Man könnte denken, das Script zu Sausage Party wäre von zwei stark pubertierenden 14-jährigen Teenies geschrieben worden, die dem näheren zweisamen Kontakt mit dem angeblich schwachen Geschlecht sehnlichst entgegensehen. Seth Rogen, der es sich seit einigen Jahren vor und hinter der Kamera gemütlich gemacht und dort sein eigenes Plätzchen gefunden hat und einer der Autoren des Animationsfilms ist, wurde wie ich im gleichen Jahr geboren: 1982. Von seinen 34 Lenzen merkt man in diesem Film herzlich wenig. Ich möchte mich gar nicht groß über seinen infantilen, vulgären Humor, den er hier in den Film gepackt hat, beschweren. Ich musste auch mehr als einmal darüber lachen und mich ertappen, wie verdammt lustig diese flachen Gags dann doch sind. Nur, und hier kommen wir wieder zu dem 14-jährigen Pubertierenden zurück, übertreiben es Rogen und seine Co-Autoren doch etwas zu doll.
Die ständigen sexuellen Anspielungen - egal ob visuell oder im Dialog der Figuren - ermüden beinahe und bringen die Handlung an den Rand der humoresken Eskalation. Wobei diese doch so hübsch doppelbödig sind, wenn die anthropomorphen Lebensmittel eines riesigen Supermarkts, allen voran der Hot Dog Frank und seine angebetete Brenda, einem Hot Dog-Brötchen, vom großen "Draußen" träumen. Die "Götter", gemeint sind die menschlichen Konsumenten, bringen die Lebensmittel laut einer Legende dorthin, befreien sie aus der Verpackung um dann mit ihnen in Einklang zu leben und diese zu verwöhnen. Doch es tauchen Risse auf: zuerst stürzt sich der von der "Wahrheit" wissende, paranoid erscheinende Honigsenf selbstmörderisch aus dem Einkaufswagen, was Frank und Brenda aus ihren Packungen und in ein unglaubliches Abenteuer stürzt, bei dem im Verlauf auch die wahnsinnig gewordene Vaginaldusche Douche eine große Rolle spielt, die den verliebten Hot Dog-Zutaten nach dem Leben trachtet und Frank immer mehr Honigsenf glaubt, der davon sprach, dass es keine Erlösung im großen Draußen gibt und ihm den Tipp gab, mit dem Liqueur Feuerwasser zu reden. Auf der anderen Seite freuen sich Franks verbliebene Hot Dog-Kumpels Barry, Troy und Carl darauf, dass sie nach dem Unfall endlich im großen Draußen angekommen sind. Nur um dann die bittere Wahrheit zu erfahren und versuchen, zu flüchten.
Man mag es bei dieser Inhaltsangabe nicht glauben, dass es die Drehbuchautoren nicht nur geschafft haben, gefühlt jede Sekunde einen mal mehr, mal weniger gelungenen Gag mit sexuellem Hintergrund rauszuhauen sondern der Geschichte einen interessanten Unterbau zu schenken. Dieser ist sogar richtig clever, greift er doch ebenso ständig den blinden Gehormsam gegenüber Religionen an. Dies geschieht durch das Gerüst um das große "Draußen" und der angeblichen Erlösung die man erfährt, wenn man von den Göttern mitgenommen wird. Schnell fühlt man sich an christlich geprägte Sekten wie den Zeugen Jehovas erinnert und all den Irsinn, was diese und ähnlich geartete Gruppen von sich geben. Auf ihrem Weg durch den Supermarkt begegnen Brenda und Frank dem arabischen Kareem Lavash und dem jüdischen Samy Bagel Jr., die so überzeichnet und klischeebeladen dargestellt werden, wie es nur möglich ist. Dies ist aber auch der Auftakt einer irrsinnig beginnenden Freundschaft zwischen den beiden, die sich seit ihres Aufeinandertreffens mit Spitzen befeuern, die auch gegenwärtige Entwicklungen zwischen dem arabischen und isrealischen Raum beinhalten.
