Ich wollte es noch einmal versuchen. Sah ich vor kurzem den ziemlich schnarchigen Das zweite Gesicht, in dem Macaulay Culkin nach seinen Kinoerfolgen als Kevin Elijah Wood nach dem Leben trachtet, wurde diesmal mit dem 1994 entstandenen The Paperboy ein für die damaliger Zeit üblicher B-Movie gewählt, der von einem mörderischen Blag erzählt. Dieses trägt hier den Namen Johnny, seine Tätigkeit als Zeitungsjunge tut für die Handlung eigentlich nichts zur Sache und hat verglichen mit Culkin einen großen Pluspunkt zu verzeichnen: Darsteller Marc Marut nimmt man diese Rolle mehr ab. Seine aufgesetzte Freundlichkeit, die er im Zusammensein mit seiner selbst ausgewählten, viel mehr auserkorenen neuen Familie, zeigt, birgt einige fühlbar unangenehme Momente mit sich. Jedes Mal, wenn Johnny die kleine Cammie und ihre alleinerziehende Mutter Melissa besucht und versucht, sich in deren Leben und Alltag zu drängen, beschleicht einen als neutraler Betrachter der Situation ein ungutes Gefühl, wie falsch und aufgesetzt das Verhalten des angeblichen Bilderbuchjungen wirkt.
Natürlich ahnen Melissa und Cammie nichts davon, dass Nachbar Johnny etwas mit dem Tod der Großmutter, der sie in die alte Heimat Melissas bringt, zu tun hat. Seine Besessenheit den beiden gegenüber blitzt nur dann auf, wenn etwas nicht wie erwartet verläuft oder sein verzerrtes Bild der perfekten Familie nicht erfüllt wird. Das erinnert manchmal an The Stepfather aus Kinderperspektive, ohne das dessen bösartiger Ton erreicht wird. Dafür ist The Paperboy zu konventionell und konservativ aufgebaut. Die Direct-To-Video-Produktion bietet im Aufbau von Johnnys steigendem Wahn manche gut unangenehme Szenen, ist allerdings mit dem gleichen Fluch wie Das zweite Gesicht behaftet. Der kleine B-Thriller schielt merklich auf ein breiteres Publikum, dass er aus den damaligen Videotheken mitnehmen wollte und ist als Thriller zu brav. Die Handlungen des Antagonisten sind, wenn sich für diesen ein Problem ergibt, vorhersehbar und das mörderische Treiben geschieht halb angedeutet, halb ausgespielt, würde allerdings nicht mal die Zielgruppe grausamer Rosamunde Pilcher-Schmonzetten erschrecken.
Die größte Stärke des Films sind Johnnys Versuche, ein Teil der Familie zu sein, die er sich so sehr wünscht bzw. die in seinem Kopf schon längst existiert. Das dies natürlich von Melissa entdeckt wird und der Junge daraufhin vollends am Rad dreht, ist offensichtlich. Das Spannungslevel ist leider die ganze Zeit über ziemlich niedrig angesetzt. Regisseur Jackson zeigt Gefühl dafür, die Bilder der heilen Familienwelt aufzubauen um sie dann von Johnny in schrecklich schleimiger Art und Weise zu infiltrieren, aber nicht für die Momente, wenn es wirklich um Spannung geht. Beinahe wünscht man sich sogar, dass der Junge Erfolg hat. Melissa und Cammie sind einfach zu perfekt, zu viel Klischee, um authentisch zu wirken oder komplett Sympathie beim Zuschauer aufzubauen. Johnnys Auftauchen in ihren gemeinsamen Szenen bringt eine Creepyness, die leider nur hier zu spüren ist. Der Rest ist für einen unterhaltsamen Thriller oder sogar einen Slasher viel zu wenig. Das erinnert eher (leider auch) an einen US-TV-"Spannungsfilm". Die drögen Bildkompositionen, das synthethisch erzeugte Dudelorchester und der freundlich ausgerichtete Grundton des Films, dieser milde Thrill der gar keiner ist, lassen The Paperboy zu einem unterdurchschnittlichen Erlebnis werden.
Als die deutsche Bootleg-DVD erschien, klingelte es zu dieser Zeit schwach in meinem Kopf, dass der Film wahrscheinlich mal irgendwann im Spätprogramm der privaten Sender lief. Ein vereinzelter Eintrag in der OFDb bestätigte meine Annahme. Zu dieser Zeit erblühte meine Liebe für den Film; das ich damals mit vielen B-Filmen (nicht nur) aus dem Horrorbereich anfing, zeigt mein noch heute anhaltendes Interesse dafür. Die damalige Ausstrahlung von The Paperboy - zu Beginn wurde alles, was interessant für einen in der Pubertät steckenden, angehenden Filmliebhaber klang und im TV lief, aufgenommen - habe ich aus irgendeinem Grund ignoriert und einen anderen Film vorgezogen. Die Jahre später vollzogene Sichtung des Films zeigt mir warum: irgendwann zu Beginn scheint Johnny sinnbildlich das vorhandene Potenzial der Geschichte mit samt seinen im Fahrradkorb befindlichen Zeitungen wegzuwerfen, damit daraus ein Film wird, der schnell vergessen werden kann.
Credits
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Samstag, 27. Januar 2018
Valerian - Die Stadt der tausend Planeten
Ich finde Luc Bessons Absicht, seinem Science-Fiction-Abenteuer Valerian eine pazifistische Aussage zu verleihen, bei weitem nicht verkehrt. Es passt wunderbar zum Geiste des Films, der auf einer französischen Comicreihe, welche zum ersten Mal in den 60ern veröffentlicht wurde, basiert. Das kriegerische Wesen des Menschen steht hier unter Anklage, welches, wie die Geschichte (einmal mehr) zeigt, Unschuldige ins Verderben stürzen kann. Es ist ein Kollateralschaden, der nicht passieren sollte, der hätte verhindert werden können, damit aber Verluste auf Seiten der menschlichen Kriegspartei entstanden wären. Das Kriegsverbrechen wird unter den Teppich gekehrt und viele Jahre später von den Spezialagenten Valerian und Laureline während ihrer Ermittlungsarbeit in der Weltraummetropole Alpha stückweise aufgeklärt. Der eigentliche Grund ihres Auftrags in Alpha, das gestohlene letzte Exemplar eines Transmutatoren zurück in die Hände der Regierung zu bringen, rückt fast in den Hintergrund, bevor die Agenten bemerken, dass auch der Diebstahl etwas mit der Verschwörung zu tun hat.
Die frühere Raumstation Alpha wuchs, so lehrt es uns die schöne Zusammenfassung zu Beginn des Films, über die Jahre zu einem großen Komplex im Weltall heran, der irgendwann aus der Umlaufbahn der Erde gestoßen wurde, da deren "kritische Masse" das Kraftfeld dieser beeinflusste. Die der ISS nicht unähnliche Station wuchs zu einer riesigen Stadt im Weltall heran, welche vielen verschiedenen, außerirdischen Wesen Platz und eine neue Heimat bot. Die Metropole steht für ein völker- und rassenübergreifendes, friedliches Miteinander unterschiedlicher Lebewesen, die sich gegenseitig helfen und unterstützen. Sicher ist es nicht frei von Konflikten, steht aber als Sinnbild für einen Sieg über rassistisches Denken und dessen gegenwärtig erstarkende Strukturen. Die Fremden, die außerirdischen Bewohner kommen in ihrer Zeichnung unbescholten davon: manche Rasse ist dem Aussehen nach bedrohlich, manche etwas aggressiver, der tatsächliche Aggressor und negativ behaftete Spezies ist der Mensch.
Konflikte gewaltsam und nur mit Krieg lösen zu können, ist das primitive und rückständige Denken des Menschen, lehrt uns Valerian. Selbst im 28. Jahrhundert, mit allem technischen Fortschritt, ist der Homo Sapiens nicht in der Lage, ohne Gewalt auszukommen. Ausnahmen sind weiterhin eine Seltenheit und das Krieg ohnehin sinnlos ist, wegen dem großen erzeugten Leid, dass auch Unbeteiligte treffen kann, ist ein klarer Antikriegsstandpunkt, den Besson über seine Geschichte vermitteln will. Einerseits ist dies eine rühmliche Absicht, andererseits leider nicht zwingend genug. Die Message des Films gleitet angenehm durch den Hintergrund der hauptsächlichen Agentenstory; gefühlt degradiert es Besson leider häufiger zu einer Nebensache. Der Franzose verliert sich in seiner geschaffenen Welt, die mit ihren vielen, tollen Details zugegeben sehr reizvoll ist. Mehr als einmal fühlte ich mich an sein Das fünfte Element erinnert, als wolle Luc Besson mit Valerian eine Art Update seines Blockbusters aus den 90er Jahren abliefern. Eben nur nicht ganz so aufgedreht und mehr laid back in der Stimmung.
Über weite Strecken funktioniert das auch und man lässt sich gern in die faszinierende Welt Alphas entführen. Valerian ist weniger ein reinrassiger Action- oder Abenteuer-Film im Weltall, sondern mehr ein zweistündiger Trip in eine fremde Welt, in der man sich gut und gerne verlieren kann. Das Besson das mit der Action und Spannung weitaus knackiger kann, zeigt er mit dem bereits angesprochenen Das fünfte Element. Dieser ist weitaus mehr Event, ein buntes Fantasie-Popcorn-Filmwerk als Valerian der bei allem bestreben, wie ein Weltraum-Epos Hollywood'scher Ausmaße zu wirken, zwischen den Zeilen einen Vibe á la Lautlos im Weltraum besitzt. Nicht komplett langsam und meditativ wie dieser, in gewissem Maße teilen sie ihre Grundaussage. Valerian muss(te) auch immer versuchen, den Blockbustern aus Hollywood nachzueifern, damit am Ende auch die Kasse produktionstechnisch stimmt. Anders als diese, fühlt sich Bessons Film weniger leer und tumb an, auch wenn die Geschichte fast wie im Videospiel von "Level" zu "Level" springt und man in den einzelnen Kapiteln/Akten dieser eine neue Welt präsentiert bekommt.
