsamen Übergriff seitens Sharifs retten. Allerdings wird diese wenig später in ihrem Hotel von einem schwarzgewandeten Herren aufgesucht, der noch etwas rüder zu Werke geht als der halbseidene Anwalt der Liebhaberin des toten Ehegattens.
Kenner von Alfred Hitchcocks Werken müssen an dieser Stelle sicher etwas schmunzeln, zitiert bzw. kopiert man hier sogar einen seiner größten Klassiker. Den Kniff, einen eigentlich schon als Protagonist eingeführten Charakter einzutauschen, hatte der Altmeister schon 1960 in Psycho angewandt. Selbst Sergio Martino gelingt dies in seinem Schwanz des Skorpions wirklich gut. Der Moment kommt sehr effektiv und überraschend daher und an die Stelle von Lisa tritt Peter Lynch in den Fokus, welcher alsbald von einer anderen weiblichen Figur, der Reporterin Cleo Dupont, unterstützt wird. Dieser Austausch der Hauptfiguren geschieht dabei ohne größere Probleme, immerhin wurde auch Peter gebührend eingeführt. Es gelingt dem Film dabei sogar, Peter für den Zuschauer noch sympathischer als Lisa wirken zu lassen. Kein Wunder, wird dieser doch von einem der sympathischsten Charmebolzen der damaligen Zeit, George Hilton, dargestellt. Dieser macht seine Sache sehr gut und zeigt sich von seiner besten Seite.
Doch natürlich wäre Der Schwanz des Skorpions kein Giallo, wenn auch hier nicht noch ein schwarzgewandeter Killer durch Athen meucheln wurde. Aber, vielleicht abgesehen von Torso (1973), sind Martinos Gialli ohnehin nicht zu den Standardwerken der damaligen Zeit zu zählen. Die Geschichten bergen immer mehr, als diese zu Beginn vorgeben. Eine einfache Mörderhatz ist somit auch der im Original La coda dello scorpione nicht. Nur im auch im gleichen Jahr entstande, superben Der Killer von Wien verkommt die Suche nach dem Mörder noch mehr zur Nebensächlichkeit. Sie bleibt hier vor allem deswegen mehr im Vordergrund, da dieser Film eher noch einen sehr traditionellen Crime- und Whodunnit-Weg geht. Diese gewisse Extravaganz, die man im Killer von Wien noch exzessiver Auslebt und dort zur Essenz des Stoffs werden lässt, kommt beim Schwanz des Skorpions eher unter der Oberfläche vor bzw. wird an anderer Stelle ausgelebt. Die 70er Jahre, welche gerade im Giallo einige sehr experimentelle und unkonventionelle Genrefilme hervorbrachten, begannen eben erst. Die 60er und die damit verbundenen, klassischeren Krimistories herrschten noch vor.
Selbst herkömmlichen Krimistoff vermag Martino ansprechend umzusetzen. Zumal mit Ernesto Gastaldi (unterstützt von Eduardo Manzanos Brochero und Sauro Scavolini) ein Mann am Buch mitschrieb, der noch so einige Geschichten für meisterliche Gialli erschaffen sollte. Auch wenn dieses Dreigestirn hier wie angesprochen von einem unumstrittenen Thriller-Klassiker beeinflusst wurden, so lassen sie Der Schwanz des Skorpions nicht einfach zu einer bloßen Kopie verkommen. Typisch für das Genre legt man so manche falsche Fährte und auch wenn an manchen Stellen die Logik dadurch etwas ins hintertreffen geraten mag, so ist das Geschehen trotzdem immer noch stimmig. Es passt in das gesamte Gefüge des Films und lässt diesen sowie die Handlung nicht straucheln. Die Brüche mit der Logik sind hier zwar auch nicht so groß wie in anderen Gialli, doch sie fallen eben nicht weiter ins Gewicht. Bis auf eine einzige Stelle wirkt das ganze so gar nicht unpassend. Trotz tradiertem Krimigewand um Morde und Millionen schafft es Martino, den Film von Beginn an sehr spannend erscheinen zu lassen.
Damit sind sowohl der Kampf der verschiedenen Parteien um die Hohe Versicherungssumme als auch die eben damit verbundenen Morde und der Suche nach dem Killer gemeint. Das so unscheinbare Auftreten des Films ist nur oberflächlich. In seiner für Gialli dieser Zeit so gebräuchlichen Art ist La coda dello scorpione eben nicht einfach nur ein weiteres, vergnügliches Whodunnit-Spiel. Ein Krimi wie jeder andere? Mitnichten. In Stil und Erscheinen ist der Film eben auf den ersten Blick ein gebräuchlicher Giallo, mit typischer, aber auch sehr schöner und stilsicherer Atmospähre. Doch hiermit spielt Martino eine weitere Stärke aus. Selten ist so ein mit eigentlich so für das Genre gebräuchlichen Mitteln erscheinender Film doch so experimentell ausgefallen. Der Schwanz des Skorpions gibt sich eben noch wie ein klassischer 60er-/frühe 70er-Giallo, lässt aber mit seinem unterschwelligen Gebrauch von Klasse, dem Spiel mit der Expertise "Style over Substance" ein wahres Feuerwerk abbrennen.
