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Samstag, 8. April 2023

[Rotten Potatoes #07] Hinter den Augen die Dämmerung

Der filmische Retro-Trend scheint abgeebbt zu sein; die Implikation des 80s-Look-and-Feel in modernen Produktionen nahm in der letzten Zeit deutlich ab und darf nun wahrscheinlich selig vor sich hinschlummern, bis irgendwas das nächste Revival ausgelöst wird oder ambitionierte Filmemacherinnen und -macher sich der Charakteristika von Produktionen aus dem Jahrzehnt bedienen. Komplett von der Bildfläche wird die Prämisse, einen Film so wirken zu lassen, als stamme er aus einem vergangenen Jahrzehnt, nie verschwinden. Eventuell stehen nach Ti Wests überraschend gutem X bald die dreckigen Exploitation-Werke aus den 70ern im Trend. Ebenfalls deutlich in den 70ern sowie den ausgehenden 60ern verwurzelt ist Kevin Kopackas Hinter den Augen die Dämmerung, welcher mit seinem Werk mehr dem europäischen Genre-Kino der genannten Jahrzehnte huldigt. 

Wenn seine beiden Protagonisten, das Ehepaar Margot und Dieter, nach ihrer Fahrt zu einem frisch geerbten und halb verfallen Schloss dieses inspizieren und bald die Erkenntnis kommt, dass es um die Beziehung der beiden nicht gut bestellt ist und es im Schloss nicht mit rechten Dingen zugeht, erkennt man die Nähe des Films zu den vielen Genre-Werken vergangener Jahre, die ihren Platz zwischen Pulp und Arthouse suchten. Das wären beispielsweise die sehr eigenen und ungewöhnlichen Gialli der Scavolini-Brüder Sauro (Liebe und Tod im Garten der Götter) und Romano (Un bianco vestito per Marialé), generell später Gothic-Horror aus Europa, die Werke des Franzosen Jean Rollin und selbst den frühen Jess Franco mag man an einigen Stellen erkennen. Erfreulicherweise gestaltete Kopacka mit seiner Co-Autorin Lili Villányi den Film nicht bloß als hübsches, aber schnödes, voller Anspielungen überlaufendes Referenzwerk.

Eher spielen die beiden mit den Erwartungen des Publikums und stoßen mit dem ersten und größten Bruch innerhalb der Geschichte diesem schon fast vor den Kopf. Zwar übernimmt man erfreulicherweise die pro-feministische Haltung, wie man sie in einigen Gialli ausmachen kann und bietet starke, unabhängige Frauenfiguren, versucht sich jedoch dann mehr daran, die Sicht auf die weiblichen Protagonistinnen und ihre Emanzipierung gegenüber der negativ gezeichneten, männlichen Hauptfiguren zu legen und bemüht sich Eigenständigkeit. Das man gleichzeitig dabei versucht, bei einem thematischen Aspekt des Plots ein vielschichtiges Meta-Werk zu kreieren, mag konzeptionell nicht ganz aufgehen. Die Verweigerungshaltung des Films gegenüber den Publikums-Erwartungen könnte man schon fast als dessen Ausgrenzung auslegen, weil Kopacka anscheinend viel lieber für sich in seiner erschaffenen filmischen Welt sein und sich darin austoben möchte.

Die Verbindung zu seinen Zuschauern geht damit gegen Ende ein Stück weit verloren und der Film bleibt "nur" ein visuell und künstlerisch sehr hübsches Werk, welches zwar aufregend anders geartet, aber gleichzeitig sehr introvertiert ist. Kopacka verpasst es, sich dem Publikum insofern zu öffnen, als das alle Absichten von Hinter den Augen die Dämmerung komplett nachvollziehbar sind. Es bleiben nach dem Ende einige Fragezeichen zurück, die zwar zu mehr Sichtungen des Films einladen, allerdings auch den Eindruck erwecken, dass die geschaffene Filmkunst selbst jenem Teil des Publikums unzugänglich bleibt, welches sich gerne durch die verschiedenen Schichten eines Werks "durcharbeitet". Trotzdem lohnt es sich, den Film zu entdecken; vor allem, wenn man Freund von oben genannten Filmen bzw. Regisseuren ist und Spaß daran hat, wenn Filme weniger von ihrer Handlung sondern mehr von Stimmungen bestimmt werden. In diesem Punkt hat Kopacka nämlich alles richtig gemacht.

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