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Mittwoch, 18. August 2021

Lord of Illusions

Zauberer bzw. Illusionisten und Filmemacher kann man gleichermaßen als Magier bezeichnen. Mittels Tricks und Technik führen sie ihr Publikum in eine von ihnen erdachte Version der Realität, in der Dinge möglich sind, die sich weit weg von unserer allgemeine Wahrnehmung der Dinge und aller Rationalität positionieren. In seiner bisher letzten Regie-Arbeit Lord of Illusions spielt Clive Barker mit der Frage, was wäre, wenn nicht diese Tricktechnik sondern ganz unbemerkt echte Magie benutzt wird, um die Menschen zu unterhalten. Alles, was auf der Bühne oder Leinwand geschieht, und gleichzeitig erklärt und damit nachvollzogen werden kann, ist für den Zuschauer der unsichtbare Anker, der ihn in unserer Realität hält und gleichzeitig die stattfindende Illusion in dem Bewusstsein wirklich werden lässt, dass es sich nur um einen Trick handelt. Die größeren Talente lassen uns während des Erlebens dies vielleicht fast gänzlich vergessen oder die Kenntnis darum tief in unser Unterbewusstsein verschieben.

In Lord of Illusions beschwört Barker zunächst die Magie des alten Hollywoods und baut seinen Film als einen Film Noir auf, in dem Detektiv Harry D'Amour aus seinem verlotterten Büro in New York auf die andere Seite der USA reist, um in Los Angeles einen Versicherungsbetrug aufzuklären. Kaum angekommen, wird er in einen bizarren Mord verwickelt und trifft dabei auf Dorothea Swann, der Frau des berühmten Illusionisten Philip Swann. Sie bittet ihn darum, für ihren Mann eine Art Leibwächter zu sein. Als dieser während einer Show bei einem gefährlichen Trick auf der Bühne stirbt, stößt Harry bei seinen Ermittlungen auf Hinweise, dass Philip ein echter Magier war und auf Vorfälle um den größenwahnsinnigen Sektenführer Nix, dem vor 13 Jahren von einigen abtrünnigen Jüngern, darunter der junge Philip, das finstere Handwerk gelegt wurde. Leider verdichten sich die Anzeichen, dass einige von Nix' Anhängern versuchen, den lebendig begrabenen Magier wieder zum Leben zu erwecken.

Mit der hierfür passenden Doppelbödigkeit der schwarzen Serie Hollywoods als Aufbau widmet sich Barker einem seiner liebsten Motive, die sich auch in seinen beiden anderen Film-Arbeiten Hellraiser und Cabal - Die Brut der Nacht wiederfinden. Welten, die neben der uns bekannten zunächst völlig unbemerkt existieren. Nichts scheint wie es ist. Die Detektiv-Geschichte geht eine Symbiose mit Barkers Vision von Horror ein, der ein deutungsreicher ist und christliche und sexuelle Anspielungen bietet. Nix und seine Anhängerschaft erscheinen fast als pervertierte Version von Jesu und seinen Jüngern, Albtraum-Versionen von Engeln erscheinen auf der Bildfläche, Schwerter erscheinen als Version des Kreuz Christi und immer wieder werden Körper von diesen oder anderen länglichen, phallischen Gegenständen penetriert. Barker packt viel Symbolik in seinen Film, der auf einer Kurzgeschichte von diesem ("Die letzte Illusion") basiert.

Im Gegensatz zu Hellraiser, seinen Cabal habe ich bisher leider noch nicht gesehen, lässt sich der hier vorhandene Symbolismus im Zusammenhang mit der Geschichte schwerer dechiffrieren. Barker muss sich sogar die Frage gefallen lassen, ob das überhaupt gewünscht bzw. möglich ist. Lord of Illusions ist auf dieser Seite schwerer greifbar und bietet eine atmosphärisch schön aufgebaute Horror Noir-Story, die narrativ konservativ aufgebaut ist und sich den Genre-Konventionen des Entstehungsjahrzehnts unterordnet. Es stimmt vieles am Film: das Set Design ist detailreich, schmutzig und düster. Der Cast ist sehr gut ausgewählt, bietet keine wirklichen Ausfälle und mit Famke Janssen eine verführerisch schöne Femme Fatale. Der Soundtrack ist stimmig und die Special Effects bis auf einige Computer-Effekte ansehnlich. Leider ist der Film auf einer gewissen Ebene nicht (be)greifbar für den Zuschauer und mäandert in seiner geschaffenen Welt seinem Ziel entgegen.

Mein Wiedersehen mit Lord of Illusions fiel ernüchternder aus. Ein Stück weit kann ich es verstehen, warum der sehr weit vom Prädikat schlecht entfernte Film von einigen als schwächste Arbeit von Clive Barker angesehen wird. Er räumt der Detektivgeschichte viel Platz ein, und auch mit dem Wissen, dass das Studio dem Regisseur und Autoren häufig reinredete und versuchte, ihn zu beeinflussen, bleibt sein dritter Langfilm dem Thema geschuldet ironischerweise weniger zauberhaft. Es ist ein bodenständiger Horrorfilm, dessen Hintergründigkeiten verschlossen im Kopf seines Schöpfers verweilen und seiner magischen Kraft berauben. Es mag am mangelnden Erfolg des Films liegen oder vielleicht doch, dass die Visualität des Kinos den Literaten Barker in seinem Versuch, seine Geschichten und Visionen auf die Leinwand zu bringen, doch ein Stück weit begrenzen. Als Regisseur versuchte er sich bis dato nicht mehr und so bleibt Lord of Illusions ein sehenswerter, wenn auch nur auf der Oberfläche kratzender, erwachsener Horrorfilm, dessen Symbolik keine komplett funktionierende Gemeinschaft mit den Noir-Part der Geschichte eingehen kann. 

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