Wie sich ihre Freundschaft entwickelt und in was sie gipfelt, könnten einige stark konservative Gemüter auf beiden Seiten als schockierende Provokation empfinden. Man kann es natürlich auch plump nennen, dies ist der Schattenseite des Films zuzuführen. All die Cleverness, die die Geschichte von Sausage Party beinhaltet, wird noch lieber mit platten Witzen über Sex zugekleistert. Manchmal ist es dann doch ein wenig zu viel des Guten. Völlig entgleitet die Geschichte den Autoren nicht, auch wenn eine finale Orgienszene irgendwo zwischen total irrsinnig, hemmungslosem (guten) Schwachsinn und verstörend (die Meinung meiner Freundin, als wir den Film zusammen sahen) liegt. Als sich für Popkultur begeisternder Nerd kann man sich außerdem an den vielen Filmanspielungen (u. a. Terminator 2 oder Der Soldat James Ryan) und persiflieren bekannter Persönlichkeiten (mein persönliches Highlight: Meat Loaf) erfreuen. Am Ende des Films ist man allerdings erstmal so platt wie ein Lavash. Da hilft auch der Meta-Ebenen-Witz ganz zum Schluß nicht wirklich weiter. Mit ein wenig Abstand kann man manchmal über einige Dinge weiterhin nur den Kopf schütteln. Häufiger grinst man aber eher über diese überdrehte Kombination aus cleverer Message, die in so ein komplett infantiles Grundgerüst gepresst wurde. Das dies zum größten Teil funktioniert, ist ein Talent, welches man Seth Rogen und seinen Autoren nicht abstreiten kann.
Credits
▼
Montag, 27. März 2017
Sonntag, 26. März 2017
Die Kröte
Da muss Tomas Milian erst sterben, damit ich mir nach längerer Zeit mal wieder diesen großen Film anschauen muss. Der gebürtige Kubaner erlag Anfang der Woche einem Schlaganfall und wurde 84 Jahre alt. Dieser Text soll weniger ein Nachruf werden, auf den ich verzichtete, zumal Marco von Filmforum Bremen mittlerweile einen geschrieben hat. Die Endlichkeit gehört zum Leben leider dazu, unsere Helden vor und hinter der Kamera werden alle einmal die Augen zum letzten Mal schließen und doch hat mich Milians Tod getroffen. War ich ab Mitte der 90er schon durch die großen Splatter-Klassiker aus Italien dem Genrekino aus dem südeuropäischen Land nicht abgeneigt, so tauchte ich ab meinem persönlichen Wechsel auf das Medium der DVD zu Beginn der 2000er vollends in die verschiedenen Subgenres des italienischen Populärkinos ab. Tomas Milian begleitete mich überall. Sei es in Western wie Ohne Dollar keinen Sarg, Gialli wie Don't Torture A Duckling oder den Poliziotteschi wie Die Banditen von Mailand oder Die Viper: der wandelbare Schauspieler faszinierte mich mit eben dieser Fähigkeit und war mit ein Grund, wieso ich mich immer mehr für das italienische Kino der vergangenen Jahrzehnte immer mehr begeisterte.
In Die Kröte ist er sogar doppelt zu bewundern: einmal als schlappmäuligen Sergio Marazzi, von seinen Monezza genannt und dann als dessen Zwillingsbruder Vincenzo Marazzi, dem "Buckligen von Rom", einem Gangster, der nach 16 Monaten zurück in die Landeshauptstadt kommt um mit seinen alten Kumpanen ein Ding zu drehen. Der geplante Überfall auf den Geldtransporter geht glatt über die Bühne, doch Vincenzos Komplizen spielen ein doppeltes Spiel. Im Trubel und im Schutz des Nebels der eingesetzten Rauchbomben schießen sie auf diesen. Vincenzo wird nicht getroffen, kann sich in die Kanalisation und dann zu seiner Freundin, der Prostituierten Maria, flüchten. Von dort aus rächt er sich mit einem eiskalten Plan an den drei Mittätern, hat allerdings auch die Polizei in Form des Kommissars Sarti auf den Fersen. Anders als der in Lenzis Die Viper und Die Gewalt bin ich omnipräsente Maurizio Merli rückt der von Pino Colizzi dargestellte Polizist in den Hintergrund der Geschichte. Der Charakter ist, anders als die meisten von Merlis Figuren, sehr nüchtern und bedacht. Keine Spur von Hitzköpfigkeit und dem unbändigen Trieb nach Gerechtigkeit, der auch über die gesetzlichen Schranken des Berufs hinausgeht.
