Es fällt schwer zu glauben, dass ein Film über eine von einem Poltergeist vergewaltigten Frau dies nicht mit einer vor Exploitation-Momenten nur so triefenden Story erzählt sondern das Thema überraschend ernst angeht. Findige Produzenten und geistig dauerwolllüstige Drehbuchautoren würden massig am guten Geschmack vorbeiziehende, durchkalkulierte Schmierszenen kreieren, die den Zuschauer und dessen voyeuristischen Neigung befriedigen. The Entity ist anders. Es ist einer dieser Filme, der ein absonderlich klingendes Thema komplett ernsthaft anpackt und mit seinem schnell etablierten, nüchternen Stil eine Distanz zur Geschichte aufbaut. Unbewusst zieht er die Menschen vor dem Schirm damit in seinen eigentümlichen Bann. Die Kamera klebt unentwegt an ihren Darstellern, ist dicht dran an ihren Körpern und Gesichtern, um deren Minenspiel einzufangen und jede kleinste Regung darin zu dokumientieren. Dies geschieht in ungewöhnlichen Einstellungen; die schrägen Kamerawinkel geben die filmische Realität als ein verzerrtes Bild aus. Diese ungewöhnliche Fotografie schafft eine Intensität, die das ebenso engagierte Schauspiel unterstützt.
Dort brilliert Hauptdarstellerin Barbara Hershey als Carla Moran, die ohne große Vorwarnungen, diese kleinen Anfängen jeglicher Spukphänomene, welche die Gänsehaut von uns Zuschauern und den Verlauf der Spannung steigern, Abends in ihrem Schlafzimmer vergewaltigt wird. Der vermutete Einbrecher bleibt gesichtslos. Verschwunden. Unsichtbar. Die Frau gibt sich ihrer besten Freundin preis, die ihr rät, sich einer psychiatrischen Behandlung an der Uniklinik zu unterziehen. Nach weiteren Attacken, bei denen der Angreifer abermals unsichtbar bleibt, ist die stark verwirrte und traumatisierte Frau nahe eines Nervenzusammenbruchs, während ihr behandelnder Therapeut Dr. Sneiderman das Problem in der schlechten Kindheit seiner Patientin sucht. Diese glaubt, entgegen ihres Arztes, immer mehr, von einem Poltergeist heimgesucht zu werden. Sie schildert ihr Problem zwei Parapsychologen, deren Gespräch über Geister sie in einer Buchhandlung zu Gehör bekommt. Die Wissenschaftler nehmen sich der Frau an und untersuchen ihren Fall. Sehr zum Missfallen des rationalen Dr. Sneidermans, der die Parapsychologen als Quacksalber darzustellen versucht.
Der auch heute inflationär benutzte "Based on a true event"-Stempel mag im Zusammenhang mit der Geschichte des Films vorschnell als billige Marketingmasche abgetan werden. Zu unrecht. Die im Film und seiner Buchvorlage behandelte Story trug sich wirklich zu, auch wenn Frank DeFelitta (hierzulande am ehesten durch die Buchvorlage zu Audrey Rose - Das Mädchen aus dem Jenseits bekannt) die wahren Begebenheiten für den dramatischen Effekt zurechtbog. Die wahre Carla Moran trug den Namen Doris Bither, deren Fall in den USA für ein gewisses Medieninteresse sorgte. Barry Taff, einer der Parapsychologen, der mit Bither zu tun hatte, wurde sogar Berater während der Dreharbeiten und versorgt den Zuschauer in der Featurette der vor einiger Zeit erschienenen Blu Ray von Koch Media mit weiteren interessanten Informationen. Verständlich, dass die Schaffenden allein aus Respekt vor dem Opfer der Poltergeistattacken The Entity zu einem um Seriosität bemühten Geisterfilm gemacht haben. Das lässt ihn zeitgleich nüchtern und spröde wirken, was den Effekt der Attacken verstärkt. Spätestens der Angriff auf Carla vor den Augen ihrer Kindern dürfte die Zuseher nicht komplett unbeeindruckt zurücklassen. Zugegebenermaßen ist Furies Film der wohl am wenigsten spektakuläre Horrorfilm. Im Bemühen um Authentizität bleibt der große Knalleffekt aus, der sich auf ein unausweichliches, groß wirkend wollendes Finale zusteuert und gleichzeitig zeigt, wie unspektakulär ärztliche und parapsychologische Arbeit aussehen kann.
In heutigen Zeiten würde so ein Werk gegen all die Conjuring- und Insidious-Teile und ähnlichem Horrorkrams beim Publikum nicht bestehen können. Leider war dies auch in seinem Entstehungsjahr der Fall. Gegen den einige Monate später gestarteten, kürzlich gesehenen Poltergeist hatte The Entity keine Chance. Dafür bot die Spielberg'sche Produktion mehr Spektakel und der lauteste findet meistens immer mehr Beachtung. Bedauerlich, bietet The Entity einige eindringliche, durch die Haut gehende Szenen und eine interessant ernsthafte Herangehensweise an das Thema. Vielleicht war Furies Werk dem Publikum schon in den 80ern zu unangenehm, kann man ihn doch auch als psychologische Studie einer Frau sehen, die dem reellen Horror einer echten Vergewaltigung ausgesetzt war. Diese unerquickliche Thematik und der zurückgenommene Stil des Films der ohne überspektakuläre Effekte auskommt, lässt seiner Metaebene den Raum zur Entfaltung. Gleichzeitig bleibt er genug Horrorfilm um Grusel und Schrecken zu verbreiten. In diesem Falle mit einer emotional stark angreifenden Wirkung, unterstützt durch einen mal bedrohlich im Hintergrund ansteigenden, mal unaufhörlich elektronisch dissonant hämmernden Soundtrack. Selten war ich von einem Geisterfilm so irritiert und fasziniert. Sidney J. Furie gelang ein intensiver Horrorfilm, der seine Kraft entgegen des Geisterthemas aus dem realen Unterbau seiner Geschichte zieht und gleichzeitig auch die vordergründige Story damit verstärkt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen