Vielleicht mag ich in den Augen der jüngeren Zunft nun ein (mittel-)alter, weißer Mann sein, der bei Assassination Nation und seiner Prämisse "selbstverständlich" abwinkt. Treffen mich die angesprochenen Themen? Versetzen sie mir Stiche in meine Seele und mein ich, dass tief in mir verborgen wehleidig bei dem, was der Film anspricht, aufjault? Fragen, die mich nach dem Genuss von Sam Levinsons Werk beschäftigten. Mehr, als die Themen, welche auf seiner Agenda stehen. Wenn er damit seine Zuschauer auf- und durchschütteln wollte, sie aus ihrem Phlegma gleichgültiger Zurkenntnisnahme reißen wollte, schafft es Assassination Nation nur bedingt. Sein Problem ist, dass er sich auch auditiv und visuell auf die Seite der neuen Generation stellt, dass man schwer an dessen hippen Style vorbei auf die eigentlichen Ziele der Geschichte schauen kann.
Er bildet die Welt der Freundinnen Lily, Sarah, Em und Bex mit technisch beeindruckenden Mitteln als ein von Social Media beeinflussten Kosmos ab, der ins Wanken gerät, als durch Hackerangriffe Chats und Bilder von Bewohnern des kleinen Städtchens Salem geleakt werden. Gleich, ob es die sexuellen Vorlieben des Bürgermeisters oder die intimsten Geheimnisse der Nachbarn sind: sie bringen Chaos in den kleinen Ort und durch widrige Umstände setzt sich der Verdacht bei vielen Bewohnern fest, dass Lily und ihre Freundinnen die Verräterinnen sind. Passend zum Namen der Ortschaft rotten sich die Bewohner zu einer modernen Hexenjagd zusammen und beschließen auf dem Klimax der Geschichte, dass die Mädchen sterben müssen.
Mit der Ankunft von Chaos und Gewalt wandelt sich Assassination Nation vom schwerfälligen Jugenddrama zu einem grimmen Thriller mit leichten Bezügen zum Home Invasion- und Slasher-Film. Ersteres geschuldet durch die wohl beeindruckendste Szene des ganzen Films, wenn in einer großen Plansequenz mit einer einzigen, langen Kamerasequenz das Eindringen des Lynchmobs in das Haus von Lily gezeigt wird. Mehr als einmal fühlt man sich an die The Purge-Reihe erinnert, wenn die Mädchen den Kampf gegen die Bewohner ihres Heimatorts aufnehmen. Bis es dazu kommt, strengt der Film mit seiner Stilistik mehr an, als dass er mit den angesprochenen Themen Mobbing off- wie online, Feminismus, die Angst der angesprochenen alten, weißen Männern davor und seiner Kritik an einer Gesellschaft die in Zeiten von Fake News vorschnell irgendeine Person als schuldig ausmachen und an den (virtuellen) Pranger stellen, aufzurütteln vermag.
Seine spürbare Prämisse perlt an der geschaffenen glatten Oberfläche der Welt seiner Teenie-Protagonisten, welcher er sich als Stil zu eigen macht, ab. Diese Oberflächlichkeit, unter der die Sorgen und Ängste seiner Figuren aufbrechen um im nächsten Moment von einer neuerlichen, coolen Idee überschattet zu werden, ist das große Problem von Assassination Nation. Sam Levinson schafft es, dass man seine Themen und Absicht, anhand der Konzentration der aktuellen amerikanischen Gesellschaft in der Ortschaft Salem, erkennt und gleichzeitig darüber resigniert, dass dies mittlerweile der Lauf der Welt ist. Ein jüngeres Publikum, dessen Sprache er hier sichtbar beherrscht, mag er damit vielleicht besser ansprechen. Komplett erscheint der Film wie eine lange, ausufernde Rede eines Politikers, die wach- und aufrütteln möchte, aber in der viel trotz viel Rederei wenig gesagt wird.
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