Zum Ende stimmt das Ergebnis. Valerian bietet zwar nicht die komplette Packung Actionfeuerwerk, seine Aussage fühlt sich (glücklicherweise nicht häufig) an die bunten Settings drangeklatscht an, überzeugt im Ganzen als ein etwas anderer Science-Fiction-Blockbuster der bei all' dem bunten Treiben auf dem Bildschirm eben auch versucht, dieses mit Sinn zu füllen. Man verzeiht Besson, dass er seine Konzentration verliert und lieber - wie irgendwann der Zuschauer - durch diese tolle, andere Welt treibt. Selbst der vielerorts gescholtene Dane DeHaan, dessen Valerian wie ein aus den 70ern geholter, rückständiger Übermacho wirkt, ist bei weitem nicht der große Ausfall, wie er beschrieben wird. Seine Chemie mit Schauspielpartnerin Cara Delevigne stimmt. Auch wenn ich mir, wenn ich mir nochmals das Ende vor Augen führe, ihr feministisches, selbstbewusstes Auftreten bis zu diesem Ende gewünscht hätte. Das ist dann leider zu stark an Hollywood-Filmwerk angelehnt.
Die frühere Raumstation Alpha wuchs, so lehrt es uns die schöne Zusammenfassung zu Beginn des Films, über die Jahre zu einem großen Komplex im Weltall heran, der irgendwann aus der Umlaufbahn der Erde gestoßen wurde, da deren "kritische Masse" das Kraftfeld dieser beeinflusste. Die der ISS nicht unähnliche Station wuchs zu einer riesigen Stadt im Weltall heran, welche vielen verschiedenen, außerirdischen Wesen Platz und eine neue Heimat bot. Die Metropole steht für ein völker- und rassenübergreifendes, friedliches Miteinander unterschiedlicher Lebewesen, die sich gegenseitig helfen und unterstützen. Sicher ist es nicht frei von Konflikten, steht aber als Sinnbild für einen Sieg über rassistisches Denken und dessen gegenwärtig erstarkende Strukturen. Die Fremden, die außerirdischen Bewohner kommen in ihrer Zeichnung unbescholten davon: manche Rasse ist dem Aussehen nach bedrohlich, manche etwas aggressiver, der tatsächliche Aggressor und negativ behaftete Spezies ist der Mensch.
Konflikte gewaltsam und nur mit Krieg lösen zu können, ist das primitive und rückständige Denken des Menschen, lehrt uns Valerian. Selbst im 28. Jahrhundert, mit allem technischen Fortschritt, ist der Homo Sapiens nicht in der Lage, ohne Gewalt auszukommen. Ausnahmen sind weiterhin eine Seltenheit und das Krieg ohnehin sinnlos ist, wegen dem großen erzeugten Leid, dass auch Unbeteiligte treffen kann, ist ein klarer Antikriegsstandpunkt, den Besson über seine Geschichte vermitteln will. Einerseits ist dies eine rühmliche Absicht, andererseits leider nicht zwingend genug. Die Message des Films gleitet angenehm durch den Hintergrund der hauptsächlichen Agentenstory; gefühlt degradiert es Besson leider häufiger zu einer Nebensache. Der Franzose verliert sich in seiner geschaffenen Welt, die mit ihren vielen, tollen Details zugegeben sehr reizvoll ist. Mehr als einmal fühlte ich mich an sein Das fünfte Element erinnert, als wolle Luc Besson mit Valerian eine Art Update seines Blockbusters aus den 90er Jahren abliefern. Eben nur nicht ganz so aufgedreht und mehr laid back in der Stimmung.
Über weite Strecken funktioniert das auch und man lässt sich gern in die faszinierende Welt Alphas entführen. Valerian ist weniger ein reinrassiger Action- oder Abenteuer-Film im Weltall, sondern mehr ein zweistündiger Trip in eine fremde Welt, in der man sich gut und gerne verlieren kann. Das Besson das mit der Action und Spannung weitaus knackiger kann, zeigt er mit dem bereits angesprochenen Das fünfte Element. Dieser ist weitaus mehr Event, ein buntes Fantasie-Popcorn-Filmwerk als Valerian der bei allem bestreben, wie ein Weltraum-Epos Hollywood'scher Ausmaße zu wirken, zwischen den Zeilen einen Vibe á la Lautlos im Weltraum besitzt. Nicht komplett langsam und meditativ wie dieser, in gewissem Maße teilen sie ihre Grundaussage. Valerian muss(te) auch immer versuchen, den Blockbustern aus Hollywood nachzueifern, damit am Ende auch die Kasse produktionstechnisch stimmt. Anders als diese, fühlt sich Bessons Film weniger leer und tumb an, auch wenn die Geschichte fast wie im Videospiel von "Level" zu "Level" springt und man in den einzelnen Kapiteln/Akten dieser eine neue Welt präsentiert bekommt.
Zum Ende stimmt das Ergebnis. Valerian bietet zwar nicht die komplette Packung Actionfeuerwerk, seine Aussage fühlt sich (glücklicherweise nicht häufig) an die bunten Settings drangeklatscht an, überzeugt im Ganzen als ein etwas anderer Science-Fiction-Blockbuster der bei all' dem bunten Treiben auf dem Bildschirm eben auch versucht, dieses mit Sinn zu füllen. Man verzeiht Besson, dass er seine Konzentration verliert und lieber - wie irgendwann der Zuschauer - durch diese tolle, andere Welt treibt. Selbst der vielerorts gescholtene Dane DeHaan, dessen Valerian wie ein aus den 70ern geholter, rückständiger Übermacho wirkt, ist bei weitem nicht der große Ausfall, wie er beschrieben wird. Seine Chemie mit Schauspielpartnerin Cara Delevigne stimmt. Auch wenn ich mir, wenn ich mir nochmals das Ende vor Augen führe, ihr feministisches, selbstbewusstes Auftreten bis zu diesem Ende gewünscht hätte. Das ist dann leider zu stark an Hollywood-Filmwerk angelehnt.
Mittwoch, 17. Januar 2018
Kick-Ass
Der kindliche Wunsch, der grenzenlosen Fantasie entspringenden Vorstellung, selbst ein Superheld zu sein, wächst in Kick-Ass zu einem Event- und Origingebilde heran, welches im ersten Moment ein Comicfilm unter vielen ist. Was wäre denn nun aber, wenn im Real Life plötzlich maskierte Menschen durch die Straßen wandern und das Verbrechen bekämpfen? Könnte das wie in Kick-Ass aussehen? Verglichen mit dem echten Phänomen ist Matthew Vaughns Film eine Ecke spektakulärer, wenn auch bemüht, seinen Helden einen reellen Hintergrund zu schenken. Da kann man sich wie Dave, dem Helden der Geschichte, einen bunten Neopren-Anzug bestellen, der fortan das Kostüm des echten Superhelden wird. Dave ist ein gewöhnlicher Teenie, am äußersten Rand des Außenseitertums gefangen, und, wie er selbst zu Beginn erzählt, einfach eben da. Er existiert ohne eine Bestimmung gefunden zu haben.
Diese kommt mit seiner zweiten Identität, wenn er nach anfänglichem Scheitern, als ihn zwei linkische Gangster niederstechen und er dann von einem Auto angefahren wird, langsam in seine Rolle hinein wächst. Der Unfall bringt ihm zerstörte Nervenenden, viele Metallplatten und damit eine Beinahe-Superkraft, die in seiner nächsten Konfrontation mit einem gewalttätigen Mob trotz seiner unbeholfenen Art sich als hilfreich erweist. Der Konflikt landet im Internet, sein Alter Ego, welches er selbst Kick-Ass tauft, wird zu einem gefeierten Stadthelden und Internetphänomen. Es ruft neben der bisher heimlich angebeteten Katie als potentielle erste Freundin auch den fiesesten, bösesten Gangster der ganzen Stadt auf den Plan, als nach Kick-Ass mit Big Daddy und Hit-Girl weitere, weitaus gezielter operierende Real Life-Helden auftauchen.
Die beiden besitzen einen Wums, dass sie Dave an den Rande der Geschichte ballern und die Nebenfiguren heimliche Stars werden. Auch als Kick-Ass existiert der Junge nur, darf ein wenig mit der neuen Freundin vögeln, mit den Tücken des Heldentums kämpfen, während da in zynischer Humorwolke schwebend, die damals gerade 13-jährige Chloë Grace Moretz eine übercoole Gewaltgöre und Nicholas Cage in einer wirklich angenehm schrulligen Rolle den Rache übenden Vater des kleinen Mädchens mimen. Die heraufbeschworene Lässigkeit und comichafte Gewalt, üblich mit Punchlines und weiteren humoresken Einschüben garniert, sind technisch auf hohem Niveau, lassen dabei das vermissen, womit Kick-Ass in seiner ersten Hälfte punkten kann. Da mischt Matthew Vaughn Teeniekomödie mit Coming of Age, ohne den Fehler zu begehen, gezwungenen Tiefgang zu erzeugen. Distanziert locker, etwas schräg erzeugt Kick-Ass ein Gefühl der Sympathie, bevor er wie die Mitschüler selbst gefühlt von seinem Hauptcharakter gelangweilt ist.
Natürlich kann man auch ohne buntes Kostüm ein Held sein, wachsen, dem gefühlt ewigen Verlierer sein entkommen. Die simple Botschaft darf brav bis zum Ende wachsen, davor wird der Ton des Films merklich düsterer, wenn Gangster Frank D'Amico den aus dem Boden wie Pilze hervorsprießenden Helden in Rachedurst hinterher jagt. Da liegt es nahe, dass der am Geschäft mehr als vom Vater gewollt interessierte Filius auch noch in ein enges Kostüm steigt, um mit einer Finte die auf der Abschussliste befindlichen Hit-Girl und Big Daddy in eine Falle zu locken. Das auf der gleichnamigen Comicvorlage basierende Drehbuch baut in die gewollt so real wie möglich aufgebaute Filmwelt eine für das Genre übliche Erzählweise ein und verzerrt das geschaffene Bild in Richtung üblicher Comicmovie-Muster. Spaß macht es trotzdem, ersäuft der Film löblicherweise nicht im erschöpfenden Metagewichse und steckt seine Anspielungen gekonnt in die Handlung.
