Egal ob die 2013 von der Bloggerin und Feministin Anne Wizorek bei Twitter losgetretene #aufschrei-Debatte oder die mit dem Skandal um Miramax-Boss Harvey Weinstein einhergehende #MeToo-Bewegung: der offene Umgang mit sexueller Belästigung und Übergriffen auf Frauen aus allen Schichten ist in den Medien und der Gesellschaft präsenter denn je. Deren Wahrnehmung und Denken in Richtung Gleichstellung und -berechtigung der Frau änderte sich über die Jahre immens. Nur wenige mit ihrem Welt- und Rollenbild in vergilbten Jahrzehnten feststeckende Zeitgenossen träumen diesen Zeiten hinterher, in denen das "schwache Geschlecht" auf die Rolle der Mutter und Hausfrau festgelegt war. Selbst der Genuss einfacher Exploitationfilme wie Even Lambs Have Teeth einer ist, lässt darüber nachdenken, inwieweit ein (Sub-)Genre gehen darf oder muss, um dessen Mechanismen funktionell umzusetzen.
Beim Rape and Revenge-Film ist das ein schwieriges Unterfangen, wenn man sich einige berühmt-berüchtigte Klassiker wie (den in Deutschland mittlerweile rehabilitierten) Last House On The Left, Meir Zarchis schwer verdaulichen I Spit On Your Grave oder moderne Vertreter wie A Gun For Jennifer anschaut. Zarchis Beitrag zum Beispiel ließ mich, mit seiner bis zum unerträglichen ausgedehnten Vergewaltigungsszene der Protagonistin, damals bei der ersten (und bisher einzigen) Sichtung überlegen, ob man so etwas überhaupt gut finden darf. Der nach dem Martyrium der Hauptfigur beginnende Rachefeldzug erzielt nach der langgezogenen Qual den höchsten emotionalen Effekt beim Zuschauer. Die Hilflosigkeit, mit der man dem Verbrechen beiwohnen muss, entwickelt sich psychologisch zur doppelten Katharsis: der Sehende bekommt wie die Protagonistin seine Genugtuung, wenn die Peiniger im "Zehn-kleine-Negerlein"-Prinzip von dieser eiskalt um die Ecke gebracht werden.
Muss der Rape and Revenge-Film zwangsläufig die durchlebten Qualen der porträtierten Frauen ganz dem Konzept des Exploitationfilms folgend auch diese so breit wie möglich ausdehnen, um den im Genre verwurzelten, von diesem gewollten, emotionalen Effekt beim Zuschauer herbei zu führen? Wie man es dreht und wendet, können meist beide Akte dieser Filme nicht vollkommen von selbstzweckhaften Gründen der manchmal regelrecht ins Drehbuch gewichsten Taten freigesprochen werden. Es ist eine Wechselwirkung: ohne das eine existiert nicht das andere. Vielleicht ist Even Lambs Have Teeth ein Kind solcher Überlegungen. Regisseur und Autor Terry Miles deutet vieles nur an, wenn seine beiden Hauptfiguren Sloane (die wilde, abenteuerlustige der beiden) und Katie (die weit erwachsener als ihre Freundin wirkt, vorsichtig und schüchtern) in die Fänge dreier im tiefsten Redneck-Country lebender Brüder kommen, die sie auf ihrem Weg zu ihrem Ferienjob auf eine Biofarm bringen wollen. Dieses Ziel erreichen die beiden Mädchen nicht; sie werden auf dem Wohnsitz der Familie tief auf dem Grundstück gefangen genommen, in Container verfrachtet und sollen ihren Körper gegen Geld den Kunden der Familie darbieten. Durch einen Achtsamkeitsfehler und dem gezielten Einsetzen ihrer Reize bei einem Kunden gelingt den Freundinnen die Flucht. Damit ist für Sloane und Katie die Zeit der Rache an ihren Peinigern gekommen.
