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Freitag, 29. September 2023

Spasmo

Wer beim Begriff Giallo seine Erwartungen auf als Phantome umherschleichende Meuchlerinnen und Meuchler, hübsche Frauen, eine extravagante Optik und abwegige oder seltsame Motive für die Morde beschränkt, dem wird von Filmen wie Spasmo vor den Kopf gestoßen. Der von Umberto Lenzi inszenierte Film dürfte Freunde traditioneller Werke aus dem Topf italienischer Thriller- und Krimi-Reißer sicher häufig auf dem falschen Fuß erwischen. Mord findet zwar ebenfalls statt, doch versteht sich der Film mehr als Paranoia-Film, welcher sich mehr für die Psychologie seiner Hauptfigur interessiert. Diese hört auf den Namen Christian, ist ein reicher Industriellensprössling und fällt gleich in den ersten Minuten seiner Freundin Xenia und dem Publikum dadurch auf, dass er eine Anekdote aus seiner Kindheit, die den Fund eines toten Hundes betrifft, seltsam stark betont. Gleich darauf finden sie eine vermeintlich Tote am Strand, die dann doch quicklebendig ist und sich als Barbara vorstellt. Kurz darauf treffen sich alle Personen auf einer Yacht wieder, zwischen Christian und Barbara funkt es und beide brennen miteinander durch. 

Die angedachte "sexy Time" beider Frischverliebten wird von einem Unbekannten durchkreuzt, der Christian im Bad des vom Pärchen gemieteten Motelzimmer angreift. Der Angreifer zieht gegen diesen den Kürzeren, bekommt eine Kugel in den Leib gejagt und damit fangen die seltsamen Ereignisse erst richtig an. Das Liebespaar flüchtet in den Wohnsitz einer verreisten Freundin Barbaras, trifft dort mit Malcolm und Clorinda auf zwei weitere Fremde, die sich dort angeblich eingemietet haben und der tote Gangster aus dem Motelbad ist verschwunden. Diese und die nachfolgenden, rätselhaften Ereignisse tragen nicht gerade dazu bei, dass sich der Geisteszustand des junges Mannes stabilisiert. Christian fühlt sich mehr und mehr verfolgt. Nichts ist, wie es scheint. Dieses die Hauptfigur beschleichende Gefühl gibt Lenzis 1974 entstandenes Werk auf eigentümliche, aber wirksame Weise an seine Zuschauerinnen und Zuschauer weiter. Ab der Flucht in das Anwesen von Barbaras Freundin löst sich Spasmo von uns bekannten, filmischen Rationalitäten.

Seltsam lautet ab da das einfache - und wirksame - Kredo des Films. Alles scheint und verhält sich eigenartig, die Stimmung wirkt entrückt. Er gleitet ins alptraumhafte und surreale, samt klischeehafter Symbolik in Form von, zuerst anscheinend grundlos, in die Landschaft drapierter Schaufensterpuppen. Verzichtet wird dabei auf atmosphärisch unterstützende Dunkelheit und Schatten. Spasmo ist ein heller Film - nur vereinzelt macht man bildsprachliche Einflüsse des Gothic Horrors aus - und konterkariert damit auf einer weiteren Ebene üblichen Genrekanon. Es fehlt schlicht an Fluchtpunkten und Aussparungen. Lenzi bezieht hiermit sein Publikum weit mit ein, lässt es Punkte der Hauptfigur beziehen, nur dass dieses sich von seinem Posten als Beobachter aus fragt, was es da überhaupt sieht und hört. Man könnte die im Film vorkommende Irrationalität als Schwäche ausmachen, gleichzeitig unterstreicht sie dessen Stimmung. Im guten, aber wenig überraschenden Finale - seinen Twist kann man trotz des in der Handlung implementierten Verwirrspiels vorausahnen - bewegt sich Spasmo etwas mehr in den Bahnen der Konvention, ohne einen zu großen Bruch in der Gesamtwirkung zu erzielen. Mehr fügt sich diese schlüssig in einen der besten Gialli Lenzis ein, der es hier versteht, die Schwächen des Films zeitgleich zu einer gewissen Art Stärke werden zu lassen.

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