Im Jahr 1982 wurde das erste Blut vergossen, als Sylvester Stallone die Filmbühne als vom Vietnamtrauma geplagten Veteranen John Rambo betrat. Über die Jahrzehnte hinweg baute Stallone neben seinem Boxer Rocky Balboa eine zweite, für sein eigenes filmischen Vermächtnis sowie für das Actionkino der 80er Jahre ikonische Figur auf. Als diese ersten Blutstropfen aus dem ständig im Kampfmodus befindlichen, ruhelosen Ex-Soldaten flossen und er im ländlichen Amerika dank eines erzkonservativen Sheriffs erst zum Gejagten und dann zum in die Ecke gedrängten Opfer und Jäger wurde, wurde gleichzeitig das amerikanische Actionkino defloriert. Ist First Blood ein schauspielerisch manchmal bemühtes, deprimiert gehaltenes Vietnam-Drama, dass mehr und mehr zum Action-Thriller wird, wandelte sich die Reihe mit ihren drei Sequels zu Filmen, die in ihrer reaktionären Totalität nur von den ekelhaft vor Konservativität triefenden Cannon-Produktionen mit Chuck Norris übertroffen wurden.
Die Kritik am zweiten Teil bezüglich seiner Haltung gegen über der Vietnamesen, seinem Rassismus: es ist nachvollziehbar. Als reiner Action-Film bumste er mit seinem Breitwand-Feuersturm den Zuschauer in dessen (Kino-)Sessel und das Genre in eine neue Dimension. Selten sah sowas bis dahin und selbst bis heute so gut gefilmt aus wie hier. Nach der vielen Schelte über die erste Fortsetzung, packte Stallone mit dem UdSSR-Einzug in Afghanistan ein (zur Produktionszeit) heißes Eisen an, dass beim Kinostart längst wieder abgekühlt war und schaffte es mit dem philantropischen Ton von Rambo 3 sogar, bei aller Mittelmäßigkeit des Films, dass man diesem in West-Deutschland das Prädikat "besonders wertvoll" verlieh. Lange Zeit durfte die Figur im Ruhestand verweilen, bis Stallone nochmal Blut leckte und dieses im vierten Aufguss, schlicht John Rambo benannt, eimerweise über seine Feinde und das Publikum kübelte. Das vom Action-Altstar gewollte Abbild des realen Kriegsschreckens verquickt dabei Mechanismen des Splatter-Kinos mit Old School-Action.
Elf Jahre gingen ins Land bis nun - laut Titel wohl final - das letzte Blut von John Rambo vergossen wird. Last Blood will wieder einmal die - gemessen an Teil 2 und 4 - gesteckte Messlatte an krachiger Action der guten alten Zeit ein Stück weiter nach oben setzen. Das blutige Superlativ bricht als ausgedehnte Zelebrierung stumpfer Action im Finale für gut zwanzig Minuten über den Zuschauer herein und bietet Explosionen und viele blutig zerfetzte und vom kalten Stahl der von Rambo teils selbst geschmiedeten Messer penetrierte Leiber. Zwischen kaltschnäuziger Gnadenlosigkeit und heißblütiger Körperlichkeit wird ein abschließendes Feuerwerk an Actionszenen abgebrannt, auf das kein weiterer Teil folgen sollte und muss. In den elf Jahren seit Rambos letztem Auftauchen haben sich die Zeiten auf der Leinwand und der Weltkarte verändert. Mittlerweile ist das, was Stallone mit seinem Regisseur Adrian Grünberg bietet, Kino für alte, weiße, heterosexuelle Actionfans. Ein Hauch Trump weht scheinbar in der Geschichte, wenn der nach Rache sinnende, weiters ruhelose Veteran John Rambo mit seinem Pick-Up nach Mexiko brettert, um seine Nichte aus den Fängern von Mädchenhändlern zu befreien.