Sowieso ist Die Kröte im Vergleich mit anderen Lenzi-Polizeifilmen zurückhaltender und ruhiger. Wirken viele seiner Filme episodisch und wie verschiedene inszenierte Momentaufnahmen, die dem roten Faden der Geschichte bzw. der Hauptstoryline zum Teil nicht einmal dienlich sind, gibt sich La banda del gobbo weitaus aufgeräumter und durchdachter. Selbst die Action rückt in den Hintergrund und macht Platz für einen vordergründig einfach gehaltenen Gangsterfilm, der bei genauerem hinsehen ein triviales, leicht schmieriges aber gut umgesetztes Sozialdrama ist. Die Kröte ist so einfach gehalten, wie die Leute und deren Milieu, das er porträtiert: die armen Leute, die im Abseits der Gesellschaft stehenden, welche durch eben diese sich dazu gezwungen fühlen, ihren Unterhalt mit nicht ganz legalen Mitteln zu bestreiten. Milians Rollen als Monezza und Vincenzo zeigen dabei die krassen Gegensätze innerhalb der Unterschicht. Der proletenhafte Monezza ist wie Eingangs erwähnt ein lauter Charakter, der seinem Unmut ohne große Umschweife Luft verschafft. "Wenn man eines Tages aus Scheiße Gold machen kann, werden wir Armen ohne Arsch geboren!" ist dabei nur einer der vielen Sprüche des vulgären Lockenkopfs. Vincenzo ist dabei - anders als Milians Buckliger in Die Viper - ein bedachter Mensch, loyal gegenüber seiner selbst gewählten Familie, der sich als Opfer der Gesellschaft ansieht, die ihn dazu treibt, dass zu tun, was er eben macht.
Legendär ist hier die Szene in der Nobeldisco, in der Vincenzo eine Hasstirade auf die feine Gesellschaft ablässt, nachdem sie ihm wegen seines leicht unbeholfenen Tanzens auslachen. Seine Konsequenz: während seiner Rede lässt er seine Kumpanen die Besucher des Schuppens ausrauben und flößt ihnen dann Abführmittel ein. Wie sagt sein Bruder zu Beginn so treffend? "Ja wir sind scheiße und werden immer scheiße sein!" Sein Zwilling zeigt den feinen Pinkeln physisch mit ebenjener Aktion physisch, wie es sich anfühlt. Gleichbedeutend mit Monezzas Ausspruch kann man hier Vincenzos Flucht durch die Kanalisation ansehen, die diese durch Schlamm und Dreck waten lässt. Schwer gebeutelt vom sich durch den Matsch kämpfen und der Flucht vor den hinterhältigen Mittätern schafft er es, das Ende des Kanals zu erreichen. Mit seinen Möglichkeiten versucht er, aus seinem einfachen Leben auszubrechen. Der vielleicht auch wegen schlechter Erfahrungen distanziert erscheinende Vincenzo zeigt dabei in kleinen, leisen Momenten seine Emotionalität. Vor allem dann, wenn man vermutet, dass der Vulkan, der da vielleicht in dem Mann brodelt, auszubrechen droht. Hier präsentieren uns Lenzi und Milian, der für die Dialoge der Brüder verantwortlich ist und damit noch eine ganze Kelle mehr Sozialkritik in den Film packt, das Gegenteilige und hiermit auch für das Genre ungewohnt zurückhaltende Momente.
Die Kröte kann man vielleicht in der Tradition von Ferndando di Leos Gangstertrilogie, bestehend aus Milano Kaliber 9, Der Mafiaboss und Der Teufel führt Regie sehen. Wobei selbst die drei genannten Filme mehr Action bieten als Die Kröte, der aus den Poliziotteschi Lenzis mit seiner Andersartigkeit einsam heraus sticht. Nur manchmal bemerkt den gewohnten, lieb gewonnenen ruppigen Stil des Italieners. Wenn Vincenzo zum Beispiel zur Rache an den Komplizen schreitet oder in den hier weniger vertretenen Verfolgungsjagden. Lenzi und Milian schienen hier vielleicht dem Genre, dessen kurzer Hype hier schon am abebben war, überdrüssig zu sein und wollten etwas anderes ausprobieren. Was im Falle von Die Kröte auch gut funktioniert. Die technische Überwindung der doppelten Rolle von Tomas Milian ist meist simpel aber gut umgesetzt, dank des guten Schnitts von Eugenio Alabiso. Hinzu kommt ein sehr guter Score von Franco Micalizzi, der sonst für sehr breite und aufwändige Musikstücke (wie zum Beispiel bei Die Gewalt bin ich) mit viel Groove bekannt ist, die sich stark an den Soundtracks der amerikanischen Polizeifilm-Vorbildern orientieren. Mit dem härteren, gewaltigeren Der Berserker dürfte Die Kröte Lenzis bester Poliziottscho sein, der für dieses Genre ohnehin ein sehr gutes Händchen hatte. Trotz seiner reduzierten Action, bietet der Film ein gut voranschreitendes Erzähltempo und ein Ende, dass weder zu stark sentimental ist noch auf den Spuren Hollywoods wandelt.