Nicht nur, dass Martino weiß, wie man mit Stimmungen umgeht. Ein schönes Beispiel ist hier Laras Ankunft bei sich zu Hause, kurz bevor sie vom unbekannten Mörder heimgesucht wird. Das in dieser Szene tobende Gewitter lässt sogar einen leichten Hauch von gothischem Grusel aufkommen. Schnell kann der Regisseur aber auch wieder zu tösendem Terror neuerer Prägung, wie man diesen auch von später entstandenen Gialli kennt, wechseln. Vor allem ist es aber, was Kameramann Emilio Forsicot, unterstützt vom späteren Martino-Regular Giancarlo Ferrando, hier an Einfällen umsetzt und realisiert. Kaum eine Einstellung von Der Schwanz des Skorpions ist gebräuchlich. Es ist schier unglaublich, wie man hier mit Optik und der Kamera experimentiert und wahrlich entfesselt agiert. Unter der so bieder anmutenden Erscheinung des Films wird hier eine fotografische Extravaganz der Extraklasse zelebriert. So wird ein Dialog auch schon mal um 90 Grad gedreht hochkant gefilmt und gezeigt und immer wieder in ganz außergewöhnlichen Perspektiven die Geschichte des Films erzählt. Es mag von der ab und an dann doch wieder biederen Geschichte ablenken, welche allerdings durch das angenehm zügige Tempo, welches Martino gewählt hat, nicht wirklich vermag, abzustinken.
Zumal der finale Kniff wirklich sehr schön daher kommt und das Autorentrio es sich auch nicht nehmen lässt, selbst in der allerletzten Szene des Films noch eins draufzusetzen. Aber so sind eben die Gialli. Äußerst überkandidelte, eventuell auch hanebüchen daherkommende Auflösungen, die aber, wenn der Film wirklich mit Klasse inszeniert worden ist, trotzdem funktionieren. Zumal hier eben auch der Cast wirklich taugt und einige klasse Typen mit sich bringt. Hilton durfte ja dann mit Edwige Fenech in so einigen anderen Gialli, auch unter der Federführung Martinos, agieren. Auch mit Partnerin Anita Strindberg, einer eher kühlen aber trotzdem sypatisch erscheinenden Schwedin klappt es vor der Kamera. Ihre Rolle als Reporterin bleibt zwar ein klein wenig blass, ihre Person selbst vermag der Figur trotzdem Leben einzuhauchen. Ebenfalls mehr als ordentlich ist Luigi Pistilli als bärbeißiger Kommissar. Der Herr, welcher einen immer etwas leicht mürrischen Ausdruck mit sich bringt, passt sehr gut in diese Rolle.
Selten kam konventioneller Giallostoff so unkonventionell herüber. Martino scheint hier ein wenig für Der Killer von Wien geübt zu haben, denn einige im Schwanz des Skorpions aufkommende Elemente verfeinert er in erstgenanntem Film noch. Aber trotzdem ist auch dieser Film ein wirklicher Klassegiallo, der zeigt, dass Martino mitnichten einfach "nur" ein Handwerker war bzw. ist. Sicher, dieses versteht er wirklich gut, doch zeigt der Film, dass er eben ein Händchen für solche Art von Film hat. Der mit einem überaus tollen Score von Bruno Nicolai versehene Film braucht sich nicht hinter den anderen Thrillern des Herrn zu verstecken. Auch hier wird man schon mit sehr guter Giallokost versorgt, die durch ihre schon angesprochene Einfachheit in der Art der Geschichte, welche eben erst zu Ende hin erst komplett aufdreht, um eine kleine Nuance doch schwächer ausfällt. Trotzdem kann man den Film als richtig stark bezeichnen. Er vereint das Beste der ersten Giallowelle aus den 60ern mit all den schönen Dingen, welche dann die Gialli der 70er ausmacht. Somit geizt er hier und da auch nicht mit dem roten Lebenssaft, ohne dies aber übermäßig exzessiv zu betreiben. Aber dies hat der Film auch gar nicht nötig. Der Schwanz des Skorpions versteht sich eben viel eher als dieser bereits angesprochene Hybrid aus konventionellem Stoff und experimentierfreudigen Dingen der 70er Jahre. Eine wahrlich klasse Mischung, die Martino hier hinbekommen hat.
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