Eine Vereinfachung ist der neueste Eintrag in der unendlich erscheinenden Geschichte um Leatherface, simpel Texas Chainsaw Massacre getauft, nicht. Eine Woche nach Drehbeginn verließ das Regie-Duo Andy und Ryan Tohill das Projekt und wurde von David Blue Garcia ersetzt. Dieser verwarf das bisher gedrehte Material und fing von vorne an. Nach desolaten Testscreenings sah man von einem geplanten Kinoeinsatz ab und der Film landete letztendlich bei Netflix, die den Film mit seinem prestigeträchtigen Namen gerne in ihr Portfolio aufnahmen. Wäre das alleine nicht schon von bitterer Ironie erfüllt, bekleckert sich der zweite Versuch, einen sauberen Schnitt hinzulegen, nicht mit Ruhm. Zwar darf die Kettensäge wieder Gliedmaßen zersägen, Leiber durchtrennen und ihr Besitzer seine rohe Gewalt fünfzig Jahre nach den Morden nahe der texanischen Kleinstadt Harlow aufleben lassen, nur legt der Film eine Haltung an den Tag, die so old-school wie sein Blutgehalt ist.
In der nun zur Geisterstadt verkommenen Ortschaft fällt der woke Influencer-Nachwuchs - allen voran Dante und seine Partnerin Melody - ein, die mit ihren Visionen aus dem Nest das next hip thing machen wollen. In Harlow angekommen stellt der von einem hippen Restaurant träumende Dante mit seiner Entourage fest, dass das für ihr Projekt ausgesuchte Gebäude, ein altes Waisenhaus, noch bewohnt ist. Beim unschönen Aufeinandertreffen mit der gebrechlichen, bisherigen Besitzerin und Leiterin beschert die Aufregung und die schroffe wie spontane Zwangsräumung durch die örtliche Polizei dieser auf dem Weg zur Polizeistation einen Herzinfarkt. Ihr hünenhafter wie schweigsamer Begleiter lässt seine Wut kurz nach dem Ableben der alten Frau direkt an den beiden Beamten aus. Mit frisch abgezogenem Gesicht auf der entstellten Fratze und der aus ihrem Versteck hervorgeholten Kettensäge entpuppt sich der Koloss als Leatherface, der getreu dem Motto "The saw is the law!" der Gruppe um Dante und deren potenziellen Investoren, die per Bus nach Harlow reisen, ihrer gerechten Strafe zuführen will.
Um eine seriös bedrohliche und schmutzige Darbietung bemüht, gleitet der geschaffene Dreck von den oberflächlichen Bildern der 2022er Auflage des Blutgerichts in Texas weitgehend ab. Den Spirit des Originals reproduziert man nicht mit dem Härtegrad der zuletzt produzierten Filme in Verbindung mit durchstilisierten Bildern, deren Ausleuchtung und Einstellungen in einzelnen Momenten nett sind und erst recht nicht mit einer konservativen Haltung, die auch einem großen Teil des Horrorfandoms innewohnt. Es wird eine Rückständigkeit zelebriert, die in gelungeneren Momenten eine auf alles pfeifende Attitüde nach außen trägt. Um zu Leben, muss Blut fließen. Damit der Film überhaupt lebt, muss das Kunstblut fließen. Literweise. Um zu überleben, muss sich die Säge wild röhrend und hysterisch durch junge Menschen hindurch bewegen, damit die morschen Lebensformeln weiter aufrecht gehalten werden können. Der Film ist keine Erneuerung eines in die Jahre gekommenen Franchise, sondern mehr ein weiterer Nagel in den Sarg, in dem dieses irgendwann begraben wird.
Die Blutorgie kann durch ihre konsequent durchgezogene und hochgehaltene Attitüde gefallen. In der einen Hand die Kettensäge, die andere schwingt den hoch erhobenen Mittelfinger. Was damals funktionierte, soll auch heute funktionieren. Parallel versucht Texas Chainsaw Massacre grob dem Konzept des 2018er-Halloween zu folgen und dieses zu demontieren. Während in letzterem eine gealterte Laurie Strode Jagd auf ihre Nemesis macht, erscheint hier Sally Hardesty, die Überlebende aus dem Originalfilm. Während Laurie eine gute Figur im Duell mit Michael Myers macht, meint es das Schicksal mit Sally nicht sonderlich gut. Die Wut von Leatherface ist ungestüm, groß und zu mächtig für sie und eine Vielzahl anderer Menschen. Hier ist dieser nicht einfach nur der stille und ikonische Horror-Schlächter sondern ein Werkzeug für bedenkliche Meinungshaltung. Gleichermaßen spricht das Dargebotene eine "Früher war alles besser"-Klientel an, die im schlimmsten Falle schwere Lungenkrankheiten verharmlost und sich nicht von angeblichen, nichtexistenten Diktaturen unterdrücken lassen will.
Was der (Gore-)Bauer nicht versteht, wird niedergemetzelt. Unangenehmer Höhepunkt ist die Szene im Bus, in der Leatherface auf den Satz "Try anything and you're cancelled, bro!" die anscheinend einzig legitime Antwort auf die Cancel Culture hat und seine Kettensäge in den armen Tropf rammt, bevor das ganze Massaker seinen Lauf nimmt. Das politisch korrekt verstrahlte Jungvolk wird Opfer des alten weißen Ledergesichts. In Angst und Panik planlos verfallen trommeln sie mit ihren Händen gegen die Scheiben des Bus und wirken so "hilflos", wie sich konservative oder rechtsaußen heimisch fühlende Individuen die woken "Schreckgespenter" wohl vorstellen. Würde Cannon Films noch existieren: man wäre stolz auf das, was der Film als Haltung herausarbeitet. Aber howdy: so ist's eben in Texas und eigentlich schwingt da noch Gentrifizierungskritik mit, was theoretisch ein löblicher Gedanke, praktisch jedoch merklich aufgesetzt ist. Die vorherrschend reaktionäre Tonalität in Texas Chainsaw Massacre dominiert, wodurch das grimmige Effektmassaker als kurzweilige Sinnbefriedigung einen faulen Nachgeschmack behält. Besser man hätte sich bzw. den Film vor Veröffentlichung selbst gecancelt. Es bleibt zu hoffen, dass das in den Credits gezeigte Homecoming von Leatherface nicht der dünne Strohhalm ist, an dem sich die Schöpfer festhalten, um daran einen weiteren Teil hervorzuziehen. Besser ist es, wenn man diesmal wirklich einen sauberen und endgültigen Schnitt macht.
Ach ich weiß nicht... Grundsätzlich ist das ein super Einfall und ich mag die modernen, Starbesetzten Horrorfilme echt gerne. Wenn ich allerdings schon wieder lese, dass Charaktere dadurch beschrieben werden, dass sie woke-Influencer sind, dann weiß ich schon, dass das nur polarisieren soll. Solche gezwungenen Charaktereigenschaften sind für mich persönlich echt hinderlich für das Entertainment
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