Der Ausbruch aus dem Leben, in das man hineingeboren wurde, erscheint schwer und manchmal unmöglich. Gerade dann, wenn man weniger legale Wege beschreitet. Als würde man sich moralisch gerade rücken, bevor das Publikum zuviel Sympathien für die Methoden Vincenzos entwickeln. Schlechten Menschen widerfährt auch schlechtes. Als Höhepunkt stellen Lenzi und Milian ihrem Protagonisten, der immer wieder beißend-ironisch den Aberglauben, dass das Berühren seines Buckels Glück bringt koketiert, anspricht, ihm das abergläubische Symbol des Unglücks entgegen, wenn Vincenzos Fahrt in eine eigentlich frei gewähnte Welt von einer schwarzen Katze gekreuzt wird. Um es mit Monezzas Worten auszudrücken: Scheiße bleibt eben Scheiße. Und Die Kröte ein außergewöhnlicher und sehr guter Polizeifilm, der sich wie Lenzis schmierige und dreckige Version eines Accatones des italienischen Genrefilms anfühlt. Mein Dank gebührt dem Duo Lenzi und Milian, dass sie sich dafür entschieden haben, es eine ganze Ecke ruhiger als in ihren bisherigen Filmen angehen zu lassen und Milian selbst. Nicht nur für seine Performance in diesem, sondern auch in den vielen anderen Werken, die er mit seinem Können bereichert hat.
In Die Kröte ist er sogar doppelt zu bewundern: einmal als schlappmäuligen Sergio Marazzi, von seinen Monezza genannt und dann als dessen Zwillingsbruder Vincenzo Marazzi, dem "Buckligen von Rom", einem Gangster, der nach 16 Monaten zurück in die Landeshauptstadt kommt um mit seinen alten Kumpanen ein Ding zu drehen. Der geplante Überfall auf den Geldtransporter geht glatt über die Bühne, doch Vincenzos Komplizen spielen ein doppeltes Spiel. Im Trubel und im Schutz des Nebels der eingesetzten Rauchbomben schießen sie auf diesen. Vincenzo wird nicht getroffen, kann sich in die Kanalisation und dann zu seiner Freundin, der Prostituierten Maria, flüchten. Von dort aus rächt er sich mit einem eiskalten Plan an den drei Mittätern, hat allerdings auch die Polizei in Form des Kommissars Sarti auf den Fersen. Anders als der in Lenzis Die Viper und Die Gewalt bin ich omnipräsente Maurizio Merli rückt der von Pino Colizzi dargestellte Polizist in den Hintergrund der Geschichte. Der Charakter ist, anders als die meisten von Merlis Figuren, sehr nüchtern und bedacht. Keine Spur von Hitzköpfigkeit und dem unbändigen Trieb nach Gerechtigkeit, der auch über die gesetzlichen Schranken des Berufs hinausgeht.
Sowieso ist Die Kröte im Vergleich mit anderen Lenzi-Polizeifilmen zurückhaltender und ruhiger. Wirken viele seiner Filme episodisch und wie verschiedene inszenierte Momentaufnahmen, die dem roten Faden der Geschichte bzw. der Hauptstoryline zum Teil nicht einmal dienlich sind, gibt sich La banda del gobbo weitaus aufgeräumter und durchdachter. Selbst die Action rückt in den Hintergrund und macht Platz für einen vordergründig einfach gehaltenen Gangsterfilm, der bei genauerem hinsehen ein triviales, leicht schmieriges aber gut umgesetztes Sozialdrama ist. Die Kröte ist so einfach gehalten, wie die Leute und deren Milieu, das er porträtiert: die armen Leute, die im Abseits der Gesellschaft stehenden, welche durch eben diese sich dazu gezwungen fühlen, ihren Unterhalt mit nicht ganz legalen Mitteln zu bestreiten. Milians Rollen als Monezza und Vincenzo zeigen dabei die krassen Gegensätze innerhalb der Unterschicht. Der proletenhafte Monezza ist wie Eingangs erwähnt ein lauter Charakter, der seinem Unmut ohne große Umschweife Luft verschafft. "Wenn man eines Tages aus Scheiße Gold machen kann, werden wir Armen ohne Arsch geboren!" ist dabei nur einer der vielen Sprüche des vulgären Lockenkopfs. Vincenzo ist dabei - anders als Milians Buckliger in Die Viper - ein bedachter Mensch, loyal gegenüber seiner selbst gewählten Familie, der sich als Opfer der Gesellschaft ansieht, die ihn dazu treibt, dass zu tun, was er eben macht.
