Meine Liebe zum Horrorfilm erwuchs aus der spontanen Idee heraus, Stephen King-Verfilmungen zu sammeln. Vor mehr als 20 Jahren begann ich also im jugendlichen Alter, mit Hilfe des Videorekorders meines Onkels, auf den Geschichten und Romanen des Autors basierende Werke im Fernsehen mitzuschneiden. Ich meine schon auf Kassette Nr. 3 oder 4 warf ich das schon alles über den Haufen; das komplette Genre hatte mich da schon gefangen genommen. So kam ich auch auf den Film Dead & Buried, den ich beim regelmäßigen in der Fernsehzeitschrift nach neuem Stoff Ausschau halten, erspähte. Das Kennzeichen, dass die Ausstrahlung gekürzt sein wird, ignorierte ich. Vielleicht fand ich ihn auch deswegen beim erstmaligen Schauen ziemlich langweilig. Oder ich war einfach noch nicht bereit dafür. Als ich irgendwann später, noch nicht ganz volljährig, über meine Mutter hin und wieder beim legendären Videodrom bestellte, war irgendwann auch die neu aufgelegte, ungekürzte Fassung von Dragon dran.
Und je älter ich werde, desto mehr wächst Dead & Buried mit jeder Sichtung. Es ist immer eine Freude, in die kleine Stadt Potters Bluff zurückzukehren und mit James Farentino als Sheriff Dan Gillis mitzufiebern, was denn überhaupt in dem Fischernest vor sich geht. Ob seine Frau Janet, eine Grundschullehrerin, wirklich etwas mit schwarzmagischen Ritualen zu tun hat und ob der leicht schrullige Bestatter Dobbs für einige unerklärliche Dinge, die in der Ortschaft vor sich gehen, verantwortlich ist. Alles beginnt mit einem Unfall und einem schwer verbrannten Mann, einem auf der Durchreise befindlichen Fotografen, der bei seiner Rast am Strand von einigen Bewohnern überwältigt und in Brand gesteckt wird. Gillis ahnt nicht, dass dieser Unfall fingiert ist und wird erst auf seltsames in Potters Bluff aufmerksam, als einer der Bewohner den vermeintlich schwer verbrannten und im Krankenhaus ermordeten Fotografen im Ort quicklebendig als Tankwart rumspazieren sieht. Als dann weitere Morde geschehen, kommt Gillis einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur.
Alter, Verfall, Tod: schon der Titel des Films zeigt deutlich, dass dies seine zentrale Themen sind. Die Vergangenheit, der Verfall, sind in Potters Bluff allgegenwärtig. Beinahe scheint es so, als wäre dort die Zeit einfach stehen geblieben. Nachdem der Film mit einem ebenso herrlichen wie melancholischen Pianotheme begonnen wird, wandelt sich eine vermeintliche alte Fotografie des Ortes zur filmischen Gegenwart. Alles wird farbig, das Standbild bewegt sich. Einzig die erdige, in Braun- und Sepiatönen gehaltene Farben des Films, sorgen dafür, dass der thematisierte Verfall, die im Hier und Jetzt allgegenwärtige Vergangenheit, präsent bleibt. Anhand der Kleidung einiger Einwohner könnte man auch meinen, dass man mit einem Besuch in Potters Bluff gleichzeitig in die 50er zurückreist. Shermans unaufgeregter Stil, die Geschichte langsam und bedächtig zum schockierenden Finale mit seinem großen Twist zu führen, diese Langsamkeit die Dead & Buried dadurch entwickelt, verstärkt dieses Gefühl. Sherman schafft es mit seinem Film, altmodischen Horror mit dem damals immer beliebter werdenden, offensiven Gorekino zu verbinden. Die blutigen Spitzen und der über die Figuren plötzlich hereinbrechende Terror sind akzentuiert eingesetzt. Lediglich einige laute Momente des Films, wenn die Gewalt graphisch wird, merkt man, dass dies Sherman nicht komplett liegt. Diese Szenen fühlen sich dezent überhastet an. Glücklicherweise entgleitet dies dem in Chicago geborenen Regisseur nie komplett.
Die fehlende Finesse, diese beiden Gegensätze in Einklang zu bringen, macht Dead & Buried mit dem Hintersinn seiner Geschichte wett. Die stammt aus der Feder von Dan O'Bannon und Ronald Shusett, die u. a. auch für das Script von Alien verantwortlich sind und entpuppt sich auf den zweiten Blick als eine Metapher auf das langsame dahinsiechen von Kleinstädten im gleichzeitigen Wachsen industriell starker Großgebiete und deren Anziehungspunkt für Bewohner dieser wirtschaftlich und infrastrukturell eher schwach aufgestellten Orte. Der Wegzug junger Leute schwächt diese ebenso wie die damit verbundene Konkurrenz großer Konzerne, gegen die die kleinen Läden oder auf einen wirtschaftlichen Haupt- und Ernährungszweig konzentrierten Gebiete keine Chance haben. Was liegt also näher, als mittels makabrer Rituale für neue Mitglieder der kleinen Gemeinde zu sorgen? Schon der Kinotrailer erzählte damals, das es nur einen Weg nach Potters Bluff, aber keinen raus gibt. Getreu dem Motto "Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt!" sorgen die Einwohner selbst für Zuwachs.
Dabei ist dies nur eine Lesart für Dead & Buried. Ebenso könnte man hier den Versuch sehen, die Vergangenheit und daran haftende Erinnerungen (krampfhaft) lebendig zu halten; um jeden Preis, koste es was es wolle. O'Bannon und Shusett schaffen hier eine düstere Horrormär mit leichten Okkultismusbezügen und dem klassischen Motiv der Überwindung des Todes. Da darf ein wahnsinniger Charakter, der in den Kreislauf von Leben und Tod eingreift und gottähnlich darüber bestimmt, nicht fehlen. Er ist die Exekutive im Versuch, das jenseitige Dasein und dessen Existenz zu etwas schönem werden zu lassen. Ein Arrangement mit dem Tod, dem Sterben, welches trotz (wortwörtlichen) gewaltsam schnellen Ausscheiden aus dem Leben auch wieder ein Anfang ist. Diese eigenwillige Sehnsucht nach Sterben, die Präsenz dieses Prozess zieht sich durch den ganzen Film. Schnell versinkt man in dieser ganz eigenen Stimmung, die Dead & Buried besitzt und selbst wenn der große Twist vergleichsweise schnell offensichtlich ist und für keine große Überraschung sorgt, fies ist er immer wieder. Und makaber. Gesamt ist das alles wunderschön, wenn man ein Faible für altmodisch gefärbten Horror hat, der nicht gänzlich ohne blutige Effekte auskommt, aber nie Situationen herbeiführt nur um eben dieser Effekte willens und lieber auf seine starke Atmosphäre setzt. Das verzeiht die teilweise spröde Regie von Sherman, die zu einiger Zeit zu sehr reduziert ist. Es bleibt der sehr gute Gesamteindruck von Dead & Buried, welcher vielleicht auch einer der unterschätztesten Horrorfilme der 80er ist. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Ausflug nach Potters Bluff.
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