Credits

Montag, 5. August 2013

Rammbock

Das Spiel mit den Untoten, die Inszenierung des wandelnden Leichnams, der durch seine aufs Wesentliche reduzierte Triebhaftigkeit getrieben wird, als Bedrohung der gesamten Menschheit benötigt mehr oder minder Fingerspitzengefühl. Egal ob das ganze nun eher actionlastig und effekthascherisch ausfällt wie bei Die Horde (2009), als blutdurchtränkter, atmosphärisch dichter Alptraum wie in Über dem Jenseits (1981) oder einem klautstrophobischen Thriller mit sozialkritischem Unterbau wie in dem Zombiefilm überhaupt, Dawn of the Dead (1978) ausfällt: das Talent und Können als Autor und/oder Regisseur ist immens wichtig. Natürlich nicht nur ausschließlich in diesem Subgenre. Dem Zombiefilm aus Deutschland konnte man diese beiden Dinge immer absprechen. Zu sehr ist das Subgenre im Fandom verwurzelt. Selbst wenn die Szene mittlerweile gerne von "Indie" spricht, das Budget sich im Laufe der Jahre um eine gewisse (wenn auch geringe) Summe erhöht hat: das ganze ist immer noch viel zu sehr amateurhaft. Egal ob die Macher dieser Filme nun Ittenbach, Schnaas oder Taubert heißen. Die Filme sind mehr oder minder dilletantisch, eventuell noch im unteren Durchschnitt angesiedelt.

Um so kurioser erscheint nun Rammbock, welcher seit gut drei Jahren in der Filmwelt umherwandelt. Ein Zombiefilm. Aus Deutschland. Produziert von ZDF. Dinge, von denen man vor einigen Jahren nie zu denken gewagt hätte. Für ihre Reihe "Das kleine Fernsehspiel" griffen diie Mainzer dem ambitionierten Filmemacher Marvin Kren unter die Arme um seinen gerade mal einstündigen Film zu realisieren. Um es vorneweg zu nehmen: der öffentlich-rechtliche Zombie - meist von den alternativen und oftmals aus der Metal-Szene stammenden Fans der blutig roten Unterhalten mit gerümpfter Nase beäugt - schlägt den "Indie"-Bruder um längen. Dies ist unter den bereits genannten Umständen natürlich auch kein Wunder.

Kren und sein Autor Benjamin Hessler schicken hier den Wiener Michael ins für diesen so ferne Berlin, um dort die Gabi, dessen Ex-Freundin, zu überraschen. Noch besser wäre es für den etwas naiv bzw. einfältig wirkenden Michael, wenn er diese auch wieder zurückerobern könnte. Doch kaum bei ihr angekommen, überschlagen sich die Ereignisse. Gabi ist nicht anzutreffen, dafür ein Handwerker, der zuerst seinen 15-jährigen Azubi Harper und dann auch noch Michael aus unerfindlichen Gründen an die Kehle will. Das ungleiche Duo rettet sich vor diesem in die Wohnung. Aus dieser sehen sie unglaubliche Szenen, wie Menschen beinahe wie tollwütige oder vor Wut rasende Tiere Passanten anfallen und töten. Die Regierung spricht eine Ausgangssperre aus, ein unbekannter Virus scheint Grund für dieses Verhalten zu sein. Man solle sich ruhig verhalten um nicht die Erkrankten auf sich aufmerksam zu machen. Das ungleiche Duo Harper und Michael, ersterer ziemlich still und in sich gekehrt, letzterer immer noch mit einer zu großen Portion Gabi im Kopf, muss sich zusammenraufen.