Es braucht nur eine Weile, bis Kick-Ass wie sein Protagonist zu sich selbst findet. Mit seiner knalligen Erzählweise, in die Handlung spritzende Splatterwellen in den Actionszenen will man sich nie so komplett anfreunden. Man will eben so cool sein, so anders, so herausstechen wie Dave mit seinem Alter Ego. Endlich mal jemand sein und beachtet werden. Die Beachtung des Kinopublikums war so groß, dass eine Fortsetzung entstand. Dave ist am Ende, nach einer anstrengenden Selbstfindung im hautengen Gummikostüm, vielleicht immer noch dieser leicht nerdige Junge. Aber er hat endlich das, was er am Anfang so vermisst: eine Rolle. Selbst außerhalb seines Superheldendaseins und - ebenso wichtig für einen jungen Mann seines Alters - eine Freundin und mit seinem "reellen" Erlebnis, das so comichaft anmutet, kommend, eine ordentliche Portion Selbstvertrauen. Das kann man bei all' der wütenden Dresche, die ein Kind ihren Kontrahenten beschert (hier musste sich Kick-Ass einige Kritik gefallen lassen), einfach nur dem sichtbaren Willen des Films als coole Draufgabe oder (nachvollziehbar) zweifelhaft in seiner offenen Darstellung finden. Für einen Mainstream-Film ist Kick-Ass ein Werk, dass sich den Mechanismen des Superhelden-Films bedient, seine Vorlage nutzt um daraus etwas ganz eigenes zu schaffen: ein Coming of Age-Teenie-Action-Komödien-Dingsbums mit netten Momenten das erst dann cool wird, wenn die gespielte Kühlheit dem leichten Stil des Anfangs weicht.
Diese kommt mit seiner zweiten Identität, wenn er nach anfänglichem Scheitern, als ihn zwei linkische Gangster niederstechen und er dann von einem Auto angefahren wird, langsam in seine Rolle hinein wächst. Der Unfall bringt ihm zerstörte Nervenenden, viele Metallplatten und damit eine Beinahe-Superkraft, die in seiner nächsten Konfrontation mit einem gewalttätigen Mob trotz seiner unbeholfenen Art sich als hilfreich erweist. Der Konflikt landet im Internet, sein Alter Ego, welches er selbst Kick-Ass tauft, wird zu einem gefeierten Stadthelden und Internetphänomen. Es ruft neben der bisher heimlich angebeteten Katie als potentielle erste Freundin auch den fiesesten, bösesten Gangster der ganzen Stadt auf den Plan, als nach Kick-Ass mit Big Daddy und Hit-Girl weitere, weitaus gezielter operierende Real Life-Helden auftauchen.
Die beiden besitzen einen Wums, dass sie Dave an den Rande der Geschichte ballern und die Nebenfiguren heimliche Stars werden. Auch als Kick-Ass existiert der Junge nur, darf ein wenig mit der neuen Freundin vögeln, mit den Tücken des Heldentums kämpfen, während da in zynischer Humorwolke schwebend, die damals gerade 13-jährige Chloë Grace Moretz eine übercoole Gewaltgöre und Nicholas Cage in einer wirklich angenehm schrulligen Rolle den Rache übenden Vater des kleinen Mädchens mimen. Die heraufbeschworene Lässigkeit und comichafte Gewalt, üblich mit Punchlines und weiteren humoresken Einschüben garniert, sind technisch auf hohem Niveau, lassen dabei das vermissen, womit Kick-Ass in seiner ersten Hälfte punkten kann. Da mischt Matthew Vaughn Teeniekomödie mit Coming of Age, ohne den Fehler zu begehen, gezwungenen Tiefgang zu erzeugen. Distanziert locker, etwas schräg erzeugt Kick-Ass ein Gefühl der Sympathie, bevor er wie die Mitschüler selbst gefühlt von seinem Hauptcharakter gelangweilt ist.
Natürlich kann man auch ohne buntes Kostüm ein Held sein, wachsen, dem gefühlt ewigen Verlierer sein entkommen. Die simple Botschaft darf brav bis zum Ende wachsen, davor wird der Ton des Films merklich düsterer, wenn Gangster Frank D'Amico den aus dem Boden wie Pilze hervorsprießenden Helden in Rachedurst hinterher jagt. Da liegt es nahe, dass der am Geschäft mehr als vom Vater gewollt interessierte Filius auch noch in ein enges Kostüm steigt, um mit einer Finte die auf der Abschussliste befindlichen Hit-Girl und Big Daddy in eine Falle zu locken. Das auf der gleichnamigen Comicvorlage basierende Drehbuch baut in die gewollt so real wie möglich aufgebaute Filmwelt eine für das Genre übliche Erzählweise ein und verzerrt das geschaffene Bild in Richtung üblicher Comicmovie-Muster. Spaß macht es trotzdem, ersäuft der Film löblicherweise nicht im erschöpfenden Metagewichse und steckt seine Anspielungen gekonnt in die Handlung.
Es braucht nur eine Weile, bis Kick-Ass wie sein Protagonist zu sich selbst findet. Mit seiner knalligen Erzählweise, in die Handlung spritzende Splatterwellen in den Actionszenen will man sich nie so komplett anfreunden. Man will eben so cool sein, so anders, so herausstechen wie Dave mit seinem Alter Ego. Endlich mal jemand sein und beachtet werden. Die Beachtung des Kinopublikums war so groß, dass eine Fortsetzung entstand. Dave ist am Ende, nach einer anstrengenden Selbstfindung im hautengen Gummikostüm, vielleicht immer noch dieser leicht nerdige Junge. Aber er hat endlich das, was er am Anfang so vermisst: eine Rolle. Selbst außerhalb seines Superheldendaseins und - ebenso wichtig für einen jungen Mann seines Alters - eine Freundin und mit seinem "reellen" Erlebnis, das so comichaft anmutet, kommend, eine ordentliche Portion Selbstvertrauen. Das kann man bei all' der wütenden Dresche, die ein Kind ihren Kontrahenten beschert (hier musste sich Kick-Ass einige Kritik gefallen lassen), einfach nur dem sichtbaren Willen des Films als coole Draufgabe oder (nachvollziehbar) zweifelhaft in seiner offenen Darstellung finden. Für einen Mainstream-Film ist Kick-Ass ein Werk, dass sich den Mechanismen des Superhelden-Films bedient, seine Vorlage nutzt um daraus etwas ganz eigenes zu schaffen: ein Coming of Age-Teenie-Action-Komödien-Dingsbums mit netten Momenten das erst dann cool wird, wenn die gespielte Kühlheit dem leichten Stil des Anfangs weicht.
Super Dark Times
Wer den Film noch nicht gesehen hat und sich nicht spoilern lassen möchte, sollte den Text erst nach dem Genuss des Films lesen.
Die Blase aus pubertärem Bewerten der Mitschülerinnen im Jahrbuch nach Fuckability, dem Zeit tot schlagen innerhalb der Grenzen des Dorfkosmos, dem Sturm und Drang im Inneren nachgeben, wird mit einem Unfall jäh zum platzen gebracht. Ein Samuraischwert steckt da im Hals des halb geduldeten, halb in Freundschaft verbundenen Daryl. Mit dem verschwinden der Blase aus erwachsen werden und unbeschwert langweiligen Teenietagen und des Freundes brechen für Chris, Zach und Josh Super Dark Times an. Das Vertuschen des Unfalls stellt die Freundschaft zwischen dem unsicheren, schüchtern wirkenden Zach und dem schwer zu greifenden, geheimnisvoll verwegenen Josh auf eine harte Probe. Der anfängliche Schock sät im Stillen Paranoia, Misstrauen und lässt die Jungen langsam entzweien. Erst recht, als mit Allison, die Zach eindeutig zu verstehen gibt, dass sie auf ihn steht, sich ein Mädchen zwischen die beiden drängt.
Das Mädchen stößt dabei auf eine unsichtbare Barriere. Sie weiß nichts vom schrecklichen Unfall am Rand ihres kleinen Ortes, der wie ein Sturm im Inneren ihres Schwarms tobt und dieses durcheinander wirbelt. Unbemerkt gibt sie Zach dabei Halt in schweren Zeiten und Annäherung geschieht. Josh, der ebenfalls ein Auge auf die mit Natürlichkeit und spröder Schönheit gesegnete Allison geworfen hat, isoliert sich. Die Gedanken, die um Daryls Ableben kreisen, werden zum Mittelpunkt seines gedanklichen Universums, um den sich sein Denken dreht. Mit der interessanten, unergründlichen Aura, seinem markanten Gesicht und der verwuschelten Mähne könnte er ein kleiner Mädchenschwarm sein. Es scheint nur Fassade zu sein. Wie bei seinem besten Freund ist eine Unsicherheit gegenüber dem anderen Geschlecht zu bemerken.
Ist das wirklich nur Schüchternheit? Die Avancen, Zach näher zu kommen, werden bis zu einem Punkt erwidert, bevor der Junge abblockt. Ein simpler erster Kuss, eine ersehnte Dringlichkeit ihrer Zuneigung, bleibt verwehrt. Im Nebel seiner Atmosphäre versteckt Super Dark Times subtile Zeichen in der Beziehung zwischen Josh und Zach. Kleinigkeiten, die fast verschluckt werden. Nach einigen Stunden, wenn sich Kevin Phillips Debüt im Bewusstsein des Zuschauers gelegt hat, klärt sich das Bild auf. Ist das wirklich nur Freundschaft? Sind Mädchen wirklich das, was sie oder einer von beiden wirklich will? Als ein älterer Mitschüler plötzlich tot aufgefunden wird, fällt Zachs Verdacht auf seinen Freund. Das Schwert ist nicht mehr im Versteck zwischen Baumwurzeln und welkem Blattwerk; die Isolation des Freundes und seine vor wenigen Tagen offen ausgesprochene Aversion gegenüber dem Verstorbenen lassen seinen Gedanken wilde Verknüpfungen entspringen.
Der Verdacht erhärtet sich und als Josh mit dem Schwert eingewickelt in einem Badetuch zum Finale bei Allison und einer Freundin auftaucht, entwickelt sich Zach zum Teenage Superhero. Im Angesicht seines Freundes offenbart er sich. Das ist nicht einfach nur Freundschaft, wenn Zach Josh offeriert, dass er ihn liebt. Sein Coming of Age ist mit Blut, Gewalt und Tod verbunden. Kurz nach dem Geständnis tritt der Junge die Flucht an, als hätte er im Kindergartenalter seinem Schwarm gestanden, was er für diesen empfindet. Der Erkenntnis wohnt weiter Unsicherheit inne. Die Antwort wird mit scharfer Klinge geschrieben, wenn Josh, zerbrechend an der in ihm schwelenden Schuld und einer vage gezeichneten Gefühlswelt seinem Freund gegenüber, weiter seinem Amoklauf fröhnt. Es ist eine blutige Abwehr, mit scharfer Klinge erleidet Zach die Abfuhr, bis es im Garten zur blutigen Zusammenkunft der beiden heranwachsenden Männer kommt.