Legendär ist hier die Szene in der Nobeldisco, in der Vincenzo eine Hasstirade auf die feine Gesellschaft ablässt, nachdem sie ihm wegen seines leicht unbeholfenen Tanzens auslachen. Seine Konsequenz: während seiner Rede lässt er seine Kumpanen die Besucher des Schuppens ausrauben und flößt ihnen dann Abführmittel ein. Wie sagt sein Bruder zu Beginn so treffend? "Ja wir sind scheiße und werden immer scheiße sein!" Sein Zwilling zeigt den feinen Pinkeln physisch mit ebenjener Aktion physisch, wie es sich anfühlt. Gleichbedeutend mit Monezzas Ausspruch kann man hier Vincenzos Flucht durch die Kanalisation ansehen, die diese durch Schlamm und Dreck waten lässt. Schwer gebeutelt vom sich durch den Matsch kämpfen und der Flucht vor den hinterhältigen Mittätern schafft er es, das Ende des Kanals zu erreichen. Mit seinen Möglichkeiten versucht er, aus seinem einfachen Leben auszubrechen. Der vielleicht auch wegen schlechter Erfahrungen distanziert erscheinende Vincenzo zeigt dabei in kleinen, leisen Momenten seine Emotionalität. Vor allem dann, wenn man vermutet, dass der Vulkan, der da vielleicht in dem Mann brodelt, auszubrechen droht. Hier präsentieren uns Lenzi und Milian, der für die Dialoge der Brüder verantwortlich ist und damit noch eine ganze Kelle mehr Sozialkritik in den Film packt, das Gegenteilige und hiermit auch für das Genre ungewohnt zurückhaltende Momente.
Die Kröte kann man vielleicht in der Tradition von Ferndando di Leos Gangstertrilogie, bestehend aus Milano Kaliber 9, Der Mafiaboss und Der Teufel führt Regie sehen. Wobei selbst die drei genannten Filme mehr Action bieten als Die Kröte, der aus den Poliziotteschi Lenzis mit seiner Andersartigkeit einsam heraus sticht. Nur manchmal bemerkt den gewohnten, lieb gewonnenen ruppigen Stil des Italieners. Wenn Vincenzo zum Beispiel zur Rache an den Komplizen schreitet oder in den hier weniger vertretenen Verfolgungsjagden. Lenzi und Milian schienen hier vielleicht dem Genre, dessen kurzer Hype hier schon am abebben war, überdrüssig zu sein und wollten etwas anderes ausprobieren. Was im Falle von Die Kröte auch gut funktioniert. Die technische Überwindung der doppelten Rolle von Tomas Milian ist meist simpel aber gut umgesetzt, dank des guten Schnitts von Eugenio Alabiso. Hinzu kommt ein sehr guter Score von Franco Micalizzi, der sonst für sehr breite und aufwändige Musikstücke (wie zum Beispiel bei Die Gewalt bin ich) mit viel Groove bekannt ist, die sich stark an den Soundtracks der amerikanischen Polizeifilm-Vorbildern orientieren. Mit dem härteren, gewaltigeren Der Berserker dürfte Die Kröte Lenzis bester Poliziottscho sein, der für dieses Genre ohnehin ein sehr gutes Händchen hatte. Trotz seiner reduzierten Action, bietet der Film ein gut voranschreitendes Erzähltempo und ein Ende, dass weder zu stark sentimental ist noch auf den Spuren Hollywoods wandelt.
