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Dienstag, 20. Februar 2018

Here Comes The Devil

Nach dem Schauen von Adrian Garcia Boglianos Here Comes The Devil stellt sich zuerst die Frage: Wer ist der Teufel? Wo ist der Teufel? Das dieser in Gestalt zweier dämonischer Wechselbälger in das Leben einer Familie eintritt, scheint zu einfach. Das dies darüber hinaus in nur wenigen Szenen thematisiert wird, wenn der Film des Spaniers sich Horrorkonventionen beugt, die im Kontext der Geschichte nicht uninteressant, aber eben zu konservativ für den restlichen Film sind, lässt die Fragen relevant bleiben. Bogliano lässt den Teufel in seinem Film, getreu der bekannten Redewendung, viele Gesichter haben. Eines davon tragen Adolfo und Sara, die Kinder von Felix und Sol. Diese kehren Abends bei einem Familienausflug, die Geschwister erkunden einen Hügel während sich die Eltern im Auto der körperlichen Liebe hingeben, nicht wieder heim. Die Sorgen sind groß und erst dann aus der Welt des Paares, als die Polizei ihre Kinder aufgabelt und nach Hause bringt. Seitdem verhalten sich Sara und Adolfo merkwürdig. Sie sind zurückgezogen, reden kaum noch ein Wort und besuchen anstatt der Schule lieber immer wieder den geheimnisvoll erscheinenden Hügel. Felix und Sol stellen Nachforschungen an, was einen fürchterlichen Verdacht mit sich bringt.

In diesen Phasen gefällt der Film, wenn er die in kurzen Höhepunkten hervorstechenden Horrorszenen schnell zugunsten subversiver Elemente abflauen lässt. Here Comes The Devil ist bedeutungsschwanger und lässt erkennen, wie clever er hätte sein können. Dies soll keineswegs heißen, dass er es nicht ist. Der im Entstehungsland Mexiko und dem Geburtsland Boglianos, Spanien, vorherrschende strenge Katholizismus und der heutzutage offene Umgang der Gesellschaft mit Sexualität, dieser für die Kirche und ihre Lehre großen Sünde, ist tief in den hintergründigen Zeilen der Geschichte verwurzelt. Zu Beginn erleben wir die Sünde pur, mit einer verschwitzten, hitzigen Lesbensexszene die in einem deftigen Mord gipfelt. Homosexualität, offen ausgelebt und zur Schau gestellt, wird zugleich - trotz eines schlechten Gewissens einer der beiden Frauen - wie im konservativ gefärbten US-Slasher der 80er Jahre mit dem Tod bestraft. Dass der hier eingeführte Serienmörder nur eine Randerscheinung ist, ein Storyfaden, der leider irgendwann fallen gelassen wird, lässt die ganze Anfangsszene leicht aus der Spur gefallen erscheinen. Diese und eine in der Mitte des Films platzierte, äußerst blutige Szene wollen nicht komplett passen. Rückstände, die zeigen, dass Bogliano bei früheren Werken wie dem irrwitzigen Cold Sweat oder dem ebenfalls nicht sehr zimperlichen, vor langer Zeit besprochenen Rape and Revenge-Film I'll Never Die Alone nicht gerade zimperlich war.

Mit diesen und der sleazigen, wenn auch gut umgesetzten Sexszene von Felix und Sol im Auto ist Here Comes The Devil ein offenes zerrissen sein zwischen Aufgeschlossenheit, die in exploitativen Eruptionen mündet und der Behandlung von Sexualität als Form des Bösen. Eingeleitet von Saras erster Monatsblutung, die während des Ausflugs eintritt und vom Bruder zuerst als Verletzung gedeutet wird, deutet der Film in Richtungen sexueller Tabus und Grenzen. Es folgen Andeutungen auf ein inzestuöses Verhältnis der Geschwister bis zum sexuellen Missbrauch und einem daraus mündenden Trauma. Ein geistig leicht zurückgebliebener, am Hügel in seinem Wohnmobil lebender Mann Namens Lucio wird von den Eltern ausfindig gemacht. Dessen Arbeitswagen wurde bei der Suche nach den Kindern von Felix gesehen; andere Begebenheiten lassen den Verdacht der Eltern erhärten, das dieser als abnormal gesehene Mensch den Kindern etwas angetan haben muss. Fleischeslust, der menschliche Trieb, wird als Auslöser der Tragödie(n) dargestellt. Der blutig rote Fleck auf Saras Hose, das Zeichen der plötzlich gekommenen Monatsblutung steht als Übergang vom unschuldigen Dasein als Kind zur sündigen Existenz des Erwachsenen.

Viel mehr ist dies gleichzeitig das Zeichen des Teufels, wobei es nur eines von vielen ist. Boglianos Teufel ist vielseitig. Er ist die aufkeimende Sexualität, dieses erwachen der Lust, aber auch die leichte Entfremdung in der Beziehung von Felix und Sol. Diese wirken als hätten sie sich trotz der Beziehung gemeinsam bzw. gegenseitig verloren und finden nurr wieder durch Sex zueinaner. Deren Leichtfertigkeit, die Kinder alleine auf den Hügel gehen zu lassen, um sich selbst den Trieben hinzugeben, kann schnell als Schuldbringer ausfindig gemacht werden. Der Teufel wird sogar namentlich herangezogen, wenn die Todsünde Zorn zu blutiger Rache führt. Wirklich schade, dass das Buch nicht richtig weiß, etwas damit anzufangen. Der bedrohlichen Stimmung zum Trotz, kulminiert vieles in den angesprochenen Horrorszenerien, die durch den ungelenken Umgang mit den Themen manche Subtilität tötet, indem dämonisches Treiben und Besessenheit als vordergründige Erklärung für Saras und Adolfos seltsames Verhalten herhalten muss. Für den dazwischen stattgefundenen Verlauf ist das zu dick aufgetragen. Here Comes The Devil ist da zu unkonstant und fühlt sich, kennt man Boglianos Nachfolgefilm Late Phases, ein hübsches Vater-Sohn-Drama mit Werwolfhorror-Aufsatz, wie eine Fingerübung an.

Das Finale mit seiner groß geglaubten Auflösung schadet den feinfühligeren Momenten leider mehr, als das es dem Film hilft. Die angedeuteten inzestuösen Momente, das zurückgezogene Verhalten der Kinder, dass man auch als Missbrauchstrauma verstehen kann: jeder subversive, subtile Moment des unterschwelligen Horrors wird für die einfacher gehaltene Seite des Films aufgegeben, nahezu geopfert. Es ist ein Wermutstropfen für einen sonst sehr interessant gehaltenen Film, dessen Buch und Regie an einigen Stellen für diese Ansätze zu plump agiert. Leider lässt das digitale Filmmaterial auch keine richtige bzw. dichte Atmosphäre zu. Here Comes The Devil ist damit zu seiner eigenen Geschichte manches Mal seltsam distanziert und zu geleckt in seinem Look. Die Distanz passt zu den nuancierten Szenen, komplett greif- und fühlbar ist die Geschichte indes leider nie. Mehr Mut zu Feingefühl und das loslassen von kruden Horrorelementen, die dem Film mehr schaden (das zieht sich bis zum rumpeligen Death Metal-Stück im Abspann) als helfen. Seine Verworrenheit, die mit der Pubertät und dem erwachsen werden ebenfalls auftaucht wie die hier verteufelte, langsam aufblühende Sexualität, schadet den ansonsten tollen Anflügen subtilen, hintergründigen Horrors. Letztendlich ist so manche ungelenke Herangehensweise wie sie auch bei Here Comes The Devil praktiziert wird, sehenswert, den damit verbundenen Schwächen zum Trotz.

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