Symbolisch bohrt sich der metallene Phallus in den Körper, im gewaltsamen Kampf zwischen panischer Vernunftbesessenheit und der Gefühlswelt kapitulierendem Amoklauf geschieht das, was bei Josh niemals sein darf. Sie sind sich nahe, die Körper, die bisher angedeutet aufeinander warten, berühren sich. Zachs Offenheit wird mit Schmerz und Blut bezahlt. Erinnerungen an das Finale von Chang Chehs Duell ohne Gnade blitzen auf, wenn sich Hong Kongs damalige Topstars David Chiang und Ti Lung bis zu diesem tiefen Respekt zollten, der Regisseur sein Buch mit homoerotischen Untertönen aufbaute, eine so im Martial Arts-Kino einzigartige Beziehung zwischen zwei Figuren schuf und sie dann, nach schwerem Kampf im Todesballett zueinander finden ließ. Was nicht sein durfte, baute der homosexuelle Top-Regisseur der Shaw Brothers kunstvoll in seine Geschichte ein und wenn Josh und Zach auf Leben und Tod miteinander kämpfen, wohnt diesem eine ähnliche Intimität inne.
Coming of Age heißt auch immer, zu sich finden. Die Protagonisten schaffen dies mit Müh' und Not, Super Dark Times schließt sich diesen an. Was will man eigentlich sein? Hat man eine Rolle im Leben und wie wird diese aussehen? Geht es nur ums Ficken und dem Zeit rum bekommen in dieser tot erscheinenden Ortschaft? Fragen wabern in Phillips atmosphärisch fotografierter Erzählung umher; alle werden nicht beantwortet. Spät findet auch Super Dark Times zu sich, dessen Thriller-Dasein ein wundersamer Anbau an das Findungsdrama zweier Freunde und deren schmerzlichen erwachsen werden, dem aufwachen aus ihrer Traumblase, ist. Eine durchaus interessante Fingerübung, die visuell wie auditiv schön ausgefallen ist. Seine den Protagonisten gleichkommende Planlosigkeit, die er in seinen ersten dreißig Minuten gekonnt auf den Punkt bringt und erzählt, lässt ihn strauchelnd zurück und erinnert an sein Intro. Dort liegt dieses prächtige Wild, schwer verletzt in einem Schulsaal. Während dieses im Film leider vom Leid erlöst werden muss, geht Super Dark Times im Endeffekt als mit kleinen Fleischwunden versehrter Junghirsch aus dem Rund des Indiekinos. Er ist noch jung, wächst wahrscheinlich mit den Jahren, könnte über die Jahre ein stattliches Tier (sprich Klassiker) werden, wenn seine davongetragenen Schwächen, die er besitzt, sich mit den Jahren vielleicht doch noch auflösen. Schade, dass man ihn werbetechnisch völlig haltlos mit modernen Klassikern wie Donnie Darko verglichen hat. Das ein Werk, dass mit meinem Lieblingsfilm verglichen wird, nur verlieren kann, war absehbar. Ganz verloren wurde der Kampf allerdings nicht. Super Dark Times ist angeschlagen und könnte sich ein paar Jahre später noch rehabilitieren.
Die Blase aus pubertärem Bewerten der Mitschülerinnen im Jahrbuch nach Fuckability, dem Zeit tot schlagen innerhalb der Grenzen des Dorfkosmos, dem Sturm und Drang im Inneren nachgeben, wird mit einem Unfall jäh zum platzen gebracht. Ein Samuraischwert steckt da im Hals des halb geduldeten, halb in Freundschaft verbundenen Daryl. Mit dem verschwinden der Blase aus erwachsen werden und unbeschwert langweiligen Teenietagen und des Freundes brechen für Chris, Zach und Josh Super Dark Times an. Das Vertuschen des Unfalls stellt die Freundschaft zwischen dem unsicheren, schüchtern wirkenden Zach und dem schwer zu greifenden, geheimnisvoll verwegenen Josh auf eine harte Probe. Der anfängliche Schock sät im Stillen Paranoia, Misstrauen und lässt die Jungen langsam entzweien. Erst recht, als mit Allison, die Zach eindeutig zu verstehen gibt, dass sie auf ihn steht, sich ein Mädchen zwischen die beiden drängt.
Das Mädchen stößt dabei auf eine unsichtbare Barriere. Sie weiß nichts vom schrecklichen Unfall am Rand ihres kleinen Ortes, der wie ein Sturm im Inneren ihres Schwarms tobt und dieses durcheinander wirbelt. Unbemerkt gibt sie Zach dabei Halt in schweren Zeiten und Annäherung geschieht. Josh, der ebenfalls ein Auge auf die mit Natürlichkeit und spröder Schönheit gesegnete Allison geworfen hat, isoliert sich. Die Gedanken, die um Daryls Ableben kreisen, werden zum Mittelpunkt seines gedanklichen Universums, um den sich sein Denken dreht. Mit der interessanten, unergründlichen Aura, seinem markanten Gesicht und der verwuschelten Mähne könnte er ein kleiner Mädchenschwarm sein. Es scheint nur Fassade zu sein. Wie bei seinem besten Freund ist eine Unsicherheit gegenüber dem anderen Geschlecht zu bemerken.
Ist das wirklich nur Schüchternheit? Die Avancen, Zach näher zu kommen, werden bis zu einem Punkt erwidert, bevor der Junge abblockt. Ein simpler erster Kuss, eine ersehnte Dringlichkeit ihrer Zuneigung, bleibt verwehrt. Im Nebel seiner Atmosphäre versteckt Super Dark Times subtile Zeichen in der Beziehung zwischen Josh und Zach. Kleinigkeiten, die fast verschluckt werden. Nach einigen Stunden, wenn sich Kevin Phillips Debüt im Bewusstsein des Zuschauers gelegt hat, klärt sich das Bild auf. Ist das wirklich nur Freundschaft? Sind Mädchen wirklich das, was sie oder einer von beiden wirklich will? Als ein älterer Mitschüler plötzlich tot aufgefunden wird, fällt Zachs Verdacht auf seinen Freund. Das Schwert ist nicht mehr im Versteck zwischen Baumwurzeln und welkem Blattwerk; die Isolation des Freundes und seine vor wenigen Tagen offen ausgesprochene Aversion gegenüber dem Verstorbenen lassen seinen Gedanken wilde Verknüpfungen entspringen.
Der Verdacht erhärtet sich und als Josh mit dem Schwert eingewickelt in einem Badetuch zum Finale bei Allison und einer Freundin auftaucht, entwickelt sich Zach zum Teenage Superhero. Im Angesicht seines Freundes offenbart er sich. Das ist nicht einfach nur Freundschaft, wenn Zach Josh offeriert, dass er ihn liebt. Sein Coming of Age ist mit Blut, Gewalt und Tod verbunden. Kurz nach dem Geständnis tritt der Junge die Flucht an, als hätte er im Kindergartenalter seinem Schwarm gestanden, was er für diesen empfindet. Der Erkenntnis wohnt weiter Unsicherheit inne. Die Antwort wird mit scharfer Klinge geschrieben, wenn Josh, zerbrechend an der in ihm schwelenden Schuld und einer vage gezeichneten Gefühlswelt seinem Freund gegenüber, weiter seinem Amoklauf fröhnt. Es ist eine blutige Abwehr, mit scharfer Klinge erleidet Zach die Abfuhr, bis es im Garten zur blutigen Zusammenkunft der beiden heranwachsenden Männer kommt.
Symbolisch bohrt sich der metallene Phallus in den Körper, im gewaltsamen Kampf zwischen panischer Vernunftbesessenheit und der Gefühlswelt kapitulierendem Amoklauf geschieht das, was bei Josh niemals sein darf. Sie sind sich nahe, die Körper, die bisher angedeutet aufeinander warten, berühren sich. Zachs Offenheit wird mit Schmerz und Blut bezahlt. Erinnerungen an das Finale von Chang Chehs Duell ohne Gnade blitzen auf, wenn sich Hong Kongs damalige Topstars David Chiang und Ti Lung bis zu diesem tiefen Respekt zollten, der Regisseur sein Buch mit homoerotischen Untertönen aufbaute, eine so im Martial Arts-Kino einzigartige Beziehung zwischen zwei Figuren schuf und sie dann, nach schwerem Kampf im Todesballett zueinander finden ließ. Was nicht sein durfte, baute der homosexuelle Top-Regisseur der Shaw Brothers kunstvoll in seine Geschichte ein und wenn Josh und Zach auf Leben und Tod miteinander kämpfen, wohnt diesem eine ähnliche Intimität inne.
Coming of Age heißt auch immer, zu sich finden. Die Protagonisten schaffen dies mit Müh' und Not, Super Dark Times schließt sich diesen an. Was will man eigentlich sein? Hat man eine Rolle im Leben und wie wird diese aussehen? Geht es nur ums Ficken und dem Zeit rum bekommen in dieser tot erscheinenden Ortschaft? Fragen wabern in Phillips atmosphärisch fotografierter Erzählung umher; alle werden nicht beantwortet. Spät findet auch Super Dark Times zu sich, dessen Thriller-Dasein ein wundersamer Anbau an das Findungsdrama zweier Freunde und deren schmerzlichen erwachsen werden, dem aufwachen aus ihrer Traumblase, ist. Eine durchaus interessante Fingerübung, die visuell wie auditiv schön ausgefallen ist. Seine den Protagonisten gleichkommende Planlosigkeit, die er in seinen ersten dreißig Minuten gekonnt auf den Punkt bringt und erzählt, lässt ihn strauchelnd zurück und erinnert an sein Intro. Dort liegt dieses prächtige Wild, schwer verletzt in einem Schulsaal. Während dieses im Film leider vom Leid erlöst werden muss, geht Super Dark Times im Endeffekt als mit kleinen Fleischwunden versehrter Junghirsch aus dem Rund des Indiekinos. Er ist noch jung, wächst wahrscheinlich mit den Jahren, könnte über die Jahre ein stattliches Tier (sprich Klassiker) werden, wenn seine davongetragenen Schwächen, die er besitzt, sich mit den Jahren vielleicht doch noch auflösen. Schade, dass man ihn werbetechnisch völlig haltlos mit modernen Klassikern wie Donnie Darko verglichen hat. Das ein Werk, dass mit meinem Lieblingsfilm verglichen wird, nur verlieren kann, war absehbar. Ganz verloren wurde der Kampf allerdings nicht. Super Dark Times ist angeschlagen und könnte sich ein paar Jahre später noch rehabilitieren.
Samstag, 13. Januar 2018
Das zweite Gesicht
Ein Kind verknüpfen wir als Erstes mit solchen Eigenschaften wie rein, unschuldig und wohlbehütet vor all dem oder den Bösen Dingen des Lebens. Das von diesen kleinen Geschöpfen, den nachwachsenden Generationen eine konsequente Bedrohung ausgeht oder direkt in diesen das Übel sitzt, ist seit Jahrzehnten ein Gedankenspiel Filmschaffender. Insbesondere der Horrorfilm kann mit solchen Werken wie Ein Kind zu töten... oder der bekannten Reihe um die Kinder des Zorns punkten. Gefühlt wohnt in der heutigen Zeit bei einigen der Kleinen schon heute der Teufel in ihnen, wenn Eltern, die selbst gerade dem Kindesalter entsprungen scheinen, merklich überfordert ihre Saat an "Arschlochkindern", all diesen Chantals und Kevins, der Gesellschaft aussetzen. Mit dem zum Synonym gewordenen Namen Kevin verknüpft man nicht nur weniger intelligente Kids oder Jugendliche, sondern einen Knirps, der mit seiner anarchischen Art Anfang der 90er die Kinokassen klingeln ließ. Macaulay Culkin wurde mit Kevin allein zu Haus und der Fortsetzung Kevin allein in New York zum neuen süßen Knuddelfratz. Davor sprang er dem Kinobesucher mit seiner Rolle in Allein mit Onkel Buck an der Seite von John Candy ins Gedächtnis; danach wurde die Schmachtstory My Girl ebenfalls ein profitabler Erfolg.
Was lag also näher, um den Massen ihren Liebling von einer neuen Seite zu zeigen? Im Thriller Das zweite Gesicht versucht Culkin gegen sein Image, ein rotzfrecher aber süßer und charmanter Bengel zu sein, anzuspielen. Dem Jungdarsteller gelingt dies leider nur bedingt. Seine Figur des Henry, der in einem krankhaften Eifersuchtsanfall den von seiner Familie aufgenommenen Mark versucht zu terrorisieren, bleibt stark oberflächlich. Das Build-up seines Charakters das hinter diesem (schon wieder) so lieben und freundlichen Jungen ein mordlüsterner Jungpsychopath steckt, wirkt bemüht und ist leider in den seltensten Fällen überzeugend. Der schwache Aufbau lässt die schockierende Wahrheit über den tragisch frühen Tod von Henrys Bruder Richard, leicht durchschaubar werden. Das Drehbuch müht sich, leichte Andeutungen zu machen, innerhalb der simpel konstruierten Geschichte entwickeln sie sich zu übergroßen Hinweisen, welche die Auflösung vorwegnehmen. Die morbiden Themen, über die der Junge mit seinem Cousin Mark, der nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater bei Henrys Familie geparkt wird um durch einen lukrativen Job Geld für die Beerdigung zusammenzukratzen, redet und seine makabren Spiele sind in Verbindung mit der glatten Fassade, die Hauptdarsteller Culkin besitzt, bemüht aber wirkungslos.
Man nimmt Culkin den boshaften, um seinen Willen zu bekommen über Leichen gehenden Jungen nicht ab. Es passt nicht zum Wesen des Jungens, der in den vorangegangen Filmen so leicht erscheint, weil er hier auch mehr er selbst und einfach Kind sein kann. Sein Schauspielpartner, der sehr junge Elijah Wood, schlägt sich entgegen anderer Stimmen besser. Man merkt seinen Hang, dramatisch und kurz vorm vom Schicksal erzwungenen Heulkrampf stehendes aufreißen der Augen, was er in Peter Jacksons Herr der Ringe perfektionierte, schon hier. Seiner Rolle kommt dies zu gute, wenn er als Mark verzweifelt versucht, Gehör bei Henrys Eltern zu finden, dass mit ihrem Sohn etwas nicht stimmt. Das Drehbuch lässt diese Rolle leider manchmal etwas aus dem Alter des Darstellers bzw. der Figur fallen und diese altklug erscheinen. Woods engagiertes Spiel schafft es dafür, dass Culkin für wenige Momente trotzdem bedrohlich wirkt. Diese sind in Joseph Rubens Film rar gesät, einsamer Höhepunkt ist Henrys Ausflug mit der kleinen Schwester zum Schlittschuhlaufen auf einem zugefrorenen See. Hier der stimmt der Einsatz an Spannung; das Timing ist ebenfalls passabel.
Dazwischen fühlt sich Das zweite Gesicht bieder an und wirkt wie eine TV-Produktion, die immerhin einige hübsche Landschaftsaufnahmen besitzt. Das sieht durchaus nett aus, hilft dem Film gesamt gesehen nicht weiter. Auf der Tonspur sieht es nicht anders aus. Elmer Bernsteins Score gniedelt ohne Unterlass und zwingt dem Film eine dramatische Note auf, welche die Geschichte niemals erreicht. An manchen Stellen stört das und weniger dick auftragen wäre weitaus mehr gewesen. Durch seinen Drehort, das herbstliche Maine, bekommt der Film wenigstens eine Atmosphäre wie sie auch einige Stephen King-Geschichten bzw. -Verfilmungen besitzen. Es ist eine der wenigen authentischen, glaubhaften Dinge des Films, der wie sein Star auf dem Filmplakat eine hübsche Mine aufsetzt, die spürbar gezwungen erscheint. Das zweite Gesicht dürfte schon damals nur im mittleren Alter befindliche Hausfrauen erschreckt haben, die von dem kleinen Zwerg so verzaubert waren und niemals geglaubt hätten, dass der Junge zu solch schrecklichen Taten fähig wäre.
Was lag also näher, um den Massen ihren Liebling von einer neuen Seite zu zeigen? Im Thriller Das zweite Gesicht versucht Culkin gegen sein Image, ein rotzfrecher aber süßer und charmanter Bengel zu sein, anzuspielen. Dem Jungdarsteller gelingt dies leider nur bedingt. Seine Figur des Henry, der in einem krankhaften Eifersuchtsanfall den von seiner Familie aufgenommenen Mark versucht zu terrorisieren, bleibt stark oberflächlich. Das Build-up seines Charakters das hinter diesem (schon wieder) so lieben und freundlichen Jungen ein mordlüsterner Jungpsychopath steckt, wirkt bemüht und ist leider in den seltensten Fällen überzeugend. Der schwache Aufbau lässt die schockierende Wahrheit über den tragisch frühen Tod von Henrys Bruder Richard, leicht durchschaubar werden. Das Drehbuch müht sich, leichte Andeutungen zu machen, innerhalb der simpel konstruierten Geschichte entwickeln sie sich zu übergroßen Hinweisen, welche die Auflösung vorwegnehmen. Die morbiden Themen, über die der Junge mit seinem Cousin Mark, der nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater bei Henrys Familie geparkt wird um durch einen lukrativen Job Geld für die Beerdigung zusammenzukratzen, redet und seine makabren Spiele sind in Verbindung mit der glatten Fassade, die Hauptdarsteller Culkin besitzt, bemüht aber wirkungslos.
Man nimmt Culkin den boshaften, um seinen Willen zu bekommen über Leichen gehenden Jungen nicht ab. Es passt nicht zum Wesen des Jungens, der in den vorangegangen Filmen so leicht erscheint, weil er hier auch mehr er selbst und einfach Kind sein kann. Sein Schauspielpartner, der sehr junge Elijah Wood, schlägt sich entgegen anderer Stimmen besser. Man merkt seinen Hang, dramatisch und kurz vorm vom Schicksal erzwungenen Heulkrampf stehendes aufreißen der Augen, was er in Peter Jacksons Herr der Ringe perfektionierte, schon hier. Seiner Rolle kommt dies zu gute, wenn er als Mark verzweifelt versucht, Gehör bei Henrys Eltern zu finden, dass mit ihrem Sohn etwas nicht stimmt. Das Drehbuch lässt diese Rolle leider manchmal etwas aus dem Alter des Darstellers bzw. der Figur fallen und diese altklug erscheinen. Woods engagiertes Spiel schafft es dafür, dass Culkin für wenige Momente trotzdem bedrohlich wirkt. Diese sind in Joseph Rubens Film rar gesät, einsamer Höhepunkt ist Henrys Ausflug mit der kleinen Schwester zum Schlittschuhlaufen auf einem zugefrorenen See. Hier der stimmt der Einsatz an Spannung; das Timing ist ebenfalls passabel.
Dazwischen fühlt sich Das zweite Gesicht bieder an und wirkt wie eine TV-Produktion, die immerhin einige hübsche Landschaftsaufnahmen besitzt. Das sieht durchaus nett aus, hilft dem Film gesamt gesehen nicht weiter. Auf der Tonspur sieht es nicht anders aus. Elmer Bernsteins Score gniedelt ohne Unterlass und zwingt dem Film eine dramatische Note auf, welche die Geschichte niemals erreicht. An manchen Stellen stört das und weniger dick auftragen wäre weitaus mehr gewesen. Durch seinen Drehort, das herbstliche Maine, bekommt der Film wenigstens eine Atmosphäre wie sie auch einige Stephen King-Geschichten bzw. -Verfilmungen besitzen. Es ist eine der wenigen authentischen, glaubhaften Dinge des Films, der wie sein Star auf dem Filmplakat eine hübsche Mine aufsetzt, die spürbar gezwungen erscheint. Das zweite Gesicht dürfte schon damals nur im mittleren Alter befindliche Hausfrauen erschreckt haben, die von dem kleinen Zwerg so verzaubert waren und niemals geglaubt hätten, dass der Junge zu solch schrecklichen Taten fähig wäre.
