Ach Menschheit, du großes Stück Scheiße. Außerirdische landen auf dem von dir als Besitz angesehenen Heimatplaneten und du hast nichts besseres zu tun, als dich von deiner schlechtesten Seite zu zeigen. Die zwölf monolithisch in den Himmel aufragenden Gebilde der extraterrestrischen Besucher werden flugs vom Militär abgeriegelt, gesichert; besser noch: umzingelt. Verständlich ist die Unsicherheit. Gleichzeitig schwillt die Sorge über einen Militärschlag, weil irgendwem der Finger locker sitzt. Anders als die Amerikaner sind andere Nationen weniger bedacht und um Dialog bemüht. Russland. China. Die wenigen, hart erarbeiteten Fortschritte in der Kommunikation mit den Besuchern und die voranschreitende Zeit lassen die Nationen nervös werden. Provokativ soll es sein, dass die Außerirdischen sich nicht regen und in den wenigen Informationen, die bisher gesammelt wurden, nicht deren Absicht herauslesbar ist. Ultimaten werden gesetzt und irgendwann steigen die zuvor bemüht zusammenarbeitenden Nationen aus dem geknüpften Bündnis aus.
Nur die Kriegstreiber No. 1, die USA, bemühen sich im Austausch mit den Fremden. Die Linguistin Louise Banks und der Mathematiker Ian Donnelly werden unter Leitung des Colonel Weber damit beauftragt, einen Austausch mit den Außerirdischen zu finden. Das Paar erarbeitet sich mit Mühen kleine Erfolge im Dialog mit den Aliens, deren Absichten ihres Besuchs herauszufinden. Gängige Verfahren um eine Kommunikation herzustellen scheitern dort wie an den anderen elf Landeplätzen, während Louise mit Ian versucht, die archaisch anmutenden Schriftsymbole der Aliens zu deuten und gleichzeitig dem Druck des Colonels standzuhalten, die Unterhaltungen mit den gigantischen, siebenbeinigen Wesen in die gewünschte Richtung zu lenken. Verwaschene, dunkle, elegische Bilder erzählen von einem Arrival mit bis weit zum Ende hin zuerst ungewissen Ausgang. Denis Villeneuves Science-Fiction-Drama ist ein unaufgeregter Film, dessen in Tristesse versinkende Bildsprache den in der Geschichte innewohnenden Schwermut visuell gekonnt unterstützt.
Es ist eine kurze Geschichte der Zeit und wie sie von uns Menschen, abhängig von Situationen, erlebt und gefühlt wird. Die Außerirdischen nehmen Zeit anders wahr als wir und sie wird für Louise und ihren Forschungspartner zum Schlüssel, die fremde Sprache und die Absichten zu knacken. Weit entfernt von CGI-geschwängerter Blockbuster-Action besitzt Arrival den Spirit der von mir geliebten, spröden Science-Fiction der 70er mit seinen mitunter zäh wirkenden Filmmeditationen wie Lautlos im Weltraum, George Lucas' Debüt THX 1138 oder Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All. Das Storytelling und die Phantastik sind fest in einem realistischen Grundton verankert; die fiktiven Elemente ordnen sich dem Sinn der Geschichte unter und unterlassen den Versuch, mit Effekten oder als Fremdkörper wirkende, sinnlose Actionszenen in dieser zu platzieren. Das langsame vorankommen der Forscher nimmt der Zuschauer so mühsam wie diese wahr; das Drehbuch und Denis Villeneuves sichere Regie benutzen das Thema des Films geschickt und lassen die drei genutzten Zeitebenen so undurchsichtig erscheinen wie es zuerst der Grund des Besuchs der Aliens ist.
Aufgelöst bleibt der große Big Bang für den Zuschauer aus, da hier das Lüften des Schleiers umständlich betrieben wird. Der sachte Mindfuck bleibt bestehen, nur über die vom Film gestellte Frage denkt man erst später, im Nachgang nach, wenn man sich aus dem Griff der Stimmung des Films gelöst hat. Zwischen anstehendem, farblichem Weltuntergang, aus der Vorgeschichte der von Amy Adams wunderbar gespielten Louis kommendem Schwermut und besorgter Unsicherheit über die Zukunft nach der titelgebenden Ankunft schwankt diese und schafft eine dichte Atmosphäre. Die Darstellung über den First Contact und die von Louise durchgeführten Methoden zur Schaffung einer beidseitig funktionierenden Kommunikation wurde im Vorfeld detailliert für den Film recherchiert. Das Script und Villeneuves Umgang bei dessen Umsetzung schaffen glaubhafte Science-Fiction. Die Story wirkt augenscheinlich phantastisch, weit weg und gleichzeitig nachvollziehbar, dass eine Zukunft mit einer unglaublich wirkenden Landung von Außerirdischen auf der Erde vorstellbar wäre.
Vorstellung und Zukunft ist das zentrale Thema von Arrival. Die uns vielleicht quälende Ungewissheit über die Zukunft führt zur Frage, was jeder Einzelne von uns machen würde, wenn diese ihm Bekannt wäre. Offengelegtes Schicksal, mit allen positiven wie negativen Seiten des Lebens. Wären Emotionen wie Angst oder Unsicherheit weiterhin vorhanden oder kann man sich als Mensch davon lösen und die vor einem liegenden Jahre bewusster, selbst bis in die schmerzlichen Augenblicke, erleben? Leider konzentriert sich das Script auf die zentrale Figur von Louis, was andere Charaktere schemenhaft bleiben lassen. Den verfolgten Gedankengang bettet Autor Eric Heisserer in eine gut ausgearbeitete Geschichte, aus der Denis Villeneuve einen cleveren Film geschaffen hat, der - jedenfalls im Moment - in seiner einseitigen Konzentration auf eine Figur (noch) kein Meilenstein des Genres ist, aber locker in diese Liga aufsteigen könnte. Würde man Arrival so bei einer zweiten Sichtung nochmal genau so wahrnehmen wie beim ersten Mal oder bewusster auf andere, in der Geschichte tiefer verborgene Bestandteile achten? David Ehrlich lag mit seiner Theorie, dass es sich hier um einen Film über das zweite, mehrmalige Sehen eines Films handelt, gar nicht mal so verkehrt, wie mir scheint. Die Vielschichtigkeit des Stoffs beschert jetzt schon Freude auf eine zweite Begegnung mit diesem unheimlich guten Film.
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