Bevor er hinter der Kamera auf dem Regiestuhl platz nahm, war Michele Soavi vor der Kamera aktiv: zum Beispiel in Ein Zombie hing am Glockenseil oder Lamberto Bavas Blastfighter. Im Jahre 1987 wechselte der meistens als Nebendarsteller in Erscheinung getretene Soavi ins Regiefach. Gleich sein Debüt, produziert von der Filmirage, der Produktionsfirma von Italiens Schmuddelpapst Joe D'Amato, zeigt auf, zu welchen Großtaten Soavi noch fähig sein sollte. Aquarius, im deutschsprachigen Raum mit dem leicht dämlichen Untertitel Theater des Todes versehen, ist ein beeindruckender Hybrid aus Giallo und Slasher. Wobei die Grenzen bei diesen Subgenres ja fließend sind, könnte der Slasher ohne den Giallo doch gar nicht existieren. Die Geschichte orientiert sich dabei mehr an den amerikanischen Schlitzerfilmen.
Für die anstehende Premiere eines Musicals über einen Serienmörder probt ein Ensemble unter der harten Knute ihres Regisseurs Peter in einem abgelegenen Theater. Die Darstellerin Alicia zieht sich eine Knöchelverletzung zu und verlässt trotz ausdrücklichen Verbots von Peter die Proben, um sich in einer nahegelegenen Klinik behandeln zu lassen. Diese entpuppt sich als Psychiatrie, in die vor kurzem der wahnsinnig gewordene Schauspieler Irwing Wallace eingeliefert wurde. Dem Mimen, der sich zum Serienmörder entwickelte, gelingt die Flucht aus der Anstalt und versteckt sich im Wagen von Alicia und verschafft sich Zutritt zum Theater. In der Maske des Mörders aus dem Stück macht er Jagd auf die Mitglieder des Ensembles.
Als ich Aquarius vor mehr als 15 Jahren das erste (und bis jetzt zum einzigen Male) sah, nahm ich ihn als italienische Version eines Slashers wahr, der sich stark an den amerikanischen Vorbildern orientiert. Auch heute kann man den auch als Stage Fright bekannten Film im Grunde mehr als Slasher sehen. Der Mörder bekommt keine große bzw. besondere Hintergrundgeschichte spendiert, kann sich aus der Sicherheitsverwahrung befreien, versteckt sich im Wagen der Darstellerin Alicia um so am Hauptort der Handlung transferiert zu werden und zieht dann maskiert seine Runden durch das Gebäude, um sein blutiges Handwerk zu verrichten. Die Maske, ein Eulenkopf, den auch der Mörder des Musicals trägt, hebt sich dabei hübsch vom Einerlei der übrigens Slashermeuchler ab. Schwarze Handschuhe, ein dezent verhüllter Mörder, ja selbst kunstvoll inszenierte Mordszenen, hintergründig sexuell aufgeladene Stimmung oder sexualpsychologische Traumata des Mörders sucht man hier vergebens. Wie Soavi die von Luigi Montefiori, besser bekannt als George Eastman, geschriebenen Geschichte inszeniert, ist ganz klar italienisch und gialloesk.
Alleine schon der Einstieg, wenn man eine Szene des Stücks gezeigt bekommt und noch nicht weiß, dass dies nur eine Inszenierung ist, ist klasse fotografiert und wird erst dann aufgelöst, wenn die Musik einsetzt und die Tänzer zu sehen sind. In einer langsamen, rückwärtigen Fahrt der Kamera wird immer mehr vom Theaterbetrieb gezeigt. Es mag einen an manche Filme eines Dario Argento erinnern, der mit Opera zufälligerweise im gleichen Jahr einen Giallo präsentierte, der ebenfalls ein Schauspiel auf den Brettern der die Welt bedeutet, zum Thema hat. Manchmal ist die Bildsprache von Aquarius auch sichtbar von Argento beeinflusst. Hier macht man allerdings nicht den Fehler, diesen und dessen episch-schweren, aber immer noch eleganten Kamerafahrten schlicht zu kopieren. Die Kamera ist zurückhaltender, kann dabei mit sehr hübschen und kunstvollen Einstellungen punkten. Zusammen mit Simon Boswells Synthie-Soundtrack ist Aquarius auf der audiovisuellen Ebene ein großer Genuss.
Die Handlung selbst bietet nicht einmal viele Überraschungen und Montefiori hält sie auch sehr überschaubar und schlicht. Dabei begeht er allerdings nicht den Fehler vieler US-Produktionen und lässt den Mörder nicht als Überwesen erscheinen, welches zu jeder Zeit an jedem Ort urplötzlich aus dem Nichts aufzutauchen scheint. Die Reduzierung auf das Wesentliche tut dem Plot gut und selbst eine gewisse Metaebene, die man in den Film hineininterpretieren könnte, drängt sich nicht auf. Spitzen gegenüber das Schauspiel-Business scheinen hier eher zufällig und nicht gewollt, können allerdings in einigen Momenten die Wirkung des Films noch verstärken. Wunderbar ist hier die Szene, in welcher Ferrari, der Produzent des Stücks, auf der Flucht vor dem Mörder zurückbleibt, weil er in Panik seine Geldscheine verliert und hastig versucht, wieder in den Koffer zurückzulegen. Diese Geldgier kostet ihm schließlich das Leben.
Es geht in Aquarius schlicht und ergreifend um das altbekannte Katz-und-Maus-Spiel zwischen einem maskierten Mörder und einer Gruppe unterschiedlicher Typen. Diese werden in der ersten Viertelstunde sehr zügig und auf den Punkt dem Zuschauer vorgestellt. Bevor nach einem erneuten Vorgeplänkel, der Fahrt zur Klinik und dem Aufenthalt darin, der Killer losgelassen wird. Der Begriff auf den Punkt beschreibt die ganze Art der Inszenierung Soavis haargenau: er hat ein richtiges Händchen für den Stoff und schafft es selbst vorhersehbare Momente sehr ansprechend umzusetzen. Gegen das leicht entgleitende Finale mit seinem etwas langen Epilog kann auch Soavi nichts tun. Da wäre ein konsequenterer Schluss besser gewesen. Durch den bodenständigen Charakter des Buchs mag dies nicht wirklich passen und wird als zu große Anbiederung an den Slasher wahrgenommen. Doch das ist meckern auf hohem Niveau. Soavis Spät-Giallo ist ein kurzweiliger und fesselnder Film, der nach vielen Jahren, in denen ich meine Liebe zum Thrillergenre aus Italien fand, sogar noch eine stärkere Wirkung bekommen hat. Mittlerweile wage ich zu behaupten, dass Soavis Debüt der beste Giallo der 80er Jahre ist.
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