Bereits im Entstehungs- und Aufführungsjahr 1982 gab es Produzent Steven Spielberg zuerst großspurig zu, dass er bei Poltergeist mehr Regie führte, als der offiziell geführte Regisseur Tobe Hooper. Spielberg ruderte schnell zurück, sprach davon, lediglich bei kreativen Prozessen mitentschieden zu haben, während Hooper den Rest machte. Es stellt sich die Frage, wo Mithilfe bei kreativen Fragen und Prozessen aufhört und was der (traurige) Rest des Regiewerks für Hooper war. Letzterer, der durch seinen The Texas Chainsaw Massacre die Aufmerksamkeit Spielbergs erweckte, hätte mit mehr Entscheidungsfreiheit aus Poltergeist vielleicht einen ganz anderen Film gemacht. Von der ersten Minute an spürt man den immensen Einfluss und Spielbergs Handschrift. Mit nicht weniger als dem "Star-spangled Banner" lässt er den Film beginnen, die Credits weichen einer extremen Nahaufnahme die langsam einen Videozusammenschnitt amerikanischer Monumente ergibt. Sendeschluss im Hause Freeling: die Bilder, welche in Zeiten, als noch nicht jeder gammelige TV-Käse bis spät in die Nacht von den Sendeanstalten wiedergekäut wurde, das Ende des regulären Programms bedeuteten, weichen dem weißen Rauschen, während der Familienpatriarch im Sessel zusammengesunken längst in anderen Sphären weilt.
Einzig der Hund der Familie ist noch wach und nimmt uns als Zuschauer mit zu einer kleinen Tour durch das schnieke Anwesen und stellt uns die Mitglieder der Freelings vor. Noch scheint alles friedlich, bevor diese Vorzeigeamerikaner von seltsamen Phänomenen heimgesucht werden. Carol-Ann, jüngstes der drei Kinder, verbringt gerne viel Zeit vor dem rauschenden Schnee des Fernsehers und ihre Unterhaltungen mit unsichtbaren Figuren schieben ihre Eltern zuerst noch auf die kindliche Fantasie. Dann jedoch bewegen sich Möbel von alleine, im stumm vor sich hinrauschenden Fernseher im elterlichen Schlafzimmer bündelt sich ektoplasmische Energie, welche in die Wand hinter dem Bett rauscht und Carol-Ann mit einem freudigen "Sie sind hier!" begrüßt. Während eines Gewitters bricht das Chaos aus: ein alter, knochiger Baum scheint zum Leben erwacht zu sein und greift nach Sohn Robbie, während im Kinderzimmer sich ein Tor zu einer Zwischenwelt öffnet, in die Carol-Ann heingezogen wird. Die verzweifelten Freelings rufen kurz darauf ein Team von Parapsychologen hinzu, um ihre Tochter, mit der sie noch über die eingeschalteten Fernsehgeräte kommunizieren können, aus den Fängen der ihnen unbekannten Macht zu befreien.
Spielberg, Hooper, wer auch immer. Inszenierungstechnisch ist Poltergeist, von mir zuletzt vor über zehn Jahren gesehen, erstaunlich gut gealtert. Die amerikanische Bilderbuchfamilie der Freelings wird mit viel Gefühl und punktgenauen Szenen eingeführt. Im Hintergrund mag immer etwas Kitsch und Pathos mitschwingen, was das ganze dezent unangenehm erscheinen lässt; anders betrachtet möchte man das gezeigte eine überspitzte Darstellung des American Dream nennen. Gleichzeitig zeigt der Film beiläufig die damals einsetzenden Anzeichen von Veränderungen im Medienkonsum. Überall im Hause finden sich Fernsehgeräte: im Wohnzimmer, im Schlafzimmer, in der Küche. Selbst im größten Getümmel läuft nebenher die Flimmerkiste, die, so scheint es, unbemerkt zum Dreh- und Angelpunkt im familiären Kosmos wird. Wenn Carol-Ann in der Küche fast schon mit der Nase am Schirm klebt, das weiße Rauschen betrachtend und ihre Mutter Diane mahnend zu verstehen gibt, dass sie sich die Augen kaputt macht, gleichzeitig den Kanal wechselt und plötzlich ein alter Kriegsfilm mit sterbenden Soldaten läuft, unbedacht dem Kind vorgesetzt, ist das ein hübsch ätzender Kommentar auf unbedachten Medienkonsum.
