Der kindliche Wunsch, der grenzenlosen Fantasie entspringenden Vorstellung, selbst ein Superheld zu sein, wächst in Kick-Ass zu einem Event- und Origingebilde heran, welches im ersten Moment ein Comicfilm unter vielen ist. Was wäre denn nun aber, wenn im Real Life plötzlich maskierte Menschen durch die Straßen wandern und das Verbrechen bekämpfen? Könnte das wie in Kick-Ass aussehen? Verglichen mit dem echten Phänomen ist Matthew Vaughns Film eine Ecke spektakulärer, wenn auch bemüht, seinen Helden einen reellen Hintergrund zu schenken. Da kann man sich wie Dave, dem Helden der Geschichte, einen bunten Neopren-Anzug bestellen, der fortan das Kostüm des echten Superhelden wird. Dave ist ein gewöhnlicher Teenie, am äußersten Rand des Außenseitertums gefangen, und, wie er selbst zu Beginn erzählt, einfach eben da. Er existiert ohne eine Bestimmung gefunden zu haben.
Diese kommt mit seiner zweiten Identität, wenn er nach anfänglichem Scheitern, als ihn zwei linkische Gangster niederstechen und er dann von einem Auto angefahren wird, langsam in seine Rolle hinein wächst. Der Unfall bringt ihm zerstörte Nervenenden, viele Metallplatten und damit eine Beinahe-Superkraft, die in seiner nächsten Konfrontation mit einem gewalttätigen Mob trotz seiner unbeholfenen Art sich als hilfreich erweist. Der Konflikt landet im Internet, sein Alter Ego, welches er selbst Kick-Ass tauft, wird zu einem gefeierten Stadthelden und Internetphänomen. Es ruft neben der bisher heimlich angebeteten Katie als potentielle erste Freundin auch den fiesesten, bösesten Gangster der ganzen Stadt auf den Plan, als nach Kick-Ass mit Big Daddy und Hit-Girl weitere, weitaus gezielter operierende Real Life-Helden auftauchen.
Die beiden besitzen einen Wums, dass sie Dave an den Rande der Geschichte ballern und die Nebenfiguren heimliche Stars werden. Auch als Kick-Ass existiert der Junge nur, darf ein wenig mit der neuen Freundin vögeln, mit den Tücken des Heldentums kämpfen, während da in zynischer Humorwolke schwebend, die damals gerade 13-jährige Chloë Grace Moretz eine übercoole Gewaltgöre und Nicholas Cage in einer wirklich angenehm schrulligen Rolle den Rache übenden Vater des kleinen Mädchens mimen. Die heraufbeschworene Lässigkeit und comichafte Gewalt, üblich mit Punchlines und weiteren humoresken Einschüben garniert, sind technisch auf hohem Niveau, lassen dabei das vermissen, womit Kick-Ass in seiner ersten Hälfte punkten kann. Da mischt Matthew Vaughn Teeniekomödie mit Coming of Age, ohne den Fehler zu begehen, gezwungenen Tiefgang zu erzeugen. Distanziert locker, etwas schräg erzeugt Kick-Ass ein Gefühl der Sympathie, bevor er wie die Mitschüler selbst gefühlt von seinem Hauptcharakter gelangweilt ist.
Natürlich kann man auch ohne buntes Kostüm ein Held sein, wachsen, dem gefühlt ewigen Verlierer sein entkommen. Die simple Botschaft darf brav bis zum Ende wachsen, davor wird der Ton des Films merklich düsterer, wenn Gangster Frank D'Amico den aus dem Boden wie Pilze hervorsprießenden Helden in Rachedurst hinterher jagt. Da liegt es nahe, dass der am Geschäft mehr als vom Vater gewollt interessierte Filius auch noch in ein enges Kostüm steigt, um mit einer Finte die auf der Abschussliste befindlichen Hit-Girl und Big Daddy in eine Falle zu locken. Das auf der gleichnamigen Comicvorlage basierende Drehbuch baut in die gewollt so real wie möglich aufgebaute Filmwelt eine für das Genre übliche Erzählweise ein und verzerrt das geschaffene Bild in Richtung üblicher Comicmovie-Muster. Spaß macht es trotzdem, ersäuft der Film löblicherweise nicht im erschöpfenden Metagewichse und steckt seine Anspielungen gekonnt in die Handlung.
Es braucht nur eine Weile, bis Kick-Ass wie sein Protagonist zu sich selbst findet. Mit seiner knalligen Erzählweise, in die Handlung spritzende Splatterwellen in den Actionszenen will man sich nie so komplett anfreunden. Man will eben so cool sein, so anders, so herausstechen wie Dave mit seinem Alter Ego. Endlich mal jemand sein und beachtet werden. Die Beachtung des Kinopublikums war so groß, dass eine Fortsetzung entstand. Dave ist am Ende, nach einer anstrengenden Selbstfindung im hautengen Gummikostüm, vielleicht immer noch dieser leicht nerdige Junge. Aber er hat endlich das, was er am Anfang so vermisst: eine Rolle. Selbst außerhalb seines Superheldendaseins und - ebenso wichtig für einen jungen Mann seines Alters - eine Freundin und mit seinem "reellen" Erlebnis, das so comichaft anmutet, kommend, eine ordentliche Portion Selbstvertrauen. Das kann man bei all' der wütenden Dresche, die ein Kind ihren Kontrahenten beschert (hier musste sich Kick-Ass einige Kritik gefallen lassen), einfach nur dem sichtbaren Willen des Films als coole Draufgabe oder (nachvollziehbar) zweifelhaft in seiner offenen Darstellung finden. Für einen Mainstream-Film ist Kick-Ass ein Werk, dass sich den Mechanismen des Superhelden-Films bedient, seine Vorlage nutzt um daraus etwas ganz eigenes zu schaffen: ein Coming of Age-Teenie-Action-Komödien-Dingsbums mit netten Momenten das erst dann cool wird, wenn die gespielte Kühlheit dem leichten Stil des Anfangs weicht.
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