Die eigene Vergangenheit lässt einen nie richtig los. Zwischen Tränendrüsendrücker-Melodram und State of the Art-Action zelebriert Jeong Byeong-gil dies in seinem dritten Film The Villainess und lässt die Prämisse seiner Geschichte irgendwo auf der Strecke. Sie wird wie Protagonistin Sook-hee verschluckt. Während diese langsam in den Schlund der näher schleichenden Monster der bisherigen Lebensgeschichte gleitet, lässt der Film aus, blendet aus, ignoriert. Es wird angerissen, als würden nach einer Amnesie dämmernde Fetzen der Erinnerung aufblitzen und im dunkel des Vergessens verschwinden. Darüber packt man atemberaubende Actionsequenzen, in langen One-Takes, nahe am Geschehen dran gefilmt. Es fühlt sich an, als möchte der Film die Lücken seiner Story damit ausstopfen und davon ablenken.
Sook-hee ist eine junge, unscheinbar erscheinende, aber brandgefährliche Frau. Sie mäht im Alleingang ein ganzes Haus vollgestopft mit halbseidenen Gestalten der Unterwelt nieder um dann, nach der erlangten Katharsis, von der Polizei aufgegriffen zu werden. Dem Untergrund, wie uns The Villainess in verschachtelt montierten Rückblenden lehrt, selbst entstiegen, wechselt Sook-hee dort die Seiten. Eine geheime Organisation bildet sie zur Schläferin in einem abgeriegelten Camp aus, um nach erfolgreicher Ausbildung in einem ihr geschenkten, bürgerlichen Leben samt neuer Identität, Auftragsmorde auszuführen. Nicht wissend, das ihr neuer Nachbar ein von der eigenen Organisation abgestellter Spitzel zu ihrer Überwachung ist, verliebt sie sich in den unnachgiebig um sie werbenden Herren, wird allerdings von ihrer Vergangenheit bei einem Auftrag während der eigenen Hochzeit eingeholt. Alte, vergessen geglaubte Gefühle schwappen in ihr hoch und es entbrennt ein Konflikt um Leben und Tod.
So unglaublich und technisch einwandfrei The Villainess in den Actionszenen ist, ein gutes Gleichgewicht zwischen leisen und lautstark krachigen Momenten findet er wenig. Die Konzentration auf Sook-hees Leben außerhalb der Organisation, das langsame Anbandeln mit ihrem hartnäckigen Verehrer, das sich zurechtfinden in dem neuen Leben bis ihr alter, innewohnender Rachegeist erneut erwacht: es treibt auf einer narrativen Oberfläche ohne komplett eine emotionale Ebene erschaffen zu können. Die ausgesparten, wenig erklärten Hintergründe über die Organisation, die sich der Frau, mehr ihres Lebens, annimmt, über das alte Leben Sook-hees, ist hinderlich für die Entwicklung der Story. Richtig kann dies den Zuschauer nicht packen. Die melodramatischen Einschläge, wie sie viele Actionfilme aus Korea besitzen, können sich nur bedingt entfalten. Der ihnen eingeräumte Platz wird mit guten Leistungen im Schauspiel, einigen stimmigen Momenten und hübschen Bildern ausgefüllt; dahinter verbirgt sich leider ein dünnes, brüchiges Geäst emotionaler Zwangsmomente, die sich nicht auf den Zuschauer übertragen können.
Bedauernswert, ist The Villainess in seinen besten Momenten tatsächlich ein einnehmendes, modern ausgestaltetes Actionspektakel, dass sich grob an furios choreographierter Action wie in Atomic Blonde (hier besprochen) oder dem traditionellen Heroic Bloodshed-Film des Hong Kong-Kinos orientiert. Ganz selten dringt auch die Tragik in einigen Momenten dorthin, wohin die Geschichte von Beginn an zielt. Dann hetzt man wie Sook-hee der herbeigesehnten Erlösung entgegen; ein vollständiges Aufgehen in der Geschichte, dem Versinken darin bzw. auf Seiten der Protagonistin den andauernden Durst der blutig gewünschten Rache stillend. Doch dann ist jede Träne und jeder Tropfen Blut vergossen, die Credits rollen ihren Weg über den Bildschirm und The Vilainess lässt einen verloren zurück. Irgendwas fehlte da zum kompletten Filmglück. Es beginnt so wie es endet; im Film wie vor dem Bildschirm: das vermeintliche Ende ist der Beginn einer Geschichte, die ob all' ihrer Tragik, all' der unvermeidbaren Gewalt nach mehr dürsten lässt. Weil man den aufblitzenden Geist, die Seele einer melodramatischen Geschichte aufblitzen sieht, der leider allzu schnell verblasst. Im Vergleich mit manchen Actionblockbustern aus der Traumfabrik besitzt der Film immer noch mehr als diese.
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