Dienstag, 9. Januar 2018
Get Out
Get Out traf im vergangenen Jahr den Nerv vieler Fans. Jordan Peeles Debüt als Regisseur dürfte wohl der gehypteste Genrefilm 2017 gewesen sein. Endlich wieder ein intelligenter Horrorfilm, der zudem ein brandaktuelles Thema aufgreift und daraus eine spannende Geschichte strickt, hieß es. Im Mittelpunkt derer steht ein junges Pärchen, Chris und Rose, deren erster Besuch bei Roses' Eltern seit Beginn ihrer Beziehung ansteht. Ist bei so einem ersten Treffen die Aufregung und die Frage, ob man von der Familie des Partners akzeptiert wird, ohnehin stark präsent, wird Chris doppelt von diesen Gedanken gemartert. Er brauche sich aber, so Rose, über seine schwarze Hautfarbe keine Sorgen zu machen. Ihre Eltern seien keine Rassisten. Nach ihrer Ankunft bei diesen scheinen Chris' Gedanken diesbezüglich vollkommen unbegründet. Was sich nach und nach ändert, als er zuerst die beiden schwarzen Hausangestellten sieht und bei einer Feier seiner Schwiegereltern in Spe auf deren Freunde, dem gehobenen Bürgertum entstammende, reiche Weiße, trifft die sich äußerst seltsam verhalten. Da ahnt Chris noch nicht im geringsten, wo er überhaupt gelandet ist.
Das Get Out, jüngst für den Golden Globe 2018 als bester Film in der Kategorie Komödie/Musical nominiert, überhaupt so hohe Wellen geschlagen hat, dürfte seinem Thema geschuldet sein. Der Rassismus, lange Zeit nur traurige Randerscheinung, rückte zurück ins Bewusstsein der Gesellschaft. Während auf dem europäischen Festland nationalistische und weit rechts zu verordnende Parteien wie die AfD, der Front National oder die Partei für die Freiheit viel Zuspruch einheimsen konnten, zog mit Donald Trump in den USA ein zwischen debilem Größenwahn und aggressivem Rechtspopulismus schwankender Mann als Präsident ins Weiße Haus ein. Schon davor wurden die Vereinigten Staaten von Unruhen erschüttert, Meldungen von willkürlich von der Polizei erschossenen Schwarzen geisterten immer wieder präsent durch die Medien. Trump wühlte mit seinem breiten Pflug aus Rassismus und Vorurteilen das Feld auf und säte erfolgreich einen egoistisch ausgelegten Nationalismus, der den einfach gestrickten Worten dieses Mannes auch aggressive Lösungen gegenüber der Bedrohung von Fremden befürwortete. Wenn eine Genreproduktion wie Get Out sich dessen zum Thema macht, klingt dies nicht nur kalkuliert, sondern durchaus auch als zur richtigen Zeit abgegebenes Statement.
Leider ist das Endergebnis bei weitem nicht so toll wie angenommen. Da kann man Stimmen, die den Film zum intelligentesten Beitrag des Horrorfilms für das Jahr 2017 machten, erschreckend finden. Bedient sich Get Out leider sehr unangenehmer Klischees, die sich im Verlauf des Films so widerwärtig ausbreiten, das jeglicher gute Ansatz des Films zunichte gemacht wird. Was zu Beginn mit einer unangenehmen Stimmung zu gefallen weiß, wird im weiteren Verlauf ein schematisch zu bekannt aufgebautes "Strike Back"-Szenario. Wenn man wie in der ersten Hälfte darauf vertraut, eine dichte Atmosphäre aufzubauen, die langsam und kurz unangenehme Andeutungen aufblitzen lässt, funktioniert Peeles Werk ziemlich gut. Man fühlt sich wie Chris unbehaglich und hat ständig im Hinterkopf, dass etwas sehr seltsames vor sich geht. Lässt das Drehbuch dann nach und nach die Hüllen fallen und dreht nach seinem langsamen Aufbau auf, bedient man sich leider gängiger Muster, die weit über dem Verfallsdatum sind. Der psychisch ausgeübten Gewalt, der versuchten Manipulation wird eine blutrünstige, gnadenlose Vendetta entgegen gestellt als wollten die Drehbuchautoren dem weißen Establishment und allen anderen Rassisten den Krieg erklären.
Deren aufgedeckte Motivation, wieso man nun nach den physischen wie psychischen Vorzügen der Schwarzen giert, ist unglaubwürdig und ein zu schräger Gedankengang, dass er zu dem vormals aufgebauten Szenario passt. Das man zudem das weiße Establishment und das gehobene Bürgertum angreift, sie als in die Gegenwart gesetzte Pervertierung dessen zeigt, was früher die reichen Farmen- und Plantagenbesitzer in der Zeit vor dem Bürgerkrieg waren, erscheint billig. Das weitaus größere Klischee ist leider das Bild der Schwarzen in Get Out. Wenn ein Film clever sein will und hier gängige Vorurteile und Klischees bedient, wie sich der "behütete" oder es nicht besser wissende Weiße diese eben vorstellt, ist dies im Endeffekt mehr unangenehm und dumm. Trauriger Höhepunkt ist Chris' bester Freund, der einer schlechten Komödie entsprungen zu sein scheint. Der durch diesen eingeschobene Humor ist komplett fehl am Platz und störend. Jeglich gewollter und mühsam aufgebauter Ernst wird mit seinem Auftauchen im Finale zunichte gemacht.
Bedauernswert an Get Out ist der Umstand, dass er ab der zweiten Hälfte sein gewiss vorhandenes Potenzial an die Wand fährt. Seine politische Brisanz, die der Stoff im Ansatz besitzt, wird zu einem ausgelutschten Horrorthriller der letztendlich eine üble Bauchlandung im wüsten Sumpf der Durchschnittlichkeit hinlegt. Wenn Chris gegen die Rassisten zurückschlägt, ist selbst die damit aufkommende Katharsis auf empathischer Ebene für den Zuschauer fast nicht vorhanden. Die aufgebaute Beziehung zwischen Protagonist und Rezipienten lässt man fallen um dem Publikum das zu geben, was es in solcher Situation erwartet: Blut und gnadenlose Rache. Das riecht nach einem Zugeständnis für ein breiteres Publikum, dem 08/15-Gucker, dessen Erwartungen damit befriedigt werden. Aus dem Intelligent wird ein Pseudointelligent und ein Schwanz einziehen der Macher, um aus Get Out wirklich einen schlau erzählten Film zu machen, der von der sorgfältig aufgebauten ersten Hälfte vor einem Totalversagen gerettet wird. Ansatzweise ist zu spüren, dass die benutzten Klischees dazu hätten führen können, den angeprangerten Rassismus innerhalb der Gesellschaft als selbstzweckhaftes Mittel zu nutzen, um einen Horrorthriller unter vielen mit vermeintlich realistischem Anstrich zu schaffen. Es nützt nichts, aktuelle Themen im Subtext des Genrefilms zu verarbeiten, wenn diese so klischeehaft überzeichnet werden. Es ist immer schön, wenn man in solchen "speziellen" Filmen Gesellschaftskritik herauslesen kann. Ärgerlich wird es erst dann, wenn wie bei Get Out diese nicht richtig ankommt, weil die vermeintlichen intelligenten Messages zwischen den Zeilen wie Seifenblasen zerplatzen.
Das Get Out, jüngst für den Golden Globe 2018 als bester Film in der Kategorie Komödie/Musical nominiert, überhaupt so hohe Wellen geschlagen hat, dürfte seinem Thema geschuldet sein. Der Rassismus, lange Zeit nur traurige Randerscheinung, rückte zurück ins Bewusstsein der Gesellschaft. Während auf dem europäischen Festland nationalistische und weit rechts zu verordnende Parteien wie die AfD, der Front National oder die Partei für die Freiheit viel Zuspruch einheimsen konnten, zog mit Donald Trump in den USA ein zwischen debilem Größenwahn und aggressivem Rechtspopulismus schwankender Mann als Präsident ins Weiße Haus ein. Schon davor wurden die Vereinigten Staaten von Unruhen erschüttert, Meldungen von willkürlich von der Polizei erschossenen Schwarzen geisterten immer wieder präsent durch die Medien. Trump wühlte mit seinem breiten Pflug aus Rassismus und Vorurteilen das Feld auf und säte erfolgreich einen egoistisch ausgelegten Nationalismus, der den einfach gestrickten Worten dieses Mannes auch aggressive Lösungen gegenüber der Bedrohung von Fremden befürwortete. Wenn eine Genreproduktion wie Get Out sich dessen zum Thema macht, klingt dies nicht nur kalkuliert, sondern durchaus auch als zur richtigen Zeit abgegebenes Statement.
Leider ist das Endergebnis bei weitem nicht so toll wie angenommen. Da kann man Stimmen, die den Film zum intelligentesten Beitrag des Horrorfilms für das Jahr 2017 machten, erschreckend finden. Bedient sich Get Out leider sehr unangenehmer Klischees, die sich im Verlauf des Films so widerwärtig ausbreiten, das jeglicher gute Ansatz des Films zunichte gemacht wird. Was zu Beginn mit einer unangenehmen Stimmung zu gefallen weiß, wird im weiteren Verlauf ein schematisch zu bekannt aufgebautes "Strike Back"-Szenario. Wenn man wie in der ersten Hälfte darauf vertraut, eine dichte Atmosphäre aufzubauen, die langsam und kurz unangenehme Andeutungen aufblitzen lässt, funktioniert Peeles Werk ziemlich gut. Man fühlt sich wie Chris unbehaglich und hat ständig im Hinterkopf, dass etwas sehr seltsames vor sich geht. Lässt das Drehbuch dann nach und nach die Hüllen fallen und dreht nach seinem langsamen Aufbau auf, bedient man sich leider gängiger Muster, die weit über dem Verfallsdatum sind. Der psychisch ausgeübten Gewalt, der versuchten Manipulation wird eine blutrünstige, gnadenlose Vendetta entgegen gestellt als wollten die Drehbuchautoren dem weißen Establishment und allen anderen Rassisten den Krieg erklären.
Deren aufgedeckte Motivation, wieso man nun nach den physischen wie psychischen Vorzügen der Schwarzen giert, ist unglaubwürdig und ein zu schräger Gedankengang, dass er zu dem vormals aufgebauten Szenario passt. Das man zudem das weiße Establishment und das gehobene Bürgertum angreift, sie als in die Gegenwart gesetzte Pervertierung dessen zeigt, was früher die reichen Farmen- und Plantagenbesitzer in der Zeit vor dem Bürgerkrieg waren, erscheint billig. Das weitaus größere Klischee ist leider das Bild der Schwarzen in Get Out. Wenn ein Film clever sein will und hier gängige Vorurteile und Klischees bedient, wie sich der "behütete" oder es nicht besser wissende Weiße diese eben vorstellt, ist dies im Endeffekt mehr unangenehm und dumm. Trauriger Höhepunkt ist Chris' bester Freund, der einer schlechten Komödie entsprungen zu sein scheint. Der durch diesen eingeschobene Humor ist komplett fehl am Platz und störend. Jeglich gewollter und mühsam aufgebauter Ernst wird mit seinem Auftauchen im Finale zunichte gemacht.
Bedauernswert an Get Out ist der Umstand, dass er ab der zweiten Hälfte sein gewiss vorhandenes Potenzial an die Wand fährt. Seine politische Brisanz, die der Stoff im Ansatz besitzt, wird zu einem ausgelutschten Horrorthriller der letztendlich eine üble Bauchlandung im wüsten Sumpf der Durchschnittlichkeit hinlegt. Wenn Chris gegen die Rassisten zurückschlägt, ist selbst die damit aufkommende Katharsis auf empathischer Ebene für den Zuschauer fast nicht vorhanden. Die aufgebaute Beziehung zwischen Protagonist und Rezipienten lässt man fallen um dem Publikum das zu geben, was es in solcher Situation erwartet: Blut und gnadenlose Rache. Das riecht nach einem Zugeständnis für ein breiteres Publikum, dem 08/15-Gucker, dessen Erwartungen damit befriedigt werden. Aus dem Intelligent wird ein Pseudointelligent und ein Schwanz einziehen der Macher, um aus Get Out wirklich einen schlau erzählten Film zu machen, der von der sorgfältig aufgebauten ersten Hälfte vor einem Totalversagen gerettet wird. Ansatzweise ist zu spüren, dass die benutzten Klischees dazu hätten führen können, den angeprangerten Rassismus innerhalb der Gesellschaft als selbstzweckhaftes Mittel zu nutzen, um einen Horrorthriller unter vielen mit vermeintlich realistischem Anstrich zu schaffen. Es nützt nichts, aktuelle Themen im Subtext des Genrefilms zu verarbeiten, wenn diese so klischeehaft überzeichnet werden. Es ist immer schön, wenn man in solchen "speziellen" Filmen Gesellschaftskritik herauslesen kann. Ärgerlich wird es erst dann, wenn wie bei Get Out diese nicht richtig ankommt, weil die vermeintlichen intelligenten Messages zwischen den Zeilen wie Seifenblasen zerplatzen.
Mittwoch, 3. Januar 2018
Die Rache des Paten
Bemüht man Google um Informationen über Andrea Bianchi stößt man auf ein Bild des Regisseurs, der darauf ein wenig so aussieht, wie sich seine Filme anfühlen. Auf den ersten Blick bemüht seriös, nach längerem Hinsehen bemerkt man eine latente Schmierigkeit. Schmutz schimmert durch die mühsam aufrecht erhaltene Seriosität. Bianchi wirkt abgekämpft, ausgelaugt und an einem Punkt angelangt, an dem er für Geld (fast) alles machen würde. Der italienische Regisseur gehört nicht gerade zu den Meistern seines Faches und wird sogar in Fankreisen des öfteren Nase rümpfend betrachtet. Seine Filme polarisieren, stehen sie doch für schnell und möglichst billig heruntergekurbeltes Unterhaltungskino, welches sich einen Dreck um künstlerischen Anspruch oder Message kümmert. Das sind 101 Prozent Exploitation und Filme wie der immer wieder an der Pornografie schrammende, dauerberammelte Exorzisten-Rip Off Malabimba oder der schnell auf die damalige Zombiewelle aufzuspringen versuchende Die Rückkehr der Zombies, der noch nie so spaßig inhaltslosen Matschesplatter präsentierte.
Nach vielen Jahren, in denen ich nur eventuell verklärte Liebesbekundungen im Internet las oder von Freunden hörte, war endlich - dank der jüngst erschienenen Blu Ray von filmArt - die Zeit gekommen, eine Lücke zu schließen und Bianchis Die Rache des Paten anzuschauen. Meine Erwartungen waren so gut es durch seinen ihm vorauseilenden Ruf ging, auf ein Minimum zurückgeschraubt. Ich mag seinen Zombiefilm und auch sein sleaziger Giallo Die Nacht der langen Messer bereitet mir viel Freude. Die niedrig gesteckten Erwartungen wurden übertroffen und meine Meinung über das limitierte Talent Bianchis Lügen gestraft. Sein mit schmalem Geldbeutel realisierter Poliziottescho entpuppt sich als sein am sorgfältigsten umgesetzter Film. Der prägnante Score, mit für das Genre ungewohnte Instrumenten wie einer Maultrommel umgesetzt, untermalt zu Beginn eine aus dem Wageninneren heraus gefilmte Autofahrt. Die vorbeirauschenden Landschaften schaffen zusammen mit der Musik eine leichte Atmosphäre, die Bianchi innerhalb weniger Minuten durch einen plötzlichen Unfall der Wageninsassen samt erster Brachialeffekte zunichte macht.
Kurz darauf folgt die erste Geschmacklosigkeit, über die sich auch die örtlichen Mafiachefs des Films echauvieren. Das im Auto befindliche Kind war nicht nur schon längst tot, sondern auch befüllt. Schergen des unverfrorenen Unholds Don Ricuzzo nutzen Kinderleichen, um ihr Heroin durch die Lande zu schmuggeln. Das sowas ehrenloses nicht zum Mafiaehrenkodex passt, stellen die Vertreter verschiedener Mafiaclans schnell fest und entsenden den richtigen Mann, um Don Ricuzzo auszuschalten: Toni Aniante ist ein Italo-Amerikaner, frisch aus den USA zurückgekehrt um im Land des Stiefels aufzuräumen. Aniante stellt schnell klar, dass mit ihm wortwörtlich nicht gut Kirschen essen ist; die von ihm gekaperte Ladung an frischem Obst entlarvt sich geschwind als weitere Drogenschmuggelei. Toni macht zuerst gemeinsame Sache mit Don Turi, um sich dessen Unterstützung im Kampf gegen Ricuzzo zu sichern. Im weiteren Verlauf wechselt Aniante absichtlich oder gezwungenermaßen die Seiten zwischen Turi und Ricuzzo um diese gegeneinander auszuspielen und die Männer des verhassten Mafiabosses auszuschalten.
Sowas könnte zu einem Gangsterfilm unter vielen werden; setzt man die rosarote Fanbrille ab, ist Die Rache des Paten dies auch. Seine Besonderheit besteht darin, wie hübsch Bianchi hier die Geschmacklosigkeiten und unglaublichen Momente verpackt und sich frech bei der Geschichte von Für eine Handvoll Dollar bedient. In Bianchis Schmalspur-Gangster-Epos ist der lachende Dritte, der zwei Clans gegeneinander ausspielt, kein Fremder ohne Namen oder Hintergrundgeschichte. Toni Aniante wird knapp und prägnant vorgestellt, macht wie Clint Eastwood in Leones legendärem Italowestern mit beiden Parteien gemeinsame Sache um dann allen menschlichen Schwächen zum Trotz, die bei jeder näher beleuchteten Figur herausgearbeitet wurde, der vermeintlich guten Seite beizustehen. Diese Entscheidung ist für das manchmal löchrige Drehbuch, dass die Geschichte in grob zusammengehaltenen Episoden erzählt, ein Gewinn. Diese erzählerische Variation mag nicht die raffinierteste sein, lässt Die Rache des Paten im Gesamten eigenständiger und nicht als bloße Kopie eines großen Vorbildes wirken.
Was das Drehbuch und Bianchis schludrige Regie nicht schaffen, macht der Film mit seinen Darstellern, einzelnen Szenen voller entfesselter Hemmungslosigkeit in Gewalt- und Figurendarstellung und seinem Drehort wett. Der in Ligurien gedrehte Film wird im Vergleich mit anderen Poliziotteschi zu einem erfrischenden Kontrast; die Drehorte erinnern manchmal sogar an süditalienische Dörfer. Eine schöne Abwechslung zu den meist in den reichen, dicht bevölkerten Städten des italienischen Nordens spielenden Polizeifilmen. Die ländliche Umgebung wird zum Stellvertreter der verfallenen, staubigen Ansammlungen an Bretterbuden, die im Italowestern eine Stadt zu bilden versuchen. Die Landsitze der beiden Mafiosi sind mit den Ranches der Bandenbosse gleichzusetzen. Was Bianchi ohne mit der Wimper zu zucken an ungeheuerlichen Dingen präsentiert, lässt Die Rache des Paten zum Citizen Kane des italienischen Exploitationkinos mutieren. Gut und Böse werden beinahe aufgelöst, Bianchis Kosmos wird von unmenschlich agierenden Figuren bevölkert, die ihre Menschlichkeit und Empathie am Rande durchblitzen lassen. Die vom Italowestern etablierte Zuwendung zu einem Antihelden wird hier auf die Spitze getrieben.
Toni Aniante, herrlich steinern von Henry Silva gemimt, ist ein nicht zimperlicher Genosse, dessen Werte dem alten System seiner Bosse entspricht, der dieses mit gleicher Gnadenlosigkeit wie seine Gegenspieler verteidigt. Er ist nicht gerade zurückhaltend bei der Verteidigung moralischer Werte innerhalb der Mafia und geht in seiner Entschlossenheit über Leichen. Das Aniante dabei immer wieder mit einem geheimnisvollen Pfeifen angekündigt wird, lange bevor er das Bild betritt, unterstreicht die Nähe des Films zum Italowestern. Diese findet man auch in den hübschen Bildern von Kameramann Carlo Carlini, welche die Bildsprache des Genres aufgreift und diese in ein Buket aus Gewalt und landschaftlicher Schönheit bettet. Nach den überästhetisierten Symbiosen aus Blut, Brutalitäten und Hochglanzbildern des Giallo schafft es (ausgerechnet) Andrea Bianchi, auch das stark sleazige Exploitationkino, den schundigen Orkus des Films, der bisher trist und trostlos von Gewaltspitze zu Gewaltspitze und Sexszene zu Sexszene eilte, einen gewissen Stil zu verleihen. Da wirken Szenen, in denen Henry Silva die hübsche Barbara Bouchet mit einer Gürtelschnalle verprügelt, sie in einer Küche beim Akt brutal in eine von der Decke hängendes, ausgenommenes Schwein hineinvögelt, er längst tote Handlanger von Don Riccuzo nochmal mit einem Bulldozer überrollt oder Don Ricuzzos Liebesspiele mit seiner Prostituiertengattin nicht komplett schäbig und schundig.
Wirken diese Szenen im ersten Moment ob ihres stumpfen Charakters überraschend und überzogen, entfalten sie auf längerer Sicht eine beinahe epische Wirkung. Bianchi und sein Team griffen nach klassischem Stoff, der in ihren Händen zu Schund der schönsten Sorte wird. Der Italiener hätte öfter mit einem Team arbeiten sollen, welches wie hier seine Schwächen in der Erzählung der Geschichte mit ihrem Einsatz an Kamera, Schnitt und Musik kaschieren kann. Mit gut aufgelegten Darstellern gewinnt die manchmal unübersichtlich werdende Geschichte, die eigentlich so einfach aufgebaut ist, durch die Kraft ihrer einzelnen Szenen. Jedes kleinste Detail, wie zum Beispiel die Sturzbäche, die Silva während des Films zu schwitzen scheint, wird zu einem weiteren, feiernswerten Moment. Ich meine Christian Keßler war es, der irgendwann über Bianchi schrieb, dass er ruhig mehr Filme hätte machen können. Dem kann ich nur beipflichten. Nach der Sichtung von Die Rache des Paten hätte ich mir von ihm ruhig auch mehr Poliziotteschi oder ruhig auch einen Italowestern von ihm gewünscht. Es sind Genres, die dem Italiener wohl sehr gelegen hätten. Doch es kam nicht so. Dafür kann man sich mit bestem Gewissen diese kleine Sternstunde des italienischen Exploitationfilms anschauen. Bianchi schuf mit diesem Film nicht nur einen tollen, unglaublichen und vollkommen positiv widerwärtigen Poliziottescho der im Kern ein verkappter Italowestern ist, sondern - das stellt Keßler auch im Booklet des filmArt-Releases fest - auch eine gut 90-minütige Antwort auf die Frage, was das italienische "Schund"- bzw. Genrekino so liebenswert macht.
Nach vielen Jahren, in denen ich nur eventuell verklärte Liebesbekundungen im Internet las oder von Freunden hörte, war endlich - dank der jüngst erschienenen Blu Ray von filmArt - die Zeit gekommen, eine Lücke zu schließen und Bianchis Die Rache des Paten anzuschauen. Meine Erwartungen waren so gut es durch seinen ihm vorauseilenden Ruf ging, auf ein Minimum zurückgeschraubt. Ich mag seinen Zombiefilm und auch sein sleaziger Giallo Die Nacht der langen Messer bereitet mir viel Freude. Die niedrig gesteckten Erwartungen wurden übertroffen und meine Meinung über das limitierte Talent Bianchis Lügen gestraft. Sein mit schmalem Geldbeutel realisierter Poliziottescho entpuppt sich als sein am sorgfältigsten umgesetzter Film. Der prägnante Score, mit für das Genre ungewohnte Instrumenten wie einer Maultrommel umgesetzt, untermalt zu Beginn eine aus dem Wageninneren heraus gefilmte Autofahrt. Die vorbeirauschenden Landschaften schaffen zusammen mit der Musik eine leichte Atmosphäre, die Bianchi innerhalb weniger Minuten durch einen plötzlichen Unfall der Wageninsassen samt erster Brachialeffekte zunichte macht.
Kurz darauf folgt die erste Geschmacklosigkeit, über die sich auch die örtlichen Mafiachefs des Films echauvieren. Das im Auto befindliche Kind war nicht nur schon längst tot, sondern auch befüllt. Schergen des unverfrorenen Unholds Don Ricuzzo nutzen Kinderleichen, um ihr Heroin durch die Lande zu schmuggeln. Das sowas ehrenloses nicht zum Mafiaehrenkodex passt, stellen die Vertreter verschiedener Mafiaclans schnell fest und entsenden den richtigen Mann, um Don Ricuzzo auszuschalten: Toni Aniante ist ein Italo-Amerikaner, frisch aus den USA zurückgekehrt um im Land des Stiefels aufzuräumen. Aniante stellt schnell klar, dass mit ihm wortwörtlich nicht gut Kirschen essen ist; die von ihm gekaperte Ladung an frischem Obst entlarvt sich geschwind als weitere Drogenschmuggelei. Toni macht zuerst gemeinsame Sache mit Don Turi, um sich dessen Unterstützung im Kampf gegen Ricuzzo zu sichern. Im weiteren Verlauf wechselt Aniante absichtlich oder gezwungenermaßen die Seiten zwischen Turi und Ricuzzo um diese gegeneinander auszuspielen und die Männer des verhassten Mafiabosses auszuschalten.
Sowas könnte zu einem Gangsterfilm unter vielen werden; setzt man die rosarote Fanbrille ab, ist Die Rache des Paten dies auch. Seine Besonderheit besteht darin, wie hübsch Bianchi hier die Geschmacklosigkeiten und unglaublichen Momente verpackt und sich frech bei der Geschichte von Für eine Handvoll Dollar bedient. In Bianchis Schmalspur-Gangster-Epos ist der lachende Dritte, der zwei Clans gegeneinander ausspielt, kein Fremder ohne Namen oder Hintergrundgeschichte. Toni Aniante wird knapp und prägnant vorgestellt, macht wie Clint Eastwood in Leones legendärem Italowestern mit beiden Parteien gemeinsame Sache um dann allen menschlichen Schwächen zum Trotz, die bei jeder näher beleuchteten Figur herausgearbeitet wurde, der vermeintlich guten Seite beizustehen. Diese Entscheidung ist für das manchmal löchrige Drehbuch, dass die Geschichte in grob zusammengehaltenen Episoden erzählt, ein Gewinn. Diese erzählerische Variation mag nicht die raffinierteste sein, lässt Die Rache des Paten im Gesamten eigenständiger und nicht als bloße Kopie eines großen Vorbildes wirken.
Was das Drehbuch und Bianchis schludrige Regie nicht schaffen, macht der Film mit seinen Darstellern, einzelnen Szenen voller entfesselter Hemmungslosigkeit in Gewalt- und Figurendarstellung und seinem Drehort wett. Der in Ligurien gedrehte Film wird im Vergleich mit anderen Poliziotteschi zu einem erfrischenden Kontrast; die Drehorte erinnern manchmal sogar an süditalienische Dörfer. Eine schöne Abwechslung zu den meist in den reichen, dicht bevölkerten Städten des italienischen Nordens spielenden Polizeifilmen. Die ländliche Umgebung wird zum Stellvertreter der verfallenen, staubigen Ansammlungen an Bretterbuden, die im Italowestern eine Stadt zu bilden versuchen. Die Landsitze der beiden Mafiosi sind mit den Ranches der Bandenbosse gleichzusetzen. Was Bianchi ohne mit der Wimper zu zucken an ungeheuerlichen Dingen präsentiert, lässt Die Rache des Paten zum Citizen Kane des italienischen Exploitationkinos mutieren. Gut und Böse werden beinahe aufgelöst, Bianchis Kosmos wird von unmenschlich agierenden Figuren bevölkert, die ihre Menschlichkeit und Empathie am Rande durchblitzen lassen. Die vom Italowestern etablierte Zuwendung zu einem Antihelden wird hier auf die Spitze getrieben.
Toni Aniante, herrlich steinern von Henry Silva gemimt, ist ein nicht zimperlicher Genosse, dessen Werte dem alten System seiner Bosse entspricht, der dieses mit gleicher Gnadenlosigkeit wie seine Gegenspieler verteidigt. Er ist nicht gerade zurückhaltend bei der Verteidigung moralischer Werte innerhalb der Mafia und geht in seiner Entschlossenheit über Leichen. Das Aniante dabei immer wieder mit einem geheimnisvollen Pfeifen angekündigt wird, lange bevor er das Bild betritt, unterstreicht die Nähe des Films zum Italowestern. Diese findet man auch in den hübschen Bildern von Kameramann Carlo Carlini, welche die Bildsprache des Genres aufgreift und diese in ein Buket aus Gewalt und landschaftlicher Schönheit bettet. Nach den überästhetisierten Symbiosen aus Blut, Brutalitäten und Hochglanzbildern des Giallo schafft es (ausgerechnet) Andrea Bianchi, auch das stark sleazige Exploitationkino, den schundigen Orkus des Films, der bisher trist und trostlos von Gewaltspitze zu Gewaltspitze und Sexszene zu Sexszene eilte, einen gewissen Stil zu verleihen. Da wirken Szenen, in denen Henry Silva die hübsche Barbara Bouchet mit einer Gürtelschnalle verprügelt, sie in einer Küche beim Akt brutal in eine von der Decke hängendes, ausgenommenes Schwein hineinvögelt, er längst tote Handlanger von Don Riccuzo nochmal mit einem Bulldozer überrollt oder Don Ricuzzos Liebesspiele mit seiner Prostituiertengattin nicht komplett schäbig und schundig.
Wirken diese Szenen im ersten Moment ob ihres stumpfen Charakters überraschend und überzogen, entfalten sie auf längerer Sicht eine beinahe epische Wirkung. Bianchi und sein Team griffen nach klassischem Stoff, der in ihren Händen zu Schund der schönsten Sorte wird. Der Italiener hätte öfter mit einem Team arbeiten sollen, welches wie hier seine Schwächen in der Erzählung der Geschichte mit ihrem Einsatz an Kamera, Schnitt und Musik kaschieren kann. Mit gut aufgelegten Darstellern gewinnt die manchmal unübersichtlich werdende Geschichte, die eigentlich so einfach aufgebaut ist, durch die Kraft ihrer einzelnen Szenen. Jedes kleinste Detail, wie zum Beispiel die Sturzbäche, die Silva während des Films zu schwitzen scheint, wird zu einem weiteren, feiernswerten Moment. Ich meine Christian Keßler war es, der irgendwann über Bianchi schrieb, dass er ruhig mehr Filme hätte machen können. Dem kann ich nur beipflichten. Nach der Sichtung von Die Rache des Paten hätte ich mir von ihm ruhig auch mehr Poliziotteschi oder ruhig auch einen Italowestern von ihm gewünscht. Es sind Genres, die dem Italiener wohl sehr gelegen hätten. Doch es kam nicht so. Dafür kann man sich mit bestem Gewissen diese kleine Sternstunde des italienischen Exploitationfilms anschauen. Bianchi schuf mit diesem Film nicht nur einen tollen, unglaublichen und vollkommen positiv widerwärtigen Poliziottescho der im Kern ein verkappter Italowestern ist, sondern - das stellt Keßler auch im Booklet des filmArt-Releases fest - auch eine gut 90-minütige Antwort auf die Frage, was das italienische "Schund"- bzw. Genrekino so liebenswert macht.