Der Fernseher spielt weiter eine große Rolle, als der Horror verstärkt zu Tage tritt und nach dem Angriff der noch unbekannten Macht das Nesthäkchen der Freelings in die Zwischenwelt gezogen wurde. Einzig mit dem eingeschalteten Gerät können die Eltern mit ihrer Tochter kommunizieren, ihre Verzweiflung in diesen seltenen Momenten vergessend, da auch das dreiköpfige Parapsychologen-Team wenig helfen kann. Die Familie leidet sicht- wie fühlbar am Verlust der Tochter und trotz der am Anfang stärkeren Kritik über den unbedarften Umgang mit dem Medium des Fernsehens, ist Poltergeist in seinem Kern ein in der Phantastik verhaftetes, kleines Familiendrama über den plötzlichen Verlust eines Kindes. Der Film lässt beiden Teilen seiner Geschichte genügend Raum zum Atmen und baut diese sehr gut auf. Die ungewöhnlichen Phänomene nehmen stetig zu, eine drohende Gefahr ist für die Protagonisten noch weit weg. Der erste Ausbruch der geisterhaften Kraft, der tatsächliche Angriff auf die Familie, ist schon ein erster Fingerzeig in die Richtung, in welche sich Poltergeist noch entwickeln sollte, bevor mit dem Verschwinden Carol-Anns das persönliche Drama der Familie aufgegriffen wird. Gefühlvoll erzählt, vor der Kamera mit super Leistungen - allen voran JoBeth Williams als verzweifelnd trauernde und doch weiter um ihre Tochter kämpfende Mutter - unterstützt, bereitet das Drehbuch den finalen Akt vor.
Hier taucht mit Zelda Rubinstein als ebenso exzentrisches wie warmherziges Medium Tangina, von den nicht mehr weiter wissenden Parapsychologen empfohlen, der heimliche Star des Films auf. Sie ist gleichzeitig eine Verbindung zur Welt der Geister, Helferin im Bestreben die Tochter zu befreien wie auch Trauerbewältigungshilfe, damit die auseinanderbrechende Familie wieder zusammenfindet um den letzten Kampf bzw. Kraftakt bewältigen zu können. Dort explodiert Poltergeist förmlich und wird zu einem Effektgewitter, der nach erfolgreicher Befreiung nicht einfach ein Happy End beschert sondern den Zuschauer einen weiteren Versuch der Geisterwelt das kleine Mädchen zu sich zu holen, beschert. Spätestens nach diesem Film übernahmen unzählige größere und kleinere Filme diesen "Erzählkniff" noch häufiger als die Jahre zuvor. Bis auf zwei/drei Ausnahmen können sich die Effekte heute noch sehen lassen und bieten bestes Gruseltainment, das einem nicht mehr komplett einen Schrecken einjagen, aber eine Gänsehaut bescheren kann. Einzig der überbordende Showdown ist für mich nach dem eher gefühlvollen und zurückhaltenden Aufbau zu diesem ebenso kontraproduktiv wie in Conjuring. Auf der Gegenseite kann dieser Film, der mittlerweile wie ich selbst 36 Jahre als ist, mit mehr Gefühl für seine Geschichte und Figuren aufwarten als neuere Filme und schafft es ohne einen einzigen Filmtod für angenehmen, heute vielleicht noch etwas leichteren Grusel zu sorgen. Sowas bekam zuletzt nur noch der vor einigen Jahren entstandene Insidious hin.
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