Die schwerfällige Version von 1977 (hier besprochen) versickerte langsam im Sand der weiten Filmwüste und es sollten knapp zwanzig Jahre vergehen, bis man H. G. Wells' Buch für eine erneute Adaption heranzog. Es kostete dem zuvor mit M.A.R.K.-13 - Hardware und Dust Devil positiv aufgefallenen Richard Stanley viel Überzeugungskraft, bis man ihm seine Version vom Treiben auf Moreaus Insel bewilligte. Der Südafrikaner steckte gut vier Jahre seiner Lebenszeit in seine Buchumsetzung. Drei oder vier Tage nach dem Dreh sollte die für Stanley bittere Erkenntnis folgen, dass er diese verschwendet hatte. Val Kilmer, Darsteller des Montgomery, intrigierte gegen den Regisseur, ließ seinem Größenwahnsinn freien Lauf und sorgte dafür, dass der Vater des Projekts gefeuert wurde. John Frankenheimer sprang ein und der Rest ist traurige Geschichte.
Die bisher letzte Verfilmung von "Die Insel des Dr. Moreau" ist weniger wegen ihrer Qualitäten, sondern mehr durch die chaotischen Verhältnisse am Set bekannt geworden. Die Produktion wurde für sechs goldene Himbeeren nominiert; davon staubte man letztendlich die Himbeere für Marlon Brando als schlechtester Nebendarsteller ab. Mit Lost Soul: The Doomed Jorney of Richard Stanley's The Island of Dr. Moreau widmete man den aus dem Ruder gelaufenen Dreharbeiten eine komplette Dokumentation. Alles, was man darin über den Film sieht oder in Publikationen oder im Internet liest, fühlt man DNA - Experiment des Wahnsinns in jeder Minute an. Ich teile gerne mal Seitenhiebe gegen die austauschbaren Untertitel aus, welche deutsche Verleihs den Filmen schenken, doch selten passte einer so gut wie zu diesem Werk.
In den ersten fünfzehn Minuten mag die gewählte Ausrichtung noch interessant wirken. Das Geschehen wurde in die Gegenwart geholt und aus Protagonist Edward Prendick wurde diesmal UN-Agent Edward Douglas, dessen Flugzeug auf dem Weg nach Jakarta über dem offenen Meer abgestürzt ist. Vom aufgekratzten ehemaligen Neurochirurgen Montgomery aus dem Rettungsboot gefischt, schippern die beide gen Moreaus Insel, auf der Douglas die Bekanntschaft von dessen verführerischen wie geheimnisvollen Tochter Aissa macht, bevor er nach kurzer Zeit, der Spur schrecklich qualvoller Schreie folgend, im hochtechnisierten Labor des Doktors steht und diesen dabei ertappt, wie er mittels Gentechnik aus Tieren seine Vision des perfekten Menschen erschaffen möchte. Als sich unter den von Moreau erschaffenen und auf dem Eiland lebenden Kreaturen Widerstand gegen ihren Schöpfer formt, der in Waffengewalt kulminiert, versucht Douglas sich verzweifelt von der Insel zu retten.
Groß ist auch die Verzweiflung des Zuschauers, der in dem konfusen Werk den Überblick zu wahren versucht. Am Stoff und den Vorstellungen seines Vorgängers gänzlich uninteressiert ließ Frankenheimer das Script während der Dreharbeiten häufiger nach seinem Dünkel umschreiben. Das übereilte Tempo der Exposition behält der Film bei und wirkt im späteren Verlauf wie ein Fiebertraum auf Aufputschmitteln. Zunächst schleicht sich der Wahnsinn auf leisen Sohlen in die Produktion, lässt die Extravaganzen, denen sich Brando und Kilmer hinter den Kulissen hingaben, erahnbar im Geschehen auf der Leinwand einfließen und kreiert groteske Szenen. Mit dem Aufstand der Tierwesen erblüht das Chaos im vollen Glanz und der Wahnsinn ergreift gänzlich den Besitz über den Film. Einzelne Szenen stehen mehr für sich allein, konkurrieren gegen die vergangenen und folgenden und Sorgen für kurze, nicht unbedingt gelungene, aber interessant konzipierte Momente. Montgomerys wahnwitzige Selbstinszenierung und Monolog während eines Rituals der moreau'schen Kreationen sei hier als Beispiel genannt, die sinnbildlich für den kompletten Schmu während des Drehs stehen kann und in ihrer Eigendynamik eine Meta-Ebene aufbaut, die von den über die "Interimsliebenden" singenden Einstürzenden Neubauten untermalt wird.
Ob nun die Prämisse des Films, die Gefallen an Gewalt, Blut und Macht findenden Humanimals erst damit als vollständig menschlich anzusehen und im gleichen Atemzug die Gier des Menschen nach diesen Dingen als niederen Instinkt, bestialisch, darzustellen auf Stanleys Vorstellungen zurückgehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Es schenkt dem Stoff einen durchaus interessanten Denkansatz, der in Anbetracht der äußeren Umstände weder vertieft noch zufriedenstellend ausgearbeitet wird. Diese Umstände sind es auch, die unweigerlich für immer mit dem Film verknüpft sein werden und der nur deswegen weiterhin im Bewusstsein der Filmlandschaft existiert. Sie sind interessanter als der eigentliche Film und erzeugen im Zuschauer bestenfalls die Lust daran, dem wortwörtlichen Experiment des Wahnsinns beim Scheitern zuzuschauen. Ohne die Begleitumständen der Produktion wäre DNA größtenteils aus dem filmischen Bewusstsein radiert oder wenigstens eine weitere (leider) gescheiterte Umsetzung des Romans. Man muss immer noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Dieser filmische Stern implodiert kurz nach seiner Geburt zu einer Supernova von unglaublichem Ausmaß, bei dem man sich Tage später noch fragt, ob das Endergebnis großer Quatsch oder gelinde gesagt großartige Scheiße ist.
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