Der Ausbruch aus dem Leben, in das man hineingeboren wurde, erscheint schwer und manchmal unmöglich. Gerade dann, wenn man weniger legale Wege beschreitet. Als würde man sich moralisch gerade rücken, bevor das Publikum zuviel Sympathien für die Methoden Vincenzos entwickeln. Schlechten Menschen widerfährt auch schlechtes. Als Höhepunkt stellen Lenzi und Milian ihrem Protagonisten, der immer wieder beißend-ironisch den Aberglauben, dass das Berühren seines Buckels Glück bringt koketiert, anspricht, ihm das abergläubische Symbol des Unglücks entgegen, wenn Vincenzos Fahrt in eine eigentlich frei gewähnte Welt von einer schwarzen Katze gekreuzt wird. Um es mit Monezzas Worten auszudrücken: Scheiße bleibt eben Scheiße. Und Die Kröte ein außergewöhnlicher und sehr guter Polizeifilm, der sich wie Lenzis schmierige und dreckige Version eines Accatones des italienischen Genrefilms anfühlt. Mein Dank gebührt dem Duo Lenzi und Milian, dass sie sich dafür entschieden haben, es eine ganze Ecke ruhiger als in ihren bisherigen Filmen angehen zu lassen und Milian selbst. Nicht nur für seine Performance in diesem, sondern auch in den vielen anderen Werken, die er mit seinem Können bereichert hat.
Dienstag, 21. März 2017
Aquarius
Bevor er hinter der Kamera auf dem Regiestuhl platz nahm, war Michele Soavi vor der Kamera aktiv: zum Beispiel in Ein Zombie hing am Glockenseil oder Lamberto Bavas Blastfighter. Im Jahre 1987 wechselte der meistens als Nebendarsteller in Erscheinung getretene Soavi ins Regiefach. Gleich sein Debüt, produziert von der Filmirage, der Produktionsfirma von Italiens Schmuddelpapst Joe D'Amato, zeigt auf, zu welchen Großtaten Soavi noch fähig sein sollte. Aquarius, im deutschsprachigen Raum mit dem leicht dämlichen Untertitel Theater des Todes versehen, ist ein beeindruckender Hybrid aus Giallo und Slasher. Wobei die Grenzen bei diesen Subgenres ja fließend sind, könnte der Slasher ohne den Giallo doch gar nicht existieren. Die Geschichte orientiert sich dabei mehr an den amerikanischen Schlitzerfilmen.
Für die anstehende Premiere eines Musicals über einen Serienmörder probt ein Ensemble unter der harten Knute ihres Regisseurs Peter in einem abgelegenen Theater. Die Darstellerin Alicia zieht sich eine Knöchelverletzung zu und verlässt trotz ausdrücklichen Verbots von Peter die Proben, um sich in einer nahegelegenen Klinik behandeln zu lassen. Diese entpuppt sich als Psychiatrie, in die vor kurzem der wahnsinnig gewordene Schauspieler Irwing Wallace eingeliefert wurde. Dem Mimen, der sich zum Serienmörder entwickelte, gelingt die Flucht aus der Anstalt und versteckt sich im Wagen von Alicia und verschafft sich Zutritt zum Theater. In der Maske des Mörders aus dem Stück macht er Jagd auf die Mitglieder des Ensembles.
Als ich Aquarius vor mehr als 15 Jahren das erste (und bis jetzt zum einzigen Male) sah, nahm ich ihn als italienische Version eines Slashers wahr, der sich stark an den amerikanischen Vorbildern orientiert. Auch heute kann man den auch als Stage Fright bekannten Film im Grunde mehr als Slasher sehen. Der Mörder bekommt keine große bzw. besondere Hintergrundgeschichte spendiert, kann sich aus der Sicherheitsverwahrung befreien, versteckt sich im Wagen der Darstellerin Alicia um so am Hauptort der Handlung transferiert zu werden und zieht dann maskiert seine Runden durch das Gebäude, um sein blutiges Handwerk zu verrichten. Die Maske, ein Eulenkopf, den auch der Mörder des Musicals trägt, hebt sich dabei hübsch vom Einerlei der übrigens Slashermeuchler ab. Schwarze Handschuhe, ein dezent verhüllter Mörder, ja selbst kunstvoll inszenierte Mordszenen, hintergründig sexuell aufgeladene Stimmung oder sexualpsychologische Traumata des Mörders sucht man hier vergebens. Wie Soavi die von Luigi Montefiori, besser bekannt als George Eastman, geschriebenen Geschichte inszeniert, ist ganz klar italienisch und gialloesk.