Beinahe erwartet man, dass Stallone nicht nur Messer und Wumme, sondern auch Backsteine, Kelle und Mörtel einpackt, um noch schnell an der Grenze eigenhändig eine Mauer hochzuziehen. Bis der Film seinen Climax erreicht, versucht man sich krampfig daran, eine Geschichte zu erzählen, die dünn davon handelt, dass Rambo nach all den Jahren weiter geplagt ist vom Trauma, wie viele seiner damaligen Genossen mit den schrecklichen Eindrücken allein gelassen; sich mit den Umständen der gegenwärtigen Zeit arrangierend, schläft er nicht im Haus seiner Ranch im tiefsten Texas, sondern in den von ihm auf dem Gelände eigens gegrabenen Tunneln. Rambo kann sie alle zerficken; nur das traumatische Kriegsschicksal hat diesen gebrochenen Mann schon längst komplett gefickt. Aus dem erkalteten und versteiften Botox heraus blickt Stallone mühsam gebrochen in seine Hände, in die Wüste, in die Kamera. Wenn seine Nichte Gabrielle durch die Hilfe einer Freundin den lange abstinenten Vater ausmacht, ihn zur Rede stellen will, aufsucht und dabei in die Fänge kaltblütiger Zuhälter und Mädchenhändler gerät, was unwiderruflich in einen letzten, finalen Schlag des Schicksals gegen John Rambo mündet, quält der Plot mit Umständlichkeit und aufgesetzten Dialogen.
Das letzte Aufbäumen seiner Figur und von Stallone selbst, der diese im Abspann mit einem Zusammenschnitt von Szenen aus den bisherigen und dem neuesten Werk der Reihe würdigt, ist mühselig und traurig anzuschauen. Der kalte, digitale Look des Films bettet ihn in ein hässliches, trübseliges Kleid, dass so billig wirkt, dass man Angst bekommt, dass aus einer dunklen Ecke im nächtlichen Mexiko ein beleibter Steven Seagal um die Ecke biegt und wie der Confused Travolta dreinschaut, weil er meint, es würde gerade sein eigener, neuester C-Actioner gedreht werden. Last Blood ist in vielen Dingen hässlich: in der Umsetzung seines Plots, der mehr als nur zweckdienlich auf die finale Konfrontation hinarbeitet und nicht einmal Spannung aufkommen lässt; in der Darstellung der rohen Gewalt, die einige herbe Szenen bietet, die mit ebenfalls hässlichen wie manchmal sehr mauen, digitalen F/X hergestellt wurden; und in seiner Zelebrierung der Genre-ikonischen, mittlerweile überholten Figur des John Rambo. Die alten Actionhelden sind tot. Sie haben sich selbst überlebt und sind verblassende Bilder einer alten Zeit.
Stallones Bemühen, gegenwärtige Strömungen mit dem Ton einiger Filme der "guten, alten Zeit" zu vermengen ist gescheitert wie seine Figur, sich in der Post-Vietnam-Welt zurechtzufinden. Sein einsames Zurückbleiben im Schaukelstuhl lässt am Ende auf ein leises Beenden der Reihe vermuten. Wenige Minuten später reitet John auf seinem Pferd den Bergen entgegen und man hofft, dass er dort seinen Frieden findet und nicht mehr vom Berg heruntersteigt. Rassistische Stereotypen, die die Antagonisten so unsympathisch wie nur möglich erscheinen lassen, gute amerikanische Bürger die unter schweren seelischen Lasten für die aufrecht zu erhaltenden Werte ihrer Nation einstehen und ein Rollenbild, bei dem einige Vertreter leichte Verätzungen im Gefühlsleben durch deren toxischen Maskulinität davonzutragen schienen, sind lange nicht mehr zeitgemäß. So ernst, wie Stallone seine dünne Geschichte nimmt, muss jeder Versuch, sowas wie Actionfilme aus den 80ern und frühen 90ern ironisch oder mit neutralem, distanziertem Blick zu schauen, scheitern. Seine Version eines altmodisch gefärbten, in den Strömungen des gegenwärtigen Genres paddelnden Films geht größtenteils baden und lässt einzig mit dem antrocknenden Blut des Zwanzig-Minuten-Geschnetzels verwundert bis halbwegs beeindruckt durch diese knallharte Kompromisslosigkeit zurück. Wollen wir hoffen, dass Last Blood tatsächlich das letzte Auftreten von John Rambo war.
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