Mein eigentlicher Plan war es, über die wie für mich geschaffene Blogaktion des Abspanngucker-Podcasts noch separat zu schreiben um auf diese hinzuweisen. Das habe ich leider verschwitzt und somit steige ich mit diesem Text sofort bei Settegialli ein. Das Prinzip ist so simpel wie beim Horrorctober: für den Juli soll man sich sieben (ital. sette) Gialli aussuchen, als Liste bei letterboxd anlegen, schauen und darüber schreiben. Auf dem Blog, bei Twitter, bei letterboxd etc. Wie ich schon vor kurzem bei Twitter geschrieben habe, überlegte ich zwar wegen der momentan knapp bemessenen Zeit sehr genau ob ich mitmachen soll, aber an einer Aktion über mein liebstes italienisches Filmgenre kann ich nicht vorübergehen. Insgesamt haben es acht Filme auf meine Liste geschafft, vier davon zu schauen schaffe ich bestimmt und wie ich mich kenne, werden es am Ende dann doch die gewollten sieben. Als Einstieg wurde der zweite Teil von Dario Argentos sogenannter Tier-Trilogie ausgesucht, wurde doch vor kurzem schon der Erstling Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe gesehen.
Nachdem Argento mit seinem Debüt das zuvor biedere, teils noch stark am traditionellen Kriminalfilm orientierte Genre nahezu entfesselte und eine Blaupause für viele in den 70ern entstehenden Gialli vorlegte, entpuppt sich der Zweitling des Regisseurs selbst als eher biedere Angelegenheit. Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe war für seine Macher ein unerwarteter, aber äußerst profitabler Erfolg. Um diesen zu wiederholen, wirkt Die neunschwänzige Katze größer, internationaler und im direkten Vergleich mit dem Erstling zurückgenommen. Argento verzichtet weitgehend auf seine visuelle Extravaganz, diese pompösen wie epischen Kamerafahrten und Einstellungen, die dessen Filmen einen Teil ihrer Besonderheit verleiht und von den Schwächen des Regisseurs im Storytelling ablenken können. Selten wird darauf zurückgegriffen und selbst dann sind diese wenigen Kameraspielereien weit weniger ausgedehnt wie das, was den Zuschauer die Jahre danach erwartete.
Leider ist der strenge Fokus auf die Geschichte selbst bei Die neunschwänzige Katze nicht dienlich für den Film. Die Übernahme des gleichen Prinzips wie bei den schwarzen Handschuhe will in der Kalkulation Argentos nicht aufgehen. Wieder widmet er sich dem Motiv des nicht- und übersehens, das diesmal nicht nur einen, sondern zwei Außenstehende in einen Kriminalfall verstrickt. Nach dem Einbruch ins Institut des renommierten Dr. Terzi, bei dem verwunderlicherweise augenscheinlich nichts gestohlen wurde, kommt einige Tage Dr. Calabresi, einer der am Institut beschäftigten Wissenschaftler, bei einem Unfall ums Leben. Der frühere, erblindete Journalist Franco Arno und der über den Einbruch berichtende Reporter Carlo Giordani tun sich zusammen, um Nachforschungen in diesen Fällen anzustellen. Erkannte Arnos Nichte Lori in der Zeitung in Calabresi als einen der Männer, den Arno am Abend des Einbruchs auf seinem Nachhauseweg aus einem parkenden Auto heraus über eine Erpressung reden hörte. Als weitere Tote folgen, wittern die beiden Männer einen Zusammenhang und stoßen dabei auf Forschungen darüber, anhand der Gene potenzielle Verbrecher zu erkennen, die in Verbindung mit den Toten stehen könnte.
Wie dessen Spätwerke, offenbart Die neunschwänzige Katze, dass Argento erzählerisch ein Umstandskrämer ist. Noch einfachster Stoff mag möglichst komplex erzählt werden, die gewünschte Komplexität entwickelt sich in viel zu komplizierte Storyhaken. Das Resultat ist, dass der Regisseur seinen Weg aus den Augen verliert. Am deutlichsten wird dies, wenn sich zum Einbruch und Unfall die von Arno und Giordani entdeckten Forschungen über das "Verbrechergen" gesellen. Diesen wird zu viel Raum eingeräumt, obwohl sie keineswegs unwichtig für die Story sind. Immerhin wurde der Italiener durch einen Zeitungsbericht über solche Bestrebungen in der Wissenschaft zu seiner Geschichte inspiriert. Es scheint, als solle der Film weit mehr sein, als ein typisches Murder Mystery. Ohne irgendwelche Agentenfiguren oder andere ähnliche Elemente einzuflechten, schrammt Argento gefühlt damit am damals durch den James Bond-Erfolg recht beliebten Spionagefilm, ohne dessen Qualitäten zu nutzen, um seine Geschichte damit aufzuwerten.
Es bleibt beim Versuch dabei, der einem durchweg positiven Gesamturteil im Weg steht. Mit diesem weit ausschlagenden Haken entstehen in der Spannungskurve Schwankungen, die nicht komplett ausgebügelt werden können. Selbst ich als Freund mancher filmischer Belanglosigkeiten, die meditativ am Auge des Zuschauern vorüber wabern, musste manchmal mit meiner Ungeduld kämpfen. Das Argento durchaus zu spannenden Szenen fähig ist, beweist er auch hier. Der Beginn und die erneute Zuwendung hin zu den Todesfällen schenkt dem Film einige hübsche Momente. Diese bringen gleichzeitig die Freude, die offensichtlichen Hitchcock-Bezüge im Frühwerk Argentos betrachten zu können. Neben dem wie bei Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe stark vom englischen Regisseur geprägten Motiv baut der Filmemacher eine spannende, wunderbar getimte Hommage an das Glas mit der vermeintlich vergifteten Milch in Hitchcocks Verdacht. Das die Geschichte durch eine blinde Hauptfigur einiges an Potenzial mitbringt, den Kern der Geschichte über Wahrnehmung auf die Spitze zu treiben, hat Argento leider übersehen (no pun intended).
Die international ausgerichtete Besetzung, die neben den beiden amerikanischen Hauptdarstellern auf italienischer Seite einige bekannte Nebendarstellergesichter und sogar den deutschen Kultmimen Horst Frank bietet, macht ihre Sache ordentlich und bemüht sich wie der ganze Film ein Flair von Hollywood aufkommen zu lassen. Das ist auch der springende Punkt, der mich an Die neunschwänzige Katze stört. Die Unzulänglichkeiten in der Narration stören weniger als der konsequente Versuch, den "neuen" Giallo in den damaligen Mainstream zu pressen. Das will alles so leicht wie die damaligen großen Werke aus der Traumfabrik wirken, endet mit seiner stocksteifen Konzentration darauf zu mancher Zeit in einem biederen Filmwerk, dem man die Unentschlossenheit des Regisseurs anmerkt. Der greift hier sogar in den Topf mit dem Humor, was wenige lustige und einige unpassende Szenen entstehen lässt. Selbst die deutsche Synchronisation aus dem Hause Brunnemann mit Dialogbuchschreiber Rainer Brandt, der beim verfassen des Dialogbuchs wohl auch vom ersten Erfolg der Serie Die Zwei in Deutschland beflügelt wurde, haut mehr Sprüche als noch bei Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe raus. Somit ist Die neunschwänzige Katze eher ein kleiner und erster Ausrutscher Argentos, den man im Ganzen recht mögen kann, der in seinem verplant wirkenden Eindruck immer einen Beigeschmack von "ganz nett" beibehalten wird.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen