Wir kennen sicher alle diese eine Person, die im Freundes- oder Bekanntenkreis ist, die nicht müde wird, infantile und pubertäre Witzchen zu reißen. Manchmal gibt's diese Person auch bei den Verwandten als dieser eine Onkel, meist vielleicht sogar Langzeitsingle (das scheint sich als klischeehafter Standard durchgesetzt zu haben), der immer diese Zoten reißt. Zu Beginn ruft das wohl noch den einen oder anderen Lacher hervor, der mit der Zeit immer müder wird. Alles was im entferntesten Zweideutigkeiten mit sich bringt, wird in Spitzenzeiten für den nächsten Witz verwurstet. Die Fremdscham wächst und selbst wenn man diesen Mensch wegen anderer Vorzüge durchaus mag, ist man froh, wenn das Aufeinandertreffen zu Ende ist. Vielleicht ist Roberto San Sebastián das ein bisschen. Wäre sein Langfilmdebüt Night of the Virgin ein Mensch, könnte man den Film durchaus so beschreiben.
Was als schräge Mixtur aus Horror und Teeniekomödie beginnt, steigert sich über knappe zwei Stunden in eine krude Sammlung aller erdenklicher Körperflüssigkeiten, die schwerlich merkt, wann es mal gut ist. Der Film schießt über sein Ziel hinaus und zeigt deutlich, dass es San Sebastián an Timing fehlt. Szenen werden bis zum Äußersten in die Länge gezogen, was schon den ansehnlichen Beginn des öfteren zum Straucheln bringt. Da könnte man Night of the Virgin fast als hintergründig ätzende Satire sehen, die sich das bemühte Paarungspartner suchen in der Disse zur Brust nimmt. Protagonist Nico ist dabei die starke Überzeichnung eines typischen Verlierertypen, der nur schwer Erfolg beim anderen Geschlecht hat. Mit schlechter Frisur, wenig hübschem Gesicht, Überbiss und einem geschmacklosen alten Anzug sitzt er einsam in einer Disse, bekommt von einer auserwählten Schönheit auf die Schuhe gekotzt und hakt den Abend geistig als gelaufen ab. Da trifft er auf die ältere Medea, die den jungen Mann mitsamt seines aufgepumpten Hormonspiegels mit in ihre bescheidene Behausung mitnimmt.
Dort angekommen soll er auf die Kakerlaken (!) aufpassen, wenn er auf eine treten sollte, brächte das Unglück mit sich (!!). Kaum in der Wohnung, passiert Nico dieses Missgeschick, welches er erfolgreich verbergen kann. Doch zum erhofften Geschlechtsakt kommt es nicht. Entweder lenkt ihn die sich seltsam benehmende Medea ab oder Nico schafft es nicht, über seinen Schatten zu springen. Als es zum erhofften Akt kommen soll, schläft Medea mitsamt Penis in der Hand auf ihm ein und dann klopft "Spinne", der Ex-Freund der Hausherrin, an die Tür und bittet mit harschem Ton um Einlass. Während Nico dadurch immer mehr die Lust daran verliert, den Akt endlich zu vollziehen, drängen ihn von drinnen Medea und von außen Spinne, endlich Sex zu haben. Warum beide so scharf darauf sind, was das ganze mit einer nepalesischen Gottheit und einer im Bad in einem Kelch aufbewahrten Monatsblutung zu tun hat, erfährt der zu seinem Unglück mit zu großer Notgeilheit ausgestattete Nico schmerzlich am eigenen Leib.
Bis die Geschichte dort ankommt, hat der Film mit seinem Protagonisten gemein, dass beide nicht so richtig wissen, was sie tun sollen. Sein ungelenkes, halb peinliches, halb mitleiderregendes Balzen und der Versuch, Medea näher zu kommen, führt zu einigen witzigen, wenn auch kurzen, Momenten in der Geschichte. Die verpuffen schnell, Nico blitzt ab oder wird von eigenen Hemmungen aufgehalten und dann steht er trostlos in der Gegend herum. Ein Sinnbild für die erzählerischen Schwächen des Films, der hier merklich unentschlossen ist, um schon nach gefühlt dutzenden Andeutungen über Medeas Geschichte endlich zum Punkt zu kommen. Anstatt dies durchzuziehen, nimmt man sich den nächsten faden Kalauer zur Brust. Ein fataler Fehler. Das raubt Night of the Virgin jegliche Subversivität und lässt ihn mit Medeas Wandlung zur tödlichen Gefahr den Film in Geschmacklosigkeiten (ent)gleiten, aus den er sich nicht mehr retten kann. Schlimmer noch wird sein Unterton recht zweifelhaft. Nicos gespielter Machismo ist da keine entlarvende Karikatur von sexistischen Alphamännchen dümmlichster Natur, sondern mit der zunehmenden Verwendung des Wortes schwul als Schimpfwort einfach nur peinlich, dumm und sexistisch.
Autor Guillermo Guerrero trägt lieber zur Schau, dass er es unglaublich lustig findet, literweise Körperflüssigkeiten vergießen zu lassen und so oft wie möglich obszöne Wörter zu nutzen. Ich bin beileibe kein Sensibelchen oder erbitterter Verfechter hundertprozentiger Political Correctness. Obwohl ich mich von meinem Denken her sehr weit links einordne, finde ich die krampfhafte, überkorrekte Political Correctness in manchen (linken) Kreisen äußerst seltsam und übertrieben. Was Night of the Virigin in seiner zweiten Hälfte zelebriert, ist wie oben beschriebene, peinliche Person und irgendwann nicht mehr lustig. Mit den Timingproblemen innerhalb der Geschichte wird sowohl der Twist als auch eine beabsichtigt provokante, in die Länge gezogene Geburtenszene weder herausfordernd, noch eklig, noch lustig. Das lässt nur genervt und peinlich berührt hoffen, dass das gezeigte bald vorbei ist. Diese Art von überderbem Humor schien eigentlich ausgestorben und ich frage mich schon, ob das außer irgendwelche Gorebauern überhaupt noch jemand lustig findet. Das dürfte die richtige Klientel sein, wenn in der zweiten Hälfte die leicht feministisch gezeichnete Medea verbal und später auch physisch für dieses Verhalten abgewatscht wird. Das lässt auch den eigentlich so herrlich versifften Look des Films mit seinen manchmal richtig tollen Kameraeinfällen, wenige positive Punkte bei dieser verunglückten Horrorkomödie, vergessen. Wer wirklich Lust auf eine zu lange Ansammlung schlimmsten Humors und literweise Kunstblut hat, die ihren positiven Ansatz wegen Timingproblemen und infantil zweifelhaftem Witz der plumpen Sorte schnell verspielt, sollte - warum auch immer - mal in Night of the Virgin reinschauen.
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