Selten wurde ich in der letzen Zeit von einem Hype so angesteckt, wie von dem um Greta Gerwigs erste Soloregiearbeit. Der Film tauchte zur Hauptphase der Oscars in allen relevantesten Kategorien auf: er war für die Kategorien beste Nebendarstellerin, Hauptdarstellerin, Originaldrehbuch, Regie und bester Film nominiert. Ich gönnte Guillermo del Toro den Oscar für The Shape of Water; nach der Sichtung von Lady Bird empfinde ich es als ziemlich schade, dass es bei der Verleihung des alten Goldjungen nur bei den Nominierungen blieb. Dafür heimste er nicht nur zahlreiche andere Preise sondern immerhin zwei Golden Globes für die beste Hauptdarstellerin und den besten Film ein. Erste Stimmen zum Film bei letterboxd machten mich ziemlich neugierig auf das vielgepriesenen Debut Gerwigs und obwohl meine Skepsis gegenüber einem Film gleichzeitig mit den guten bis sehr guten Besprechungen wächst, verflog diese während meiner Sichtung äußerst schnell.
Eigentlich ist Lady Bird auf den ersten Blick nicht originell; das Rad erfindet er nicht neu und im Grunde genommen präsentiert uns Gerwig eine Coming of Age-Geschichte, wie es sie schon oft gab: ihre Protagonistin Christine McPherson, die von allen Lady Bird genannt werden möchte, ist ein 17-jähriges Mädchen mit den für das Alter typische Sorgen. Sie ist auf der Suche nach einer eigenen Identität, bandelt langsam mit Jungs an und hat die ersten Freunde, steht an ihrer katholischen Schule an der Schwelle des Abschluss und möchte raus aus ihrer für sie miefigen Heimatstadt Sacramento. Am liebsten an die Ostküste, genauer gesagt New York, um dort dann ein gutes College zu besuchen. Mit ihrer Mutter liegt sie trotz der guten Beziehung zu dieser häufiger im Clinch. Allein wegen den geringen Finanzen der Familie versucht sie ihre Tochter, manchmal ziemlich schroff, auf den Boden der Tatsachen zu holen und sie zu einer realistisch denkenden Person heranzuziehen. Lady Bird hat ihren eigenen Kopf und verfolgt stur weiter ihren Traum, Sacramento hinter sich zu lassen.
Gerwig erzählt ihre Geschichte angenehm unaufgeregt in Episoden, als würde sich die Regisseuren zu den Zuschauern setzen um bei einem entspannten, geselligen Abend einige Anekdoten zum Besten zu geben. Sie fängt einfach an zu erzählen, schubst uns in ihre Welt und verknüpft die einzelnen Geschichtsstränge über die Zeit zu einem größeren Ausschnitt aus einem Teenieleben. So plötzlich wie die Geschichte beginnt, endet sie auch. Lady Bird ist die größere, eine wichtige, Episode aus dem Leben einer Jugendlichen, die eben irgendwann auch mal wieder fertig ist. Das Kino fungiert für uns als Gastgeber des geselligen Abends und irgendwann wird man von diesem, so schön es auch ist, rausgeworfen, in die Nacht entlassen und lässt uns mit den Eindrücken von Gerwigs Geschichte zurück. Das macht Lady Bird so stark: der Film lässt einen klassischen Spannungsbogen vermissen, lässt uns durch die Erzählung fließen und zeigt: Teenieleben, pubertäres Aufbegehren und die Suche nach dem eigenen ich ist nicht immer laut und vereinnahmend. Es kann kleinere Dramen inmitten eines ansonsten unaufgeregten Lebens beherbergen.
Das ist eben das schöne an Lady Bird: er fühlt sich aus dem Leben gegriffen an, real, ohne dass überzeichnete Dramaturgie dem Film seine Glaubwürdigkeit raubt. Greta Gerwigs autobiographisch gefärbte Erzählung ist aus dem Leben herausgeschnitten und visuell für den interessierten Zuschauer aufbereitet. Man muss sich dabei nicht mal groß auf den Film einlassen. Gerwig ist eine charmante Geschichtenerzählerin, lässt viel über Dialog geschehen und verdammt, kann diese Frau gute Dialoge schreiben! Mit Leichtigkeit verbindet sie die kleinen und größeren Dramen aus Christines Leben mit hübschen Absurditäten. Das sie dabei nicht komplett Klischees umschifft, verzeiht man ihr. Ihre Lady Bird, großartig von der wunderbaren Saoirse Ronan gespielt, ist ein charmanter Charakter den man sofort ins Herz schließt. Man kennt es ja von diesen geselligen Abenden: da ist meist immer eine Person dabei, der man sehr gerne an den Lippen klebt, wenn sie ansetzt, ihre Geschichten zum Besten zu geben.
Dank Gerwigs tollem Gespür diese Everyday-Dramen ohne großem Knalleffekt fast beiläufig erscheinen zu lassen, die in ihrem kurzen Aufblitzen dennoch berühren und einer tollen Darstellerauswahl - die Chemie zwischen Ronan und ihrer Filmmutter Laurie Metcalf ist fantastisch - ist Lady Bird auch für mich zu einem Kandidaten für den besten Film des Jahres geworden. Seine Authentizität rührt aus seiner unbekümmerten Art, die bis zur Cinematography mit ihren ausgeblichenen Farben reicht und niemals gekünstelt wirkt. Das fängt schon mit dem an sich schlichten Kinoplakat, einer Profilaufnahme der Protagonistin, an. Es ist so simpel, so schlicht und nimmt den Betrachter nach kurzer Zeit ein. Das liegt vielleicht aber auch an diesem tollen Menschen, der Lady Bird trotz ihrer Sturheit ist. Allen Unsicherheiten und ihrem verbiegen in Richtung der coolen Leute in einer Phase der Geschichte, ist sie schon ein fast komplett gereifter Mensch, dem es zu Beginn des Films an letzter Erkenntnis fehlt. Selten hat es dabei so Spaß gemacht, einem jungen Menschen filmisch beim erwachsen werden zuzuschauen. Ich mag zwar z. B. zum Teilauch die plakativ-provokanten Porträts eines Larry Clark, viel mehr gerate ich aber ins Schwärmen, wenn das gezeigte Coming of Age so spürbar echt ist, das man die Geschichten, die in diesem Falle die Autorin und Regisseurin in einem, weil man das so ähnlich auch irgendwie selbst erlebt hat.
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