Pascal Laugier hat ein Problem. Ob bewusst oder unbewusst, misst man seine neuesten Werke bis zu einem gewissen Punkt immer an seinem Opus Magnus Martyrs. Mit The Tall Man (hier besprochen) schien er bewusst einen anderen Weg einzuschlagen und gab dort leichte Töne von sich. Mit seinem neuesten Film bringt er den Terror zurück in sein Schaffen. In Ghostland konfrontiert der Franzose die alleinerziehende Mutter Pauline und deren Töchter Vera und Beth nach ihrer Ankunft im neuen Heim, dem Haus von Paulines verstorbener Tante, mit den Insassen eines schäbigen Eistrucks. Kaum dort angekommen, leuchten die Scheinwerfer des Trucks fahl und bedrohlich aus der Dunkelheit. Seine Insassen, ein hagerer Transsexueller und sein breitkreuziger, geistig zurückgebliebener Partner, brechen unbemerkt in das alte Haus ein und überwältigen die drei Frauen. Es folgt eine Nacht voller Terror und Folter. Wie von Laugier fast gewohnt, folgt ein harter Schnitt und ein Sprung in eine andere Zeit. Beth, seit ihrem Teenageralter eine glühende Verehrerin von H. P. Lovecraft, hat es von der unsicheren, schüchternen Jugendlichen, die für sich selbst Kurzgeschichten verfasste, zu einer erfolgreichen Horrorromanautorin geschafft.
Zuerst wird Beth von Alpträumen über die damalige Schreckensnacht geplagt, bevor sie ein verstörender Anruf ihrer Schwester Vera erreicht. Die alarmierte junge Frau lässt den Gatten und ihren Sohn zurück und reißt zu ihrer Familie, die immer noch im gleichen Haus lebt. Kaum dort angekommen haben Beth und ihre Mutter große Probleme, die vollkommen traumatisierte Vera, die zurückgezogen im Keller des Hauses lebt, unter Kontrolle zu halten. Ihre Panikattacken werden länger und schlimmer und bald steigt bei Beth der Verdacht, dass etwas aus der damaligen Nacht in irgendeiner Weise wiederkehrt. Schnörkellos, ohne große Umschweife und auf maximale Durchschlagkraft bedacht, baut Laugier Ghostland auf. Zügig führt er seine drei Hauptpersonen ein um genau so schnell die Konfrontation mit den Antagonisten zu erwirken. Nahezu brachial explodiert die über die Protagonisten hereinbrechende Gewalt. Schnelle Schnitte, extreme Nahaufnahmen. Man wird förmlich in diese Horrornacht mit hineingerissen. Die gewollte Wirkung erzielt Laugier so plötzlich, wie das psychopathische Pärchen auftaucht, um dann einfach die Stimmung herumzureißen.
Pascal Laugier hat ein weiteres Problem. Ihm gehen die Ideen aus. Es fehlt dem Franzosen an Inspiration. Der zeitliche Sprung bringt als erstes einen Starken Bruch in der Atmosphäre; als zweites entpuppt sich der Handlungsbogen um die traumatisierte Vera als unentschlossenes Pendeln zwischen verkappten Besessenheitshorror und Psychothriller. Die vom Regisseur ausgelegte Fährte, ob das im Haus erlebte nun Einbildung ist oder nicht, sein hinarbeiten auf die eintretende Wendung und diese selbst ist - nicht nur für geübte Genrefreunde - leider sehr offensichtlich ausgelegt. Es nimmt Ghostland einen Großteil seiner Spannung. Einzig die von Laugier angestimmte Tortour de Force kann das Abgleiten in die Mittelmäßigkeit aufhalten. Nach besagter Wendung macht Laugier das einzig richtige und widmet sich dem Kampf seiner weiblichen Protagonisten gegen ihre Peiniger. Terror kann der Franzose, auch wenn sich dieser in Ghostland abgenutzt anfühlt. Vieles kennt man aus ähnlich gelagerten Home Invasion-Filmen. Es ist routiniert umgesetzt, aber auch altbekannt. Einzig das Tempo des Films und das düstere, dreckige Haus, von oben bis unten mit beängstigend leblosen Puppen vollgestopft, halten bei der Stange. Würde Laugier nicht wie ein wütender Berserker mit tosendem Schritt durch die Geschichte donnern, wäre Ghostland viel enttäuschender.
Langsam aber sicher sollte der Mann sich von seinen bevorzugten Themen lösen. Laugiers Werke sind ein Kino verdrängter Traumata, welches bevölkert ist von Frauenfiguren, die einen gewaltsamen und beschwerlichen Weg auf sich nehmen müssen. Meist erscheinen sie so gebrochen wie die Gesicht auf dem Kinoplakat von Ghostland. Aber alles, was er in seinem eng gesteckten Themengebiet aufgreift, brachte er bereits mit Martyrs auf den Punkt. Ob The Tall Man oder Ghostland: es sind Variationen seiner Grundthematik. Sujet, Erzählweise, Anreicherung mit anderen Stoffen mögen sich ändern, im Kern bleiben die Geschichten des Franzosen gleich. Jetzt gilt es nach diesem Film aufzupassen, sich nicht ständig zu wiederholen und auf diesem Grundrezept auszuruhen, bevor Laugier plötzlich zu einem Künstler wird, der gefühlt seit vielen Jahren das ein und selbe bringt, nur immer etwas anders verpackt. Das er die Formeln des Terrorkinos beherrscht, zeigt er. Ghostland ist für die Figuren des Films selbst wie auch den Zuschauer eine physische Erfahrung. Was er mit fehlenden Variationen und der missglückten Wendung verpasst, schafft er mit einer Geschwindigkeit, die zusammen mit der kompromisslosen Gewalt schier überrollt. Es fehlt nur an neuen Sichtweisen und Perspektiven, um sich aus der Hölle der Wiederholungen raus zu holen.
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