Über die Fenster kommunizieren sie mit anderen Überlebenden aus dem Gebäudekomplex durch den Innenhof hinweg. Wobei man allerdings natürlich immer noch einige Infizierte im Innenhof rumlungern. Jeder der Menschen hat sein eigenes kleines Schicksal zu erleiden; dadurch und Aufgrund der Isolation ist es allerdings nicht gerade das leichteste Unterfangen, einander zu helfen. Vor allem, wenn durch Missgeschicke die rasenden Blutdürstigen näher kommen als gewollt. Das interessante an Rammbock ist nun, das der Film ein zentrales Element des Zombie-Subgenres - die Isolation - herauspickt und geschickt als Leitmotiv für die Geschichte wählt. Mal mehr, mal wieder weniger Menschen schließen sich auf der Flucht vor den Massen an Untoten seit Night of the Living Dead (1968) immer wieder ein, um so eine Chance aufs Überleben zu wahren. Normalerweise wechseln sich diese mit Massenszenen ab, damit immer wieder die drohende Gefahr dem Zuschauer als auch den Protagonisten vor Augen geführt wird. Auch wenn schon Romeros Erstling seiner Ursprungstrilogie um die Untoten nicht gerade mit viel Budget auftrumpfen konnte, später folgende Filme - gerade während der in den 80ern grasierenden Zombiewelle - egal ob aus den USA, Italien oder sonstwo ebenfalls nicht gerade viel Öcken aufweisen konnten (jedenfalls bis der Zombie in den Mainstream taumelte): die No/ow Budget-Mentalität und -Infrastruktur der Amateurfilme können bedingt, wenn überhaupt, durch mangelnde Gelder, sowie Talent und Einfallsreichtum kaum bei sowas punkten. Der Freundeskreis von zehn Mann mit etwas Matsche im Gesicht auf irgendeinem Feld in der Umgebung des Wohnorts kann nicht wirklich bedrohliche, angsteinflößende Szenen erwirken. Daran krankt das Genre im von Leuten aus dem Fandom inszenierten generell. Wobei es auch hier wenige löbliche Ausnahmen wie z. B. den US-amerikanischen The Dead Next Door (1989).

Diese Szenen sind es auch, die den Zombiefilm generell auch immer wieder in die Richtung des Katastrophenfilms (siehe den brandaktuellen World War Z) drücken. Kren hat allerdings genau dieses Können und das richtige Händchen, aus der Geschichte einen sehr interessanten Mikrokosmos zu schaffen. Auch hier werden natürlich von nichts etwas ahnende Menschen von Zombiemassen überfallen. Doch diese Szenen sind akzentuiert in die Geschichte eingeflochten, bilden zu Beginn einen schönen Aufmacher um dann die Sicht auf die im Gebäudekomplex verbliebenen Menschen - zu allererst natürlich Michael und Harper - zu richten. Harper gibt sich arg verschlossen, hofft auf ein Überleben und die Besserung der Situation in der er nun steckt, Michael hofft immer noch auf ein Zeichen von Gabi. Über allem scheint seine Verflossene zu schweben, der Blick für das Wesentliche scheint ihm verwehrt. Selbst als Harper aus dem Besteck von Gabi Waffen baut, denkt Michael zuerst an das Zeter und Mordio von dieser, wenn diese das bei einer wahrscheinlichen Rückkehr in die Wohnung erblicken würde. Erst spät wandelt sich Michi, gerade als ihm alle Hoffnung auf bessere Tage genommen wird. Dessen Entwicklung wird von Michael Fuith wirklich sehr gut dargestellt. Die restlichen Figuren, welche den Film bereichern, bleiben etwas bleich wie die wandelnden Leichen selbst, verkommen allerdings nicht - wie in den anderen Werken ähnlicher Ausrichtung - zu bloßen Abziehbildern.

Dieser eigenwillige Blick auf eine bereits so oft beschworene Zombie-Apokalypse, wie Rammbock ihn bietet, ist es, was den Film so spannend macht. Etwas lakonischer, leiser Humor wird eingebaut und im konkreten hat man es mit einem kleinen Beziehungsdrama zu tun, einem Beinahe-Kammerspiel mit Zombies. Diese sind moderner Prägung, also sehr gut zu Fuss und rennen los, wenn irgendwo im Haus ein (zu) lautes Geräusch ertönt. Wenn sie zuschlagen, geht es auch recht deftig zur Sache, wobei Blut und Gekröse eigentlich eher Nebensache in Rammbock sind. Die klaustrophobische Stimmung, hervorgerufen durch die räumliche Einengung, steht im Vordergrund und wird von Anfang bis Ende sehr gut umgesetzt. Die knackige Laufzeit ist dadurch auch ein Garant für eine nicht abflachende, eher gleichbleibende und konstant hohe Spannungskurve. Natürlich erfindet Rammbock das Rad bzw. das Genre nicht neu. Aber sein Umgang mit diesem und auch die hier und da ironische Färbung sind wirklich gut zu betrachten. Mit einer eventuell längeren Laufzeit hätte man hier und da einige störende Kanten abrunden können. Doch auch so ist Rammbock ein interessantes Spiel mit altbekannten und zugleich der erste und einzige gute Zombiefilm aus deutschen Landen. Das ein guter Genrefilm dabei auch noch (ausgerechnet) vom öffentlichen-rechtlichen TV produziert wird, ist eine kleine ironische Fußnote.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen