Seien wir ehrlich: manchmal sind Trailer kleine Arschlöcher. Anders kann man das gar nicht ausdrücken. Je nachdem, wie geschickt die Vorschauen montiert sind, schüren sie Erwartungen, die vom fertigen Film nicht gehalten werden (können). Hauptsache er lockt genügend Menschen ins Kino. Immerhin ist der Trailer auch eine Anpreisung und nichts anderes als schnöde Werbung für ein Produkt. Wie in anderen Bereichen, möchten auch die Studios und Verleiher, dass sich genügend Leute in die Vorstellungen verirren. Bei manchen Trailern kann man nach dem Genuss des kompletten Films den Kopf schütteln. Weil er eben die Erwartungen so hochsteckte, dass das Endprodukt, manchmal auch leider, nur verlieren kann. Oder weil er suggeriert, dass das betreffende Werk etwas ist, was überhaupt nicht oder nur bedingt zutrifft. Die Trailer zu Guillermo del Toros Crimson Peak gehören zur letzten Kategorie.
Die darin noch omnipräsenten Geister sind in der Geschichte des Mexikaners lediglich nur Beiwerk. Die Enttäuschung der normalen Kinogänger, die durch den Trailer ein weiteres Jumpscare- und Gruselfeuerwerk, wie es im Horroreinheitsbrei der letzten Jahre zu hauf auftauchte, erwarteten, ist fast verständlich. Passiert hier für ein desensibilisiertes Publikum, welches sich den Kopf in Schockern mit Eventcharakter von krassen Sound- und Bildeffekten wegblasen möchte, herzlich wenig. Del Toro wandelt weniger auf den Pfaden eines Conjuring, der trotz aller schön ausgearbeiteten Szenen gegen Ende in seinem eigenen Schockspektakel ertrinkt. Er beruft sich mit seinem Film auf die Schauerliteratur vergangener Tage, als Autoren wie Mary Shelley oder Edgar Allan Poe noch lebten und schenkt ihm eine herrlich opulente Optik, die an die großen Gothic Horror-Filme der Hammer Studios erinnert.
Crimson Peak kann man auch mehr als Hommage, del Toros persönliche Verbeugung vor diesen Dingen verstehen. Das stimmt einen als Zuschauer, der einerseits die altmodische, konservativ erzählte Geschichte stimmig, andererseits diese schnell durchschaubar findet, milde. Neue Impulse schenkt der Mexikaner dem Genre nicht. Seine Erzählung um die junge Edith Cushing, eine ambitionierte Autorin aus reichem Hause, die den abgebrannten Adeligen Thomas Sharpe heiratet und mit ihm nach der Hochzeit in sein halb verfallenes Haus Allerdale Hall zieht, welches er gemeinsam mit seiner Schwester Lucille bewohnt, gewinnt keinen Preis für Originalität. Das dunkle Geheimnis, dass auf dem Geschwisterpaar und ihrem Familiensitz lastet, ist leicht durchschaubar. Vielleicht wusste das del Toro auch. Seine Einstellung seinem Stoff gegenüber bleibt respektvoll, seine Liebe zum Detail lenkt von der narrativen Schlichtheit ab.
Die Schönheit seiner Bilder lässt selbst verzeihen, dass Crimson Peak manchmal wie eine Hochglanzversion alter Gothic-Klassiker wirkt. Die technische Umsetzung besitzt ein hohes Niveau und wenn Edith mit Thomas nach Allerdale Hall mit seinem riesigen Loch im Dach, durch das Laub und später Schnee in die Eingangshalle fällt und den langen, unheimlichen Gängen zieht, ist es bei Liebhabern solcher Filme vollends um einen geschehen. Irgendwann stört man sich auch nicht mehr daran, dass der hier versprochene Horror einem Mystery-Drama untergeordnet ist. Lieber ergötzt man sich an seiner angenehmen altmodischen Erzählung, den vielen eingewobenen Referenzen (z. B. der farblich bavaeske Beginn mit leichtem Nosferatu-Zitat, einem am Anfang gialloesk aufgebauten Mord, die immer wieder an Daphe du Mauriers "Rebecca" erinnernde Story an sich usw.) und den gut aufgelegen Darstellern. Seine knapp zwei Stunden Laufzeit bemerkt man nicht; del Toros spürbare Liebe zum Stoff lässt den Film eine hübsche Sogwirkung geben, der man sich gerne hingibt. Wenige Tage nach der Sichtung huschte mir hin und wieder ein positiv gestimmtes, leichtes Lächeln über die Lippen, wenn ich mich nochmal an Crimson Peak erinnerte. Liebhaber von Gothic Horror-Filmen aus den glorreichen Tagen von Hammer und Co. kommen voll auf ihre Kosten. Das gemeine Publikum sah dies leider anders: Crimson Peak war an den Kinokassen leider ein Flop. Es ist schade, zeigt der Film, wie viele andere aus dem Oeuvre des Mexikaners, welch wunderschöne, fantastische Welten del Toro in seinen Filmen schaffen kann. Ein mutiges Studio sollte ihm endlich all das Geld geben, welches er für seine seit langer Zeit geplante Verfilmung von H. P. Lovecrafts "At The Mountains Of Madness" benötigt. Er wäre der richtige Mann, um den kaum greifbaren Wahnsinn im Unterton seiner Geschichten adäquat auf die Leinwand zu bringen. Bis dahin (wenn überhaupt) muss man sich am fantastischen Pans Labyrinth oder dem sehr charmanten Crimson Peak erfreuen.
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