Was Miles im ersten Akt weitgehend ausspart, zelebriert er förmlich mit erschreckend gewollter Coolness im zweiten: Sloane und Katie werden zu blutgierigen Cool Ass Bitches, laufen blutverschmiert durch die nahe gelegene Ortschaft, decken sich in einem Drugstore mit dem nötigen Inventar ein um den Entführern das Leben so schmerzhaft wie möglich zu machen und werden von dessen Besitzer verwundert und gleichermaßen verschreckt angeschaut. Während ihrer Vendetta kann sie niemand aufhalten. Die beiden jungen Frauen wirken wie zwei Heldinnen aus einem Comic für Erwachsene, nutzen ihr Aussehen wie die Einkäufe des Drugstores als Waffe und stolzieren mit einer eiskalten Gleichgültigkeit durch die Szenerie. Das durch ihre Gefangenschaft und die Zwangsprostitution eigentlich zu Tage kommende Trauma, eine gewisse Verletzlichkeit die den geschundenen Seelen innewohnen könnte: Fehlanzeige. Even Lambs Have Teeth zelebriert die Gewalt gegen die Familie der Entführer und bringt damit weit weniger einen interessanten Denkanstoß als viel mehr die typische amerikanische Doppelmoral gegenüber Gewalt und sexueller Darstellung zu Tage.
Wenn es die Absicht Miles war, den Rape and Revenge-Film differenzierter anzugehen, sich mehr auf den Akt der Rache konzentrieren zu wollen, was ihn in der zweiten Hälfte mehr zu einem Actionthriller werden lässt, dann geht es ebenso schief wie die Prämisse, aus Even Lambs Have Teeth einen kurzweiligen Exploiter zu machen. Die aussparende Darstellung in der ersten Hälfte deutet an, lässt die zwei Hauptfiguren in knappen Sachen oder in Unterwäsche vor die Kamera treten, und lässt die schmierigen Typen hinter den Türen der Container wirken. Miles zeigt uns das Ergebnis, will zwei körperlich und seelisch geschändete junge Frauen als Sympathieträger aufbauen, die in ihrer Zeichnung gängigen Genreklischees entsprechen und keine emotionale Verbundenheit beim Zuschauer aufbauen können. Sie und auch das dargestellte Martyrium bleiben einem gleichgültig. Mit der Wandlung von Katie und Sloane um 180 Grad wirkt die Geschichte noch weniger glaubhaft, ein Stück mehr beliebig und macht den Eindruck, dass man den Rape and Revenge-Aufbau nur dazu genutzt hat, um gleichzeitig möglichst gewalttätige und dabei coole Vergeltung darzustellen.
Damit ist auch Even Lambs Have Teeth bei aller ausstrahlender Prüderie, selbst bei ansatzweise versuchter Differenziertheit nicht besser als die härteren und expliziteren Genrevertreter der letzten Jahre. Die etwaig angestrebte Distanzierung, den Missbrauch der Frauen nicht ausgiebig darzustellen, entpuppt sich als austauschbar wirkender Aufsatz dafür, das irgendwelchen bösen Menschen aus irgendeinem Grund mörderisch mitgespielt wird. Mit der Laufzeit verzichtet Miles in seinem Buch auf Logik und springt so grob durch die Geschichte, dass Aussparungen wie während/nach dem Finale ein einziges Ärgernis darstellen. Mit seiner trüben Digitaloptik fängt er das Anwesen der Entführer manchmal passend trost- und ausweglos dar, lässt dafür jegliche atmosphärische Dichte vermissen. Manch andere Filme des Genres müssen noch gar nicht mal so viele Jahre älter sein, um selbst mit ebenfalls simplen Erzählkonstrukten diesen Beitrag in die Schranken zu verweisen. Rape and Revenge kann sehr wohl differenzierter, besser distanzierter sein. Es benötigt nur ein Quentchen an Emotionen, welche die Filme transportieren und erzeugen können. Even Lambs Have Teeth lässt dies vermissen. Irgendwer aus der Gorehound-Ecke feiert den Quatsch mit Sicherheit, aber selbst die dreckigsten, räudigsten und schmutzigsten Filme des Subgenres bringen mehr davon mit als dieser durchkalkulierte Quatsch, dem man auch nicht mehr mit ganz viel Fantasie oder Interpretationsspielraum eine politisch unkorrektere Form von Feminismus andichten könnte. Das ich mir überhaupt solche Gedanken über eine gewisse, nötige Zeigefreudigkeit gemacht habe, ist eines der wenig vorhandenen positiven Dinge, die ich dem Film anrechne.
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