Alleine schon der Einstieg, wenn man eine Szene des Stücks gezeigt bekommt und noch nicht weiß, dass dies nur eine Inszenierung ist, ist klasse fotografiert und wird erst dann aufgelöst, wenn die Musik einsetzt und die Tänzer zu sehen sind. In einer langsamen, rückwärtigen Fahrt der Kamera wird immer mehr vom Theaterbetrieb gezeigt. Es mag einen an manche Filme eines Dario Argento erinnern, der mit Opera zufälligerweise im gleichen Jahr einen Giallo präsentierte, der ebenfalls ein Schauspiel auf den Brettern der die Welt bedeutet, zum Thema hat. Manchmal ist die Bildsprache von Aquarius auch sichtbar von Argento beeinflusst. Hier macht man allerdings nicht den Fehler, diesen und dessen episch-schweren, aber immer noch eleganten Kamerafahrten schlicht zu kopieren. Die Kamera ist zurückhaltender, kann dabei mit sehr hübschen und kunstvollen Einstellungen punkten. Zusammen mit Simon Boswells Synthie-Soundtrack ist Aquarius auf der audiovisuellen Ebene ein großer Genuss.
Die Handlung selbst bietet nicht einmal viele Überraschungen und Montefiori hält sie auch sehr überschaubar und schlicht. Dabei begeht er allerdings nicht den Fehler vieler US-Produktionen und lässt den Mörder nicht als Überwesen erscheinen, welches zu jeder Zeit an jedem Ort urplötzlich aus dem Nichts aufzutauchen scheint. Die Reduzierung auf das Wesentliche tut dem Plot gut und selbst eine gewisse Metaebene, die man in den Film hineininterpretieren könnte, drängt sich nicht auf. Spitzen gegenüber das Schauspiel-Business scheinen hier eher zufällig und nicht gewollt, können allerdings in einigen Momenten die Wirkung des Films noch verstärken. Wunderbar ist hier die Szene, in welcher Ferrari, der Produzent des Stücks, auf der Flucht vor dem Mörder zurückbleibt, weil er in Panik seine Geldscheine verliert und hastig versucht, wieder in den Koffer zurückzulegen. Diese Geldgier kostet ihm schließlich das Leben.
Es geht in Aquarius schlicht und ergreifend um das altbekannte Katz-und-Maus-Spiel zwischen einem maskierten Mörder und einer Gruppe unterschiedlicher Typen. Diese werden in der ersten Viertelstunde sehr zügig und auf den Punkt dem Zuschauer vorgestellt. Bevor nach einem erneuten Vorgeplänkel, der Fahrt zur Klinik und dem Aufenthalt darin, der Killer losgelassen wird. Der Begriff auf den Punkt beschreibt die ganze Art der Inszenierung Soavis haargenau: er hat ein richtiges Händchen für den Stoff und schafft es selbst vorhersehbare Momente sehr ansprechend umzusetzen. Gegen das leicht entgleitende Finale mit seinem etwas langen Epilog kann auch Soavi nichts tun. Da wäre ein konsequenterer Schluss besser gewesen. Durch den bodenständigen Charakter des Buchs mag dies nicht wirklich passen und wird als zu große Anbiederung an den Slasher wahrgenommen. Doch das ist meckern auf hohem Niveau. Soavis Spät-Giallo ist ein kurzweiliger und fesselnder Film, der nach vielen Jahren, in denen ich meine Liebe zum Thrillergenre aus Italien fand, sogar noch eine stärkere Wirkung bekommen hat. Mittlerweile wage ich zu behaupten, dass Soavis Debüt der beste Giallo der 80er Jahre ist.
Für die anstehende Premiere eines Musicals über einen Serienmörder probt ein Ensemble unter der harten Knute ihres Regisseurs Peter in einem abgelegenen Theater. Die Darstellerin Alicia zieht sich eine Knöchelverletzung zu und verlässt trotz ausdrücklichen Verbots von Peter die Proben, um sich in einer nahegelegenen Klinik behandeln zu lassen. Diese entpuppt sich als Psychiatrie, in die vor kurzem der wahnsinnig gewordene Schauspieler Irwing Wallace eingeliefert wurde. Dem Mimen, der sich zum Serienmörder entwickelte, gelingt die Flucht aus der Anstalt und versteckt sich im Wagen von Alicia und verschafft sich Zutritt zum Theater. In der Maske des Mörders aus dem Stück macht er Jagd auf die Mitglieder des Ensembles.
