Zusammenhalt. Solidarität. Sich gegenseitig unterstützen und in jeder noch so schwierigen Lage sich unter die Arme greifen und aus dem Dreck ziehen. Motive, die in verschiedensten Genres behandelt wurden aber auch gut passen, diese im kleinen Kosmos einer Straßengang näher zu beleuchten oder auch zu einem zentralen Thema zu machen. Gerade die im gleichen Jahr enstandenen Gang-Actioner The Warriors oder The Wanderers (beide 1979) zielen darauf ab, das Gefüge innerhalb dieser Gruppe zu beleuchten. Natürlich nicht ohne die Hollywood'schen Gesetze zu missachten und mit einem gut goutierbaren, aber auch sehr unauthentischen Darstellungsstil ausgestattet. Auch wenn die beiden Mixturen aus Drama und Action durchaus sehenswert sind und kurzweiliges Vergnügen bieten und sogar im Ansatz mit Sozialkritik daherkommen, so verlagert sich das ganze doch eher auf den Aktionsteil als Schwerpunkt. Zumal man erstgenannten auch noch als kleines Vorbild zum dystopischen Gangreißer The Riffs (1982) nehmen kann.
Auf seiner narrativen Ebene ist die Authentizität von Jim Van Bebbers Langfilmdebüt auch nicht gerade überragend groß. Doch alleine schon die Art, mit der Van Bebber hier seine Geschichte um den Gangboss Goose präsentiert, ist ein wummernder Schlag in die Magengrube, wie ihn eben auch Goose desöfteren abbekommt. Der Film wurde auf 16mm gedreht und kostete gerade mal 10.000$. Ein Low Budget-Film aus einer Zeit, in der Independent Filmmaking teilweise noch ein Abenteuer darstellte. Der clevere Autor, Hauptdarsteller und Cutter drehte übrigens erst das Finale, um so Verleiher oder auch Finanziers für seinen Film an Land zu ziehen, um so dann auch den Rest seines Filmes zu realisieren. Letztendlich wurde der Film mit seinem Studentenkredit umgesetzt. Allerdings musster er nach knapp einem Jahr feststellen, dass ein interessierter Verleiher den finanziellen Exodus erlebt hatte. Der in insgesamt vier Jahren gedrehte Film wurde von Van Bebber dann an die findigen Grindhouse- und Drive In-Betreiber verkauft.
Es ist die richtige Heimat für diesen in seiner stilistischen Art äußerst unangenehmen Film, der durch sein grobkörniges Material die Schattenseiten Ohios mit seinen alten Bahnhöfen, runtergekommenen und mehr als baufälligen Häuserblocks oder auch Friedhöfen in sehr bedrückenden Bildern festhält. Die Geschichte verfolgt eine klassische Rachestory, die sich um die Ravens und die Spiders dreht. Danny, Anführer letztgenannter Gang, macht sein Hormonhaushalt arg zu schaffen und versucht Christy, Gooses' Freundin, zu vergewaltigen. Der vorbeikommende Polizist löst die Situation schnell auf, doch die Konflikte und deren gewaltsame Lösungen sind vorprogrammiert. Nachdem sich Goose und Danny schon beharkt und geprügelt haben, ist noch lange nicht Schluss. Der psychotische Danny geht zum Äußersten und schickt zwei seiner übelsten Handlanger aus, Goose zu ermorden. Sie finden in der Behausung nur Christy vor und quälen und ermorden sie kaltblütig.
Bis zu diesem Punkt ist das gewaltsame Treiben der Gangs Nebensache, wobei das Aufeinandertreffen beider Truppen äußerst effektiv umgesetzt worden ist. Van Bebber kennt die Mechanismen des Actionfilms und von Prügelszenen und lässt eine Massenszene - ein schwieriges Unterfangen für manch Independent-/Amateur-Filmer - durch seine Montage sehr dynamisch aussehen. Inspiriert von alten Martial Arts-Streifen packen die Kontrahenten Handkanten, Füße und Fäuste aus, wobei man in der Choreographie nicht stilisiert vor sich geht. Die Kämpfe sind rauh und gnadenlos, wie das Leben in dieser sozialen Schicht selbst. Nach dem Tod der Geliebten überkommt Goose die Verzweiflung, hat er sich ihr zu liebe doch durchgerungen, aus der Gang auszusteigen. Perspektiven sind allerdings nicht vorhanden und so flüchtet er sich in die letzten der letzten Absteigen, lässt das Leben in all seiner Schlechtigkeit über sich ergehen und hängt an Alkohol und Drogen.
In seinen besten Momenten beschwört der Film eine außerordentlich beklemmende, intensive Stimmung herauf, welche die Tragik des Protagonisten gut unterstreichen kann. Die Geshichte geht in ihrer Mixtur aus Action und Drama mit blutrünstigen Splattereffekten, die einen gewissen Ekelfaktor besitzen, nicht allzu sehr in die Tiefe, was zu einem Leerlauf und träge Szenen führen kann. Ruhigere Passagen bestizen trotz grobkörniger 16mm-Optik immer noch eine außerordentliche triste Ausstrahlung mit sich. Der Sumpf, in den Van Bebber uns mit seinem Actiondrama führt, zieht uns unweigerlich tief runter. Die aufkommende Frage, inwieweit man Chancen hat, aus dem gewohnten Umfeld und dessen Alltagsmechanismen auszubrechen, wird mit grimmiger Aussage niedrig gehalten. Ein Mensch, der hier das Existenzminimum bestreitet, scheint in diesem "Spinnennetz" gefangen zu sein. Selbst geliebte Menschen, die plötzlich und gewaltsam aus dem Leben gerissen wurden, werden auf den Müll geworfen. Die "Beerdigung" von Christy, in dem Goose sie eingehüllt in ein blutiges Laken in eine Müllpresse wirft und sie dann auch noch betätigt, zeigt auf, dass im Endeffekt in der Welt der Ravens, Spiders und wie sie alle heißen, Leben beinahe schon Wegwerfprodukte sind. Eine würdige und ehrenvolle Verabschiedung eines Toten ist nicht möglich.
Die Wut auf die Situation und den Kontrahenten entlädt sich bei Goose ein knappes Jahr später, als er wortwörtlich gezwungenermaßen immer noch in der Gang verweilt, bei einem Überfall seine große Chance wittert, sich an Danny und seinen Handlangern zu rächen. Die Gewalterruptionen von Deadbeat At Dawn steigern sich kontinuierlich und untermalen dabei die sich immer weiter drehende Spirale des Untergangs für den Protagonisten. Auswege gibt es kaum bis wenige; für Happy Ends hat Van Bebber eindeutig keinen Platz. Der durchaus charismatische Herr hat auch eine tolle Präsenz und ließ es sich auch nicht nehmen, die Stunts für seine Rolle komplett selbst vorzunehmen. Ein Tausendsassa, eine One Man-Band, die nicht zur One Man-Show verkommt. Deadbeat At Dawn ist ein homogenes Ganzes, mit guten bis bemühten Mitstreitern vor der Kamera, welche aus diesem wahrhaftigen Underground-Film ein besonderes Erlebnis macht.
Diesem fehlt es in einigen Momenten an erzählerischer Kontiutität und Konsequenz. Er verliert sich in manchen Szenen, erst das Ende kann komplett aufrütteln. Der Job vor und hinter der Kamera, den Van Bebber gemacht hat, ist ein Guter. Die beim Schreiben des Buchs aufkeimende Ideenlosigkeit auf der einen und der überambitionierte Versuch, verschiedene Einflüsse der liebsten Genre in ein ganzes zu bringen auf der anderen Seite, läßt den Film teils etwas unrund erscheinen. Sicherlich stehen ihm ohnehin seine Ecken und Kanten; diese machen ihn auch aus und ein gelecktes, aalglattes Underground-Werk ist ein Paradoxum, welches man auch nicht sehen möchte. Er müsste einfach knackiger sein. Die Intensität die komplette Laufzeit über zu halten, wie es zum Beispiel der ebenfalls sehr depressiv gelagerte Combat Shock (1986) macht, schafft Van Bebber nicht. Dennoch ist Deadbeat At Dawn mit seiner Mischung aus Manie und Adrenalin-Gewaltschub ein tristes Werk allerhöchster Güte, das man sich anschauen kann.
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