Als ich Aquarius vor mehr als 15 Jahren das erste (und bis jetzt zum einzigen Male) sah, nahm ich ihn als italienische Version eines Slashers wahr, der sich stark an den amerikanischen Vorbildern orientiert. Auch heute kann man den auch als Stage Fright bekannten Film im Grunde mehr als Slasher sehen. Der Mörder bekommt keine große bzw. besondere Hintergrundgeschichte spendiert, kann sich aus der Sicherheitsverwahrung befreien, versteckt sich im Wagen der Darstellerin Alicia um so am Hauptort der Handlung transferiert zu werden und zieht dann maskiert seine Runden durch das Gebäude, um sein blutiges Handwerk zu verrichten. Die Maske, ein Eulenkopf, den auch der Mörder des Musicals trägt, hebt sich dabei hübsch vom Einerlei der übrigens Slashermeuchler ab. Schwarze Handschuhe, ein dezent verhüllter Mörder, ja selbst kunstvoll inszenierte Mordszenen, hintergründig sexuell aufgeladene Stimmung oder sexualpsychologische Traumata des Mörders sucht man hier vergebens. Wie Soavi die von Luigi Montefiori, besser bekannt als George Eastman, geschriebenen Geschichte inszeniert, ist ganz klar italienisch und gialloesk.
Alleine schon der Einstieg, wenn man eine Szene des Stücks gezeigt bekommt und noch nicht weiß, dass dies nur eine Inszenierung ist, ist klasse fotografiert und wird erst dann aufgelöst, wenn die Musik einsetzt und die Tänzer zu sehen sind. In einer langsamen, rückwärtigen Fahrt der Kamera wird immer mehr vom Theaterbetrieb gezeigt. Es mag einen an manche Filme eines Dario Argento erinnern, der mit Opera zufälligerweise im gleichen Jahr einen Giallo präsentierte, der ebenfalls ein Schauspiel auf den Brettern der die Welt bedeutet, zum Thema hat. Manchmal ist die Bildsprache von Aquarius auch sichtbar von Argento beeinflusst. Hier macht man allerdings nicht den Fehler, diesen und dessen episch-schweren, aber immer noch eleganten Kamerafahrten schlicht zu kopieren. Die Kamera ist zurückhaltender, kann dabei mit sehr hübschen und kunstvollen Einstellungen punkten. Zusammen mit Simon Boswells Synthie-Soundtrack ist Aquarius auf der audiovisuellen Ebene ein großer Genuss.
Die Handlung selbst bietet nicht einmal viele Überraschungen und Montefiori hält sie auch sehr überschaubar und schlicht. Dabei begeht er allerdings nicht den Fehler vieler US-Produktionen und lässt den Mörder nicht als Überwesen erscheinen, welches zu jeder Zeit an jedem Ort urplötzlich aus dem Nichts aufzutauchen scheint. Die Reduzierung auf das Wesentliche tut dem Plot gut und selbst eine gewisse Metaebene, die man in den Film hineininterpretieren könnte, drängt sich nicht auf. Spitzen gegenüber das Schauspiel-Business scheinen hier eher zufällig und nicht gewollt, können allerdings in einigen Momenten die Wirkung des Films noch verstärken. Wunderbar ist hier die Szene, in welcher Ferrari, der Produzent des Stücks, auf der Flucht vor dem Mörder zurückbleibt, weil er in Panik seine Geldscheine verliert und hastig versucht, wieder in den Koffer zurückzulegen. Diese Geldgier kostet ihm schließlich das Leben.
Es geht in Aquarius schlicht und ergreifend um das altbekannte Katz-und-Maus-Spiel zwischen einem maskierten Mörder und einer Gruppe unterschiedlicher Typen. Diese werden in der ersten Viertelstunde sehr zügig und auf den Punkt dem Zuschauer vorgestellt. Bevor nach einem erneuten Vorgeplänkel, der Fahrt zur Klinik und dem Aufenthalt darin, der Killer losgelassen wird. Der Begriff auf den Punkt beschreibt die ganze Art der Inszenierung Soavis haargenau: er hat ein richtiges Händchen für den Stoff und schafft es selbst vorhersehbare Momente sehr ansprechend umzusetzen. Gegen das leicht entgleitende Finale mit seinem etwas langen Epilog kann auch Soavi nichts tun. Da wäre ein konsequenterer Schluss besser gewesen. Durch den bodenständigen Charakter des Buchs mag dies nicht wirklich passen und wird als zu große Anbiederung an den Slasher wahrgenommen. Doch das ist meckern auf hohem Niveau. Soavis Spät-Giallo ist ein kurzweiliger und fesselnder Film, der nach vielen Jahren, in denen ich meine Liebe zum Thrillergenre aus Italien fand, sogar noch eine stärkere Wirkung bekommen hat. Mittlerweile wage ich zu behaupten, dass Soavis Debüt der beste Giallo